Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
zur Schaffung eines Rechtspflegergesetzes
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Vaduz, 13. Mai 1997
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachfolgenden Bericht und Antrag zur Schaffung eines Rechtspflegergesetzes zu unterbreiten.
Ende 1996 waren 8 Richter im Rahmen von 7 1/3 Richterstellen beim Fürstlichen Landgericht beschäftigt, da ein Landrichter zu zwei Dritteln vom Dienst freigestellt ist und in dieser Zeit als Mitglied der Europäischen Kommission für Menschenrechte in Strassburg tätig ist. Zwischenzeitlich haben zwei neue Landrichter ihre Tätigkeit beim Landgericht aufgenommen, so dass für eine kurze Zeit ein Bestand von 9 1/3 Richterstellen vorliegt. Mit diesem können v.a. auch gewisse Rückstände abgebaut werden. Sowohl die Verantwortlichen des Landgerichtes als auch die Regierung sind der Ansicht, dass die Zahl von 7 1/3 Richterstellen nicht mehr ausreicht, um die anfallenden Geschäfte innert nützlicher Frist zu erledigen. Die Regierung hat daher dem Landtag auch eine grundsätzliche Erhöhung der Zahl an Richterstellen beantragt.
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Ein Vergleich der auf dem Rechenschaftsbericht der Regierung und dem Bericht der Justizpflege beruhenden Zahlen legt klar dar, dass die Arbeitsbelastung des Landgerichtes in den zurückliegenden 15 Jahren beträchtlich angestiegen ist. Der Anstieg des Geschäftsanfalles reicht von ca. 26 Prozent bei den streitigen Zivilsachen bis zu 185 Prozent bei Rechtsöffnungen.
Die Entwicklung dieses Geschäftsanfalles beruht dabei in erster Linie auf der Ausweitung des liechtensteinischen Finanzdienstleistungssektors. Zudem hat der Gesetzgeber durch die Einführung des neuen Strafrechts und die Schaffung weiterer Strafbestimmungen in Nebengesetzen zusätzliche Aufgabenbereiche in der Strafjustiz geschaffen und damit dem Landgericht zugewiesen. Wie in den Nachbarstaaten ist auch in Liechtenstein ein signifikanter Anstieg der Wirtschaftskriminalität im allgemeinen und der Drogenkriminalität im besonderen, verbunden mit einem entsprechenden Ermittlungsaufwand, zu beobachten. Gerade auch im Bereich der streitigen und ausserstreitigen Handelsregistersachen führt die internationale Verflechtung liechtensteinischer Gesellschaften immer häufiger zu sachkomplexeren Fällen.
Aufgrund des gestiegenen Geschäftsanfalls und der vermehrten Aufgabenbereiche des Gerichtes wurden die Kapazitätsgrenzen des Landgerichts überschritten. Rückstände und Arbeitsausfälle können nicht mehr aufgearbeitet werden.
Verschiedene Gutachten haben bereits vor Jahren aufgezeigt, dass aufgrund der ständig zunehmenden und komplexer werdenden Aufgaben neue Stellen beim Landgericht geschaffen werden müssen, um einerseits den gestiegenen Anforderungen gerecht zu werden und andererseits die heute vorliegenden Rückstände soweit als möglich abzubauen.
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In den zurückliegenden Jahren wurden verschiedenen Möglichkeiten diskutiert, um den Geschäftsbetrieb des Landgerichts zu verbessern. Massnahmen zur Verbesserung und Förderung des Geschäftsbetriebes des Landgerichtes wurden schon im Jahre 1981 in einem Gutachten von Prof. Hugo Dworak, dem damaligen Präsidenten des Liechtensteinischen Obersten Gerichtshofs, sowie in einem Bericht der Regierung an den Landtag vom 24. Oktober 1991 dargestellt. Dabei wurde unter anderem vorgeschlagen, Aushilfsrichter zu beschäftigen, verschiedene legistische Massnahmen zur Verbesserung zu treffen sowie gesetzliche Grundlagen für die Anstellung eines sog. Rechtspflegers zu schaffen.
Bezüglich der Beschäftigung von zusätzlichen Richtern wurden bereits Massnahmen getroffen, indem insgesamt drei neue Richter rekrutiert wurden. Diese Rekrutierungen waren durch den Hinschied eines Richters, des baldigen Austritts eines anderen Richter aus Altersgründen sowie als Ueberbrückung notwendig geworden; sie werden sich daher nicht als zusätzliche Richterstellen auswirken. Die Regierung ist nicht der Meinung, dass unbedingt ausschliesslich höchstqualifizierte Richter rekrutiert werden müssten. Vielmehr sollten die Richter auch von Routineangelegenheiten befreit und durch qualifizierte Mitarbeiter entlastet werden. Deshalb schlägt die Regierung die Schaffung eines Rechtspflegergesetzes vor, um das Landgericht in diesem Sinne zu verstärken. Der Rechtspfleger soll als besonders ausgebildete und geprüfte Fachperson anstelle des Richters bestimmte einfache Geschäfte der Gerichtsbarkeit erster Instanz erledigen. Seine Aufgabe ist es somit, die Landrichter zu entlasten und ihnen somit Kapazitäten für andere Belange zu geben.
Zur Erarbeitung eines Gesetzesentwurfes hat die Regierung eine Arbeitsgruppe bestellt, welcher neben zwei Vertretern des Ressorts Präsidium zwei Landrichter angehörten.