Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
zur Abänderung des Landesbürgerrechts betreffend unehelich geborene Kinder
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Der vorliegende Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag berücksichtigt das Urteil des Staatsgerichtshofes vom 24. April 1997, StGH 1996/36, mit dem der Staatsgerichtshof verschiedene Bestimmungen des Landesbürgerrechtsgesetzes wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben hatte. Gleichzeitig hat der Staatsgerichtshof festgehalten, dass verschiedene Bestimmungen in bezug auf den Erwerb des Landesbürgerrechtes im erleichterten Verfahren durch ausländische uneheliche Kinder eines liechtensteinischen Vaters dem Art. 31 Abs. 2 der Verfassung widersprechen. Der Staatsgerichtshof konnte diese Bestimmungen nicht aufheben, weil diese keinen Zusammenhang mit dem eigentlichen Beschwerdeverfahren hatten. Die Regierung vertritt die Auffassung, dass diesem Urteil des Staatsgerichtshofes im Landesbürgerrecht Rechnung zu tragen ist. Sie beantragt dem Landtag, die Abänderung bzw. Aufhebung der §§ 4 Abs. 1 und 2 sowie 5b des Gesetzes über den Erwerb und Verlust des Landesbürgerrechtes. Mit der Gesetzesänderung werden uneheliche Kinder von liechtensteinischen Vätern in bezug auf den Erwerb des Landesbürgerrechtes den unehelichen Kindern von liechtensteinischen Müttern gleichgestellt.
Zuständiges Ressort
Ressort Justiz.
Betroffene Amtsstellen
Regierungskanzlei, Passamt, Zivilstandsamt.
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Vaduz, 26. August 1997
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag zur Abänderung des Gesetzes über den Erwerb und Verlust des Landesbürgerrechtes in bezug auf unehelich geborene Kinder zu unterbreiten.
Gemäss § 4 Abs. 1 des Gesetzes über den Erwerb und Verlust des Landesbürgerrechtes ist das Landesbürgerrecht ehelich geborenen Kindern durch Geburt eigen, wenn der Vater oder die Mutter liechtensteinische Landesbürger sind. Ehelich geborenen Kindern gleichzuhalten sind uneheliche Kinder liechtensteinischer Landesbürger, die durch Behebung des Ehehindernisses oder schuldlose Unwissenheit der Ehegatten als ehelich angesehen werden und solche, die durch nachfolgende Eheschliessung oder durch Begünstigung des Landesfürsten legitimiert werden (§ 160- 162 ABGB).
Gemäss § 4 Abs. 2 des Gesetzes über den Erwerb und Verlust des Landesbürgerrechtes ist das Landesbürgerrecht unehelich geborenen Kindern durch Geburt eigen, wenn die Mutter liechtensteinische Landesbürgerin ist. Unehelich geborene
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Kinder einer ausländischen Mutter erwerben das Landesbürgerrecht durch nachfolgende Eheschliessung der Mutter mit dem Vater, wenn dieser liechtensteinischer Landesbürger ist.
Mit Gesetz vom 20. Juni 1996 wurde das Landesbürgerrecht mit einem § 5b ergänzt, wonach ausländische uneheliche Kinder eines liechtensteinischen Vaters auf Antrag in das Landesbürgerrecht und in das Gemeindebürgerrecht ihres Vaters aufgenommen werden können, wenn sie noch minderjährig sind und seit fünf Jahren entweder in Hausgemeinschaft mit dem Vater leben oder einen ordentlichen liechtensteinischen Wohnsitz aufweisen. Gemäss der Begründung der Regierung zu dieser Gesetzesänderung im Bericht und Antrag vom 6. Februar 1996 (Nr. 6/1996) beinhaltet diese Regelung nach wie vor rechtliche Unterschiede zwischen dem Vater und der Mutter in bezug auf die Weitergabe des Landesbürgerrechts an ein uneheliches Kind. Während das uneheliche Kind bei Geburt automatisch das Landesbürgerrecht der Mutter erhält, kann ein liechtensteinischer Vater das Landesbürgerrecht nur unter bestimmten Voraussetzungen weitergeben.
Wie die Regierung im oben bezeichneten Bericht und Antrag ausführte, war diese rechtliche Unterscheidung aus damaliger Sicht gerechtfertigt, weil sie sich auf die absolut körperliche Ungleichheit der Geschlechter beziehe. Zum Zeitpunkt der Geburt des unehelichen Kindes sei immer gewiss, wer die Mutter sei, während dieselbe Sicherheit in bezug auf den Vater nicht gegeben sei. Um zu vermeiden, dass ein uneheliches Kind staatenlos werde, habe es deshalb bereits bis anhin bei Geburt automatisch das Landesbürgerrecht der Mutter erhalten. Allerdings rechtfertige dieses Argument allein nicht die Tatsache, dass bei der Vaterschaft eines Liechtensteiners zu einem unehelichen Kind zusätzliche Voraussetzungen erfüllt sein müssten, damit das Kind das Landesbürgerrecht erhalte. Denn nach gerichtlicher Feststellung oder Anerkennung der Vaterschaft bestehe über diese keine Zweifel mehr. Zu berücksichtigen sei auch die derzeitige Situation im Privatrecht.
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Der Mutter komme hier eine gegenüber dem Vater des unehelichen Kindes vorrangige Stellung zu, weil das uneheliche Kind häufig nicht in einem geschlossenen Familienverband, sondern nur mit einem Elternteil zusammenlebe. Der Gesetzgeber könne daher bestimmte elterliche Rechte nicht beiden Eltern im gleichen Ausmass zugestehen. Die Entscheidung zugunsten der Mutter begründe sich darin, dass das uneheliche Kind in der Regel bei der Mutter wohne. Als weiterer Gesichtspunkt in Zusammenhang mit dem Privatrecht sei die Gefahr einer allfälligen Umgehung des Adoptionsrechts zu beachten. Könnte der Vater das Landesbürgerrecht nach Anerkennung der Vaterschaft ohne weitere Voraussetzungen weitergeben, würde das Adoptionsrecht in den §§ 179ff ABGB an Bedeutung verlieren, wenn das Kind unmittelbar nach der Anerkennung den Familiennamen und das Landesbürgerrecht des Vaters erhalten würde.
Unter Berücksichtigung dieser Gründe und nach Studien der Gesetzgebung der umliegenden Länder war die Regierung zum damaligen Zeitpunkt der Auffassung, dass gewisse Unterschiede bei der Weitergabe des Staatsbürgerrechtes zwischen Müttern und Vätern unehelicher Kinder mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung von Mann und Frau vereinbar seien.