Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend den Markenrechtsvertrag vom 27. Oktober 1994
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Im wesentlichen bezweckt der Markenrechtsvertrag eine Vereinfachung der Verfahrensformalitäten vor den nationalen Markenämtern. Im Gegensatz zum Madrider Markenabkommen (MMA) oder zum Madrider Protokoll (MMP) sieht der Markenrechtsvertrag keine Bündelung des Anmeldeverfahrens bei einer zentralen Stelle, der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO), vor. Der Markenrechtsvertrag wird für die Markenhinterleger Erleichterungen im Verkehr mit Staaten bringen, welche nicht dem Madrider Verband angehören (z.B. Japan, USA, einige Schwellen- und Entwicklungsländer). Die Ausführungsordnung beinhaltet nicht nur detaillierte Bestimmungen bezüglich der Anforderungen, die von den nationalen Markenämtern in den laufenden Verfahren gestellt werden können, sondern enthält auch eine Reihe von vereinheitlichten Formularen, etwa für Gesuche um Eintragung, Übertragung, Änderung und Berichtigung oder Erneuerung sowie für Vertreterbestellungen.
Zuständiges Ressort/Zustandige Ämter
Die Vorbereitung des Berichts und Antrags erfolgte über das Ressort Äusseres durch das Amt für Auswärtige Angelegenheiten in Zusammenarbeit mit dem Amt für Volkswirtschaft.
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Vaduz, 9. September 1997
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete,
Die Regierung gestattet sich, Ihnen nachstehend den Bericht und Antrag betreffend den Markenrechtsvertrag vom 27. Oktober 1994 zu unterbreiten.
Der vom Generaldirektor der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO, LGBl. 1986 Nr. 69) im Jahre 1987 gemachte Vorschlag, dass die Arbeit an einem Markenrechtsvertrag über die Harmonisierung von bestimmten legislativen Bestimmungen zum Schutz von Handelsmarken aufgenommen werden sollte, und die Annahme dieses Vorschlags durch die Verwaltungsorgane der Weltorganisation für geistiges Eigentum und der Internationalen Union zum Schutz des gewerblichen Eigentums (Pariser Union) können als Auslöser des Markenrechtsvertrags bezeichnet werden. Die Arbeit sollte sich vor allem auf die Definition von Handels- und Dienstleistungsmarken, die Formerfordernisse betreffend die Anmeldung zur Eintragung, die Eintragung von Dienstleistungsmarken, die Dauer der Gültigkeit der Registrierung und der Erneuerung sowie auf die Erfordernisse für den aktuellen Gebrauch von Marken konzentrieren.
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Das für die Ausarbeitung des Markenrechtsvertrags eingerichtete WIPO-Expertenkomitee über die Rechtsharmonisierung zum Schutz von Marken hielt seine 1. Session vom 27. November bis 1. Dezember 1989 in Genf ab. Gemäss einer von den Verwaltungsorganen der WIPO und der von der WIPO verwalteten Verbänden an der 20. Session (25. September bis 4. Oktober 1989) getroffenen Entscheidung nahm neben den Mitgliedstaaten der Pariser Union die EG als Vollmitglied an den Sitzungen des Expertenkomitees teil. Das Expertenkomitee hielt 1989 und 1990 je eine und 1992 und 1993 je zwei Sitzungen ab.
Die Arbeit des Expertenkomitees war zu Beginn darauf ausgerichtet, eine umfassende Harmonisierung des Markenrechts in materiellen und prozeduralen Fragen zu erreichen. Dieser ehrgeizige Plan konnte jedoch nicht verwirklicht werden. Im Vorfeld der Konferenz waren unerwartet politische Schwierigkeiten aufgetaucht, die den Abschluss des Markenrechtsvertrags in Frage stellten. Kernproblem war das Begehren der EU, gemäss dem Prinzip "ein Markensystem = eine Stimme" zusätzlich zum Stimmrecht ihrer Mitgliedstaaten eines für sich selbst zu fordern. Dieses Begehren war eine direkte Folge des im April 1994 in Kraft getretenen EU-weiten Markenrechtsystems, das zu den nationalen Markenrechtsystemen der EU-Mitgliedstaaten hinzutrat, die nationalen Systeme jedoch nicht ersetzte. Diesem Begehren widersetzten sich vehement die USA, unterstützt u.a. von den Staaten des amerikanischen Kontinents und derjenigen aus der Pazifikregion. Diese Staaten befürchteten eine Präjudizwirkung für künftige völkerrechtliche Verträge und beriefen sich demgemäss auf das völkerrechtliche Prinzip "ein Staat = eine Stimme". Einverstanden waren sie mit der in jüngeren internationalen Abkommen (inklusive GATT) gewählten Lösung, der EU in Sachbereichen, in denen die Kompetenz von den Mitgliedstaaten auf sie übergegangen ist, ein Stimmrecht in der Höhe der Anzahl ihrer Mitglieder zu gewähren. Die Erarbeitung eines Kompromisses in dieser politischen Frage dominierte die diplomatische Konferenz, welche vom 10. bis 28. Oktober 1994 in Genf stattfand, weitgehend.
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Der an der Konferenz ausgearbeitete Kompromiss besteht nun darin, dass es keine "Union der Vertragsparteien" gibt.
Der Vertragsentwurf der WIPO von 1992 beinhaltete im wesentlichen nur noch Vorschriften im formellen Bereich. Der am 28. Oktober 1994 an einer diplomatischen Konferenz in Genf verabschiedete Markenrechtsvertrag enthält vor allem Vorschriften zur Vereinfachung der administrativen Verfahren vor den nationalen Markenämtern und einige wenige materiellrechtliche Bestimmungen. Um das Ziel einer materiellen Rechtsvereinheitlichung doch nicht ganz aufgeben zu müssen, wurde mit Art. 18 des Markenrechtsvertrags die Möglichkeit geschaffen, Protokolle zur weiteren Vereinheitlichung des Markenrechts abzuschliessen.
Am 27. Oktober 1994 wurde der Markenrechtsvertrag verabschiedet und am 28. Oktober 1994 zur Unterzeichnung aufgelegt. Der Vertrag trat am 1. August 1996 in Kraft, nachdem er von 5 Staaten (Moldawien, Ukraine, Sri Lanka, Tschechien und Vereinigtes Königreich) ratifiziert worden war (vgl. die aktuelle Liste der Vertragsparteien in Beilage 2). Liechtenstein hat an der diplomatischen Konferenz teilgenommen und den Markenrechtsvertrag am 5. März 1995 unterzeichnet.