Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
zu einem Gesetz über die Vergabe öffentlicher Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge (ÖAWG)
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Vaduz, den 26. Mai 1997
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag zur Schaffung eines Gesetzes über die Vergabe öffentlicher Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge (ÖAWG) zu unterbreiten.
In den vergangenen Jahren ist das Öffentliche Auftragswesen durch eine Reihe völkerrechtlicher Vorgaben in ein eigentliches "Netz" völkerrechtlicher Rechte und Pflichten eingebettet worden. Das EWR-Abkommen vom 2. Mai 1992, LGBl. 1995 Nr. 68, ist nur ein Teil dieses "Netzes", wenn auch der bedeutendste.
In bezug auf das EWR-Abkommen ist nicht nur dessen Anhang XVI umzusetzen, sondern auch die Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) zu berücksichtigen, die im EWR - zumindest dem Grundsatz nach - den gleichen Stellenwert besitzt wie in der EU (Art. 6 des EWR-Abkommens);
Eine weitere völkerrechtliche Vorgabe sind die Regelungen des
WTO-Übereinkommens vom 14. April 1994 über das Öffentliche Beschaffungswesen, in das Liechtenstein derzeit über die Offerte der Schweiz (d.h.
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bei Arbeitsvergaben durch das Land Liechtenstein, nicht jedoch bei Arbeitsvergaben durch die Gemeinden) miteinbezogen ist. Liechtenstein ist diesem Übereinkommen zwar noch nicht beigetreten. Dem Landtag ist ein entsprechender Bericht und Antrag jedoch bereits übermittelt worden;
Ebenfalls berücksichtigt worden ist - soweit dies sinnvoll und zweckmässig erschien - die Interkantonale Vereinbarung vom 25. November 1994 über das Öffentliche Beschaffungswesen (IVöB). Ob ein Beitritt zur IVöB sinnvoll ist, wird vom Ressort Bauwesen derzeit abgeklärt;
Von Bedeutung ist schliesslich die Gemeinsame Erklärung vom 2. November 1994 gewesen, die von Liechtenstein, von der Schweizerischen Eidgenossenschaft, von den Kantonen Zürich, Glarus, Appenzell Ausserrhoden, St. Gallen, Graubünden und Thurgau sowie von den Gemeinden der St. Gallischen Bezirke Werdenberg und Sargans unterzeichnet worden ist (i.d.F. als "Gemeinsame Erklärung" bezeichnet). Die Gemeinsame Erklärung hat den Charakter einer politischen Absichtserklärung und sichert allen Beteiligten gegenseitige Nicht-Diskriminierung zu. In der Gemeinsamen Erklärung werden ausserdem Regelungen in bezug auf die Anwendung technischer Spezifikationen sowie in bezug auf die fremdenpolizeiliche und gewerberechtliche Behandlung getroffen (Beilage):
Die Gemeinsame Erklärung ist durch eine "Erklärung betreffend die Liberalisierung des Öffentlichen Beschaffungswesens im schweizerischliechtensteinischen Verhältnis" ergänzt und weitergeführt worden. Diese Erklärung datiert ebenfalls vom 2. November 1994. Von ihr ausgenommen bleibt - zumindest dem Grundsatz nach - die Vergabe öffentlicher Aufträge in den Bereichen Wasser, Energie, Verkehr und Telekommunikation (Beilage).
Nachstehend soll auf die beiden wichtigsten völkerrechtlichen Vorgaben eingegangen werden: auf das EWR-Abkommen und auf das WTO-Übereinkommen.