Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
über die Auswirkungen der Errichtung der Erzdiözese Vaduz/Liechtenstein Auf das Dekanat Liechtenstein und Dessen Einrichtungen, über die Möglichkeiten neuer Trägerschaften für die Arbeitsstelle für Erwachsenenbildung und für die Jugendarbeitsstelle sowie Beantwortung des Postulats vom 16. Februar 1998 betreffend die Erwachsenenbildung
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Im Dezember letzten Jahres wurde Liechtenstein aus dem Gebiet des Bistums Chur ausgegliedert und zur Erzdiözese Vaduz/Liechtenstein erhoben. Die Regierung hat am 15. Mai 1998 der Öffentlichkeit einen Bericht und Antrag an den Landtag präsentiert, der verschiedenste Fragenbereiche dieses kirchenorganisatorischen Schrittes beleuchtet.
Neben den organisatorischen, kirchenrechtlichen, staatskirchenrechtlichen und völkerrechtlichen Fragen, die sich stellen, ist insbesondere auch das Dekanat Liechtenstein und dessen Einrichtungen/Institutionen durch die Errichtung der Erzdiözese in Liechtenstein betroffen. Nachdem das Dekanat und auch der Administrationsrat aus kirchlicher Sicht spätestens Ende des Jahres 1998 als aufgehoben zu betrachten ist, stellt sich die Frage, was mit den verschiedenen Einrichtungen des Dekanats zu geschehen habe, nachdem durch den Wegfall des Dekanats diese Einrichtungen über keinen Träger mehr verfügen werden.
Der vorliegende Bericht und Antrag zeigt zum einen detailliert auf, welche Auswirkungen die Errichtung der Erzdiözese Vaduz/Liechtenstein auf das Dekanat und seine Einrichtungen hat. Zum zweiten wird die Frage über die Möglichkeiten neuer Trägerschaften für die Arbeitsstelle für Erwachsenenbildung und für die Jugendarbeitsstelle beleuchtet. Die Regierung hat sich in Zusammenarbeit mit den involvierten und betroffenen Personen intensiv mit der Frage auseinandergesetzt und Lösungen erarbeitet. Diese Lösungen konzentrieren sich auf die Einrichtungen und Tätigkeiten des Dekanats, die nicht rein innerkirchlichen Bereichen zuzuordnen waren und somit im Einflussbereich des Staates liegen. Im Vordergrund steht dabei als wohl grösste und bedeutendste Einrichtung die Erwachsenenbildungsstelle, die unter Berücksichtigung des Postulats vom 16. Februar 1998 betreffend die Erwachsenenbildung behandelt wurde. Die Regierung zielt dabei in
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sofern auf eine dem Postulat entgegenkommende liberale und transparente Ausrichtung der Erwachsenenbildung, indem die gesamte Koordination der Erwachsenenbildung zukünftig von einer staatsnahen Institution wahrgenommen werden soll. Eine inhaltliche Überprüfung der Erwachsenenbildung war im zur Verfügung stehenden Zeitraum nicht möglich, soll aber zu einem späteren Zeitpunkt und auf der Basis der neuen Strukturen erfolgen.
Neben der Darstellung und Behandlung der anderen Dekanatseinrichtungen befasst sich der Bericht schliesslich mit der Frage der Zuordnung des bisher an die römisch-katholische Landeskirche ausgerichteten Landesbeitrages.
Zuständiges Ressort
Ressort Kultur und Sport
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Vaduz, 22. September 1998
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag über die Auswirkungen der Errichtung der Erzdiözese Vaduz/Liechtenstein auf das Dekanat Liechtenstein und dessen Einrichtungen, über die Möglichkeiten neuer Trägerschaften für die Arbeitsstelle für Erwachsenenbildung und für die Jugendarbeitsstelle sowie die Ausrichtung eines Landesbeitrages an die römischkatholische Kirche zu unterbreiten.
Mit Publikation im römischen "l'Osservatore Romano" am 2. Dezember 1997 wurde öffentlich bekannt, dass Seine Heiligkeit Papst Johannes Paul II. verfügt hatte, die neue Erzdiözese von Vaduz, die das Gebiet des Fürstentums Liechtenstein umfasst, zu errichten. Zum ersten Erzbischof von Vaduz wurde der bisherige Bischof von Chur, Wolfgang Haas, ernannt. Die Regierung wurde von dieser Absicht am 28. November 1997 in Kenntnis gesetzt.
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Durch die Errichtung der Erzdiözese Vaduz/Liechtenstein endet die Jahrhunderte währende Zugehörigkeit des Gebietes des Fürstentums Liechtenstein zum Bistum Chur. Die Regierung hatte mit Bericht und Antrag vom 12. Mai 1998 an den Landtag betreffend die Errichtung einer Erzdiözese Vaduz/Liechtenstein (Nr. 44/1998) die Auswirkungen dieses kirchenorganisatorischen Schritts in kirchenrechtlicher, staatskirchenrechtlicher und völkerrechtlicher Hinsicht dargelegt und Vorschläge zur Neuordnung des Verhältnisses zwischen Staat und Kirche in Liechtenstein unterbreitet. Der Landtag konnte sich in seiner Sitzung vom 11. März 1998 mit der von der Regierung vorgeschlagenen Neuordnung des Staat-Kirche-Verhältnisses nach dem Modell "Verfassungsänderung - Kirchengesetz -Bistumsvertrag" nicht einverstanden erklären und sprach sich mehrheitlich für eine Beibehaltung der heute geltenden diesbezüglichen Verfassungsordnung aus.
Im genannten Bericht und Antrag wurde bereits grundlegend auf die Auswirkungen der Bistumserrichtung auf den Fortbestand des Dekanats eingegangen und darauf hingewiesen, dass ein zum damaligen Zeitpunkt in Auftrag gegebenes Gutachten noch ausstehend war und separat auf die Fragestellung ausführlich eingegangen würde. Dennoch wurden bereits verschiedene Aspekte beleuchtet und festgehalten, dass grundsätzlich davon auszugehen sei, dass das Dekanat und dessen Administrationsrat zumindest aus kirchlicher Sicht per Ende 1998 als aufgelöst zu betrachten seien. Die diesbezüglichen Aussagen sollen nachfolgend noch einmal dargelegt und durch die nunmehr vorliegenden Erkenntnisse ergänzt werden. Zuerst werden die Auswirkungen auf das Dekanat und dessen Einrichtungen in rein kirchenrechtlicher Hinsicht dargestellt, soweit dies für die Lösung der gegenständlichen Thematik von Bedeutung ist. Dann wird aufgezeigt, wie die Dekanatsthematik aus staatskirchenrechtlicher Sicht mit Blick auf den Begriff "Landeskirche" zu betrachten ist, was insbesondere auch hinsichtlich der Ausrichtung des Landesbeitrages an die römisch-katholische Landeskirche von Bedeutung ist. Dabei wird ebenso auf die Frage eingegangen, inwieweit die Erzdiözese als "Nach-
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folgerin" des Dekanats betrachtet werden kann. Weitere wichtige Ausführungen werden der Frage gewidmet sein, was mit den verschiedenen Einrichtungen und Institutionen des Dekanats geschieht, bzw. wie dieselben im Sinne einer optimalen und machbaren Lösung auf eine neue Trägerschaft überführt und somit weitergeführt werden können, nachdem das Dekanat als bisheriger Träger entfällt.
Schliesslich wird in diesem Bericht und Antrag die Gelegenheit genutzt, das Postulat der Abgeordneten Dr. Egon Matt und Paul Vogt vom 16. Februar 1998 betreffend die Erwachsenenbildung zu beantworten, nachdem eine der bedeutendsten Dekanatseinrichtungen die Erwachsenenbildungsstelle ist. Das Postulat, welches der Landtag der Regierung in seiner Sitzung vom 11./12. März 1998 überwiesen hat, lautet wie folgt:
"Die unterzeichneten Abgeordneten reichen folgendes Postulat ein:
Der Landtag wolle beschliessen:
Die Regierung wird eingeladen, die bestehenden Strukturen und Konzepte in der Erwachsenenbildung zu überprüfen und dem Landtag einen Bericht mit möglichen Varianten für eine offene, gesamtheitliche und konfessionsunabhängige Ausrichtung der Erwachsenenbildung vorzulegen.
Begründung:
Die Leistungen der Arbeitsstelle für Erwachsenenbildung sind unbestritten. Die Arbeitsstelle hat sich im Laufe der Jahre eine weitgehende Selbständigkeit in der Programmgestaltung und bei der Auswahl der Kursleiterinnen und Kursleiter gesichert und damit Anerkennung gefunden. Es soll deshalb hier einleitend ausdrücklich festgestellt werden, dass nicht die Arbeit der Arbeitsstelle die Ursache für dieses Postulat ist.
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Das Gesetz vom 5. Juli 1979 über die Förderung der Erwachsenenbildung geht von unterschiedlichen Trägern der Erwachsenenbildung aus: In Art. 5 werden als Träger der Erwachsenenbildung die römisch-katholische Kirche und andere Religionsgemeinschaften, die Gemeinden sowie private Institutionen und Vereinigungen genannt. Als förderungswürdige Bereiche werden in Art. 3 die Persönlichkeitsbildung, die sittliche und religiöse Bildung, die Elternbildung, die Betagtenbildung, die staatsbürgerliche und soziale Bildung, die musische Bildung, die Umwelterziehung und die Medienerziehung aufgezählt.
Die Erwachsenenbildung in Liechtenstein weist eindeutige Defizite auf. Der Begriff "lebenslanges Lernen" wurde in Liechtenstein zwar im Rahmen einer europäischen Kampagne aufgenommen, doch wurden keine konkreten Massnahmen unternommen, um diesen Anspruch auch zu verwirklichen. Das Gesetz über die Förderung der Erwachsenenbildung klammert insbesondere die berufliche Weiterbildung aus. Bereits im Jahre 1992 hat deshalb eine Arbeitsgruppe die bestehenden Strukturen überprüft und ein Konzept für eine Neuausrichtung der Erwachsenenbildung ausgearbeitet. Nach den Wahlen vom Februar 1993 wurden die entsprechenden Projekte dann sang- und klanglos schubladisiert. Der Landtag erhielt nie Gelegenheit, sich mit solchen Ideen zu befassen.
Die Arbeitsstelle für Erwachsenenbildung ist eine Einrichtung des Dekanats. Trotz der anerkannt guten Arbeit der Arbeitsstelle (v.a. im Bereich Persönlichkeitsbildung) erscheint eine konfessionelle Einbettung der Erwachsenenbildung in einem pluralistischen demokratischen Staat, der die Religionsfreiheit garantiert, heute aus grundsätzlichen Überlegungen eine problematische Lösung. Die (kirchliche) Arbeitsstelle für Erwachsenenbildung hat eine dominierende Stellung: Sieht man von den Kursen der Freizeitkommission der Gemeinden und den beruflichen Weiterbildungskursen der Gewerbe- und Wirtschaftskammer ab, laufen beinahe alle Aktivitäten im Bereich Erwachsenenbildung über die Arbeitsstelle für Erwachsenenbildung. Der Arbeitsstelle wurden auch die Kurse im Bereich "Freizeit und Weiter-
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bildung" (u.a. Sprachkurse) angegliedert, die früher von der Berufsberatungsstelle organisiert wurden. Der Staat finanziert die Arbeitsstelle zu einem grossen Teil, die Beiträge der Kursteilnehmer und Kursteilnehmerinnen reichen kaum für die Honorare der Referenten. Durch die Bereitstellung von Räumen unterstützen auch die Gemeinden die Aktivitäten der Arbeitsstelle (v.a. natürlich die Gemeinde Schaan).
Nach der Errichtung eines Erzbistums Liechtenstein durch den Vatikan erklärte Wolfgang Haas in einem Rundschreiben, dass das Dekanat als aufgehoben zu betrachten sei und lediglich noch bis Ende 1998 seine Arbeit fortsetzen könne. Mit der Auflösung des Dekanats wird es zwingend notwendig, eine neue Trägerschaft für die Erwachsenenbildung zu suchen. Eine Fortsetzung der bisherigen Tätigkeit der Arbeitsstelle unter der Führung des Erzbistums erscheint dem Postulanten nicht vertretbar. Wolfgang Haas scheint sich - nach seinen bisherigen Äusserungen und seinen bisherigen Handlungen zu urteilen -weitgehend einer konservativ ausgerichteten kirchlichen Lehre verpflichtet zu fühlen. Wenn die Arbeitsstelle unter die Leitung des Bistums käme, würde die für die Tätigkeit einer Erwachsenenbildungskommission notwendige Offenheit und Dialogbereitschaft fehlen.
Den Postulanten erscheint es daher dringend und notwendig, im Laufe des Jahres 1998 neue Strukturen zu erarbeiten. Nach unserer Auffassung soll die Arbeitsstelle auch in Zukunft weitgehend unabhängig arbeiten können und in Eigenverantwortung ein vielfältiges Programm erarbeiten, das den Bedürfnissen nach einer gesamtheitlichen Erwachsenenbildung entspricht. Die Verantwortung für die neue Institution soll nicht mehr bei der Kirche liegen, sondern bei einer offenen, pluralistisch ausgerichteten Trägerschaft. Um Missverständnisse zu vermeiden, sei explizit darauf hingewiesen, dass selbstverständlich auch in Zukunft Veranstaltungen zu Glaubensfragen Platz haben sollen im Programm der Erwachsenenbildung. Die Regierung soll mit diesem Postulat eingeladen werden, die Vor- und Nachteile verschiedener Modelle (Unterbringung bei einem Amt, öffentlich-rechtliche
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Stiftung, privatrechtliche Stiftung, Verein oder Genossenschaft) aufzuzeigen.