Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend das Abkommen zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und der Schweizerischen Eidgenossenschaft betreffend die Direktversicherung
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Mit dem Inkrafttreten des liechtensteinischen Versicherungsaufsichtsgesetzes am 1. Januar 1996 hätten - ohne entsprechende staatsvertragliche Vereinbarungen - die schweizerischen Versicherungsunternehmen bei ihrer Tätigkeit in Liechtenstein die Stellung von Drittland-Unternehmen erhalten. Um diskriminierende Auswirkungen dieses Gesetzes auf hier tätige schweizerische Unternehmen zu vermeiden und liechtensteinischen Versicherungsunternehmen gleiche Wettbewerbsbedingungen in der Schweiz zu ermöglichen, führt das vorliegende Abkommen im Bereich Direktversicherungen (Lebens- und Nichtlebensversicherungen) zwischen Liechtenstein und der Schweiz die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit ein. Die Auswirkungen des Abkommens gelten allerdings nur für die betreffenden beiden Länder.
Ziel des reziproken Abkommens ist es, die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit bei der Direktversicherungstätigkeit sowie die Sitzlandkontrolle, basierend auf gleichwertigem Aufsichtsrecht, zwischen Liechtenstein und der Schweiz einzuführen. Damit werden schweizerische Versicherungsunternehmen in Liechtenstein den EWR-Versicherungsunternehmen gleichgestellt. Versicherungsunternehmen mit Sitz in Liechtenstein erhalten neu die Möglichkeit, den schweizerischen Versicherungsmarkt mittels Niederlassung oder im Wege des freien Dienstleistungsverkehrs in der Direktversicherung zu bearbeiten.
Der Abkommensinhalt entspricht europäischem Recht. Gleich wie im EWR ist die Finanzaufsicht über das Versicherungsgeschäft, das auf dem Wege der Niederlassungs- oder Dienstleistungsfreiheit ausgeübt wird, Sache des Sitzlandes der Versicherungsunternehmen. Das schweizerische Aufsichtsrecht kennt das Prinzip der Sitzlandaufsicht noch nicht. Deshalb enthält der
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Anhang zum Abkommen Bestimmungen, welche die Einzelheiten dieses Prinzips hinreichend konkretisieren, damit sie direkt anwendbar sind.
Damit schweizerische Versicherungsunternehmen in Liechtenstein ab Jahresanfang 1997 (mit Ablauf der einjährigen Übergangsfrist) nicht gemäss Versicherungsaufsichtsgesetz wie Drittland-Unternehmen behandelt werden müssen, wurde mit einer gemeinsamen Erklärung die vorläufige Anwendung des bilateralen Abkommens ab 1. Januar 1997 vereinbart.
Zuständiges Ressort
Ressort Wirtschaft
Betroffene Amtsstelle
Amt für Volkswirtschaft
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Vaduz, 18. November 1997
P
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag zum Abkommen zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und der Schweizerischen Eidgenossenschaft betreffend die Direktversicherung zu unterbreiten.
Mit der EWR-Mitgliedschaft Liechtensteins ergab sich die Notwendigkeit, die EWR-Versicherungsrichtlinien ins liechtensteinische Recht umzusetzen. Damit eröffnen sich für Liechtenstein Chancen in einem neuen Bereich der Finanzdienstleistungen, welche nach Möglichkeit genutzt werden sollen.
Die Umsetzung der EWR-Versicherungsrichtlinien bedingte die Schaffung eines eigenen EWR-konformen Versicherungsaufsichtsgesetzes (Gesetz vom 6. Dezember 1995 betreffend die Aufsicht über Versicherungsunternehmen [VersAG], LGBl. 1996 Nr. 23). Das Gesetz ist am 1. Januar 1996 in Kraft getreten. Das Versicherungsaufsichtsgesetz unterscheidet in bezug auf die Inlandstätigkeit ausländischer Versicherungsunternehmen zwischen
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Versicherungsunternehmen mit Sitz in einem Vertragsstaat des EWR-Abkommens (EWR-Versicherungsunternehmen; Axt. 28 ff. VersAG) und Versicherungsunternehmen mit Sitz ausserhalb der Vertragsstaaten des EWR-Abkommens (Drittstaat-Unternehmen; Art. 31 ff. VersAG). Versicherungsunternehmen mit Sitz in der Schweiz gelten, da die Schweiz nicht Mitglied des EWR ist, damit als sog. Drittstaat-Unternehmen.
Bezüglich der Rechtsstellung der heute in Liechtenstein tätigen schweizerischen Versicherungsunternehmen sieht Art. 66 VersAG vor, dass bestehende Bewilligungen innert Jahresfrist an das neue Recht anzupassen sind. Um den besonderen Beziehungen zwischen der Schweiz und dem Fürstentum Liechtenstein auch im Versicherungsbereich gebührend Rechnung zu tragen, wurde in Art. 2 Abs. 3 VersAG die Möglichkeit einer staatsvertraglichen Vereinbarung ausdrücklich vorbehalten.
Bis Ende 1995 waren in Liechtenstein ausschliesslich ausländische, vornehmlich schweizerische Versicherungsunternehmen tätig. Alle Arbeitskräfte im liechtensteinischen Versicherungsbereich (ca. 130) waren bei schweizerischen Versicherungsunternehmen beschäftigt. Diese Gesellschaften benötigten bis anhin lediglich eine Konzession der Regierung (vgl. alt Art. 596 Abs. 1 und 613 PGR); zudem mussten sie eine Kaution hinterlegen und einen Repräsentanten gemäss alt Art. 239 Abs. 3 PGR bestellen. Dabei wurden nur solche ausländische Unternehmen konzessioniert, die eine Anerkennung bzw. Bewilligung des Bundesamtes für Privatversicherungswesen in Bern besassen. Inländische Versicherungsunternehmen gab es bis 1995 keine.