Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
zur Revision des Krankenversicherungsgesetzes (einschliesslich Abänderung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes und des Sanitätsgesetzes)
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Die vorgeschlagene Revision des Krankenversicherungsgesetzes (KVG) ist Teil und Kernpunkt der laufenden Gesundheitsreform. Aufgrund der insbesondere in den letzten zwei Jahren überdurchschnittlichen Kostensteigerung im Gesundheitswesen und der damit verbundenen ständig steigenden Krankenkassenprämien ist eine Reform unerlässlich. Eindämmung und Kontrolle der Kostenentwicklung sind das zentrale Ziel der Vorlage. Daneben sind Fragen der Niederlassung von Ärzten und eine Verstärkung der aufsichtsrechtlichen Bestimmungen weitere Gründe der Revision. Der Handlungsbedarf ist allgemein unbestritten. Dabei sollen alle Beteiligten, Leistungserbringer (Ärzte u.a.), Krankenkassen, Versicherte sowie auch der Staat stärker in die Verantwortung einbezogen werden.
Als gesundheits- und sozialpolitische Zielsetzung ist für die Regierung auch weiterhin der Zugang zu einer qualitativ hochstehenden Gesundheitsversorgung für alle und die finanzielle Tragbarkeit der vorgeschlagenen Massnahmen für die Versicherten und die Steuerzahler unerlässlich.
Kernpunkt der Vorlage ist die Einführung des Hausarztsystems als Variante zum Grundsatz der freien Wahl der Leistungserbringer. Im Hausarztmodell, das den Versicherten als "Option" angeboten werden soll fungiert der Hausarzt als Koordinator, Berater und Vermittler: Der Versicherte sucht bei medizinischen Problemen - abgesehen von Notfällen - zuerst seinen Hausarzt auf Der Hausarzt stellt eine ganzheitliche, gesprächsorientierte Grundversorgung sicher und überweist den Patienten bei Bedarf an einen Spezialisten oder ins Spital. Als Vertrauensperson berät er den Patienten, koordiniert die erforderlichen Abklärungen und Behandlungen und erhält zudem Einsicht in die ausgelösten Kosten, für die er auch eine Mitverantwortung übernehmen soll. Neben qualitativen Vorzügen durch eine koordinierte Behandlung können die Versicherten in diesem System auch in
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finanzieller Hinsicht profitieren und zwar sowohl durch eine tiefere Krankenkassenprämie als auch durch eine Halbierung der Kostenbeteiligung.
Die Regierung hat das ursprünglich in der Vernehmlassungsvorlage vorgeschlagene Kostenbeteiligungssystem differenziert. Die ganze Kostenbeteiligung ist nur noch für Erwachsene (ohne Rentner) mit freier Arztwahl vorgesehen. Jugendliche, Rentner mit freier Arztwahl und Erwachsene im Hausarztsystem haben die halbe Kostenbeteiligung zu entrichten, Kinder sowie Jugendliche und Rentner im Hausarztsystem sind von der Kostenbeteiligung gänzlich befreit. Vorgesehen ist zudem, dass auch Chronischkranke von der Kostenbeteiligung ausgenommen werden. Zu betonen ist, dass die neue Form der Kostenbeteiligung den Versicherten in Form einer tieferen Krankenkassenprämie zugute kommt. Die vorgeschlagene Regelung dämpft die Prämien für alle Versicherten um ca. 10%.
Daneben können die Versicherten mit einer frei wählbaren höheren Franchise eine (weitere) Prämienreduktion erwirken, was einer Art Bonus-System entspricht.
Das bisherige Konzept der Finanzierung soll grundsätzlich beibehalten werden (individuelle Kopfprämien, Arbeitgeberbeiträge, Kostenbeteiligung der Versicherten und Beiträge des Staates). Der soziale Ausgleich soll allerdings verstärkt werden: So sollen Kinder gänzlich von der Prämie befreit werden. Im Falle der Wahl des Hausarztsystems haben die Kassen eine Prämienreduktion um mindestens 10% gegenüber den im System der freien Arztwahl Versicherten vorzusehen. Auf die privilegierte Regelung der Kostenbeteiligung für Versicherte im Hausarztsystem ist bereits hingewiesen worden.
Neben den Neuerungen im Krankenversicherungsrecht sind im Rahmen der Gesundheitsreform flankierende sozialpolitische Massnahmen in anderen Bereichen
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(Wohnbeihilfen, Ergänzungsleistungen, Arbeitslosenversicherung, FAK, Sozialhilfe) vorgesehen.
Im Bereich Organisation und Aufsicht ist die Verstärkung der Aufsicht und die Einführung eines Risikoausgleichs zwischen den Krankenkassen vorgesehen.
Die Staatsbeiträge sollen inskünftig vermehrt zur Steuerung der Krankenversicherung benutzt werden. Der Staat übernimmt dabei auch weiterhin 35% der obligatorischen Krankenpflegekosten (rund 21 Mio. CHF auf Basis 1997). Für die Prämienbefreiung von Kindern wendet er zusätzlich ca. 4,5 Mio. CHF auf. Hinzu kommen schliesslich wie bisher Beiträge an das Krankenhaus Vaduz sowie die Vertragsspitäler in der Grössenordnung von 9 Mio. CHF.
Zuständiges Ressort
Ressort Gesundheit und Soziales
Betroffene Amtsstelle
Amt für Volkswirtschaft
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Vaduz, 9. Dezember 1998
P
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag zur Revision des Krankenversicherungsgesetzes (einschliesslich Abänderung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes und des Sanitätsgesetzes) zu unterbreiten.
Die Krankenversicherung in Liechtenstein beruht auf dem Gesetz vom 24. November 1971. Das Gesetz hat zwar in den folgenden Jahren einige Änderungen erfahren, das aus dem Jahre 1971 stammende Konzept ist indessen nie grundlegend geändert worden. Dieses Konzept hat sich in wesentlichen Teilen bewährt, während es in einigen Bereichen reformbedürftig geworden ist.
Die Krankenversicherung bildet heute die wichtigste Grundlage für den Zugang zu medizinischen Dienstleistungen. Dank der Krankenversicherung kann in Liechtenstein jeder Einwohner eine auf hohem Niveau stehende Medizin in Anspruch nehmen. Es kann festgestellt werden, dass nicht zuletzt dank der Kranken-
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versicherung das Angebot an medizinischen Leistungen sowohl qualitativ wie quantitativ einen auch im internationalen Vergleich sehr hohen Stand hat.
Das Gesundheitswesen in Liechtenstein ist sehr gut ausgebaut. Es gibt im Lande und in der Region gut ausgerüstete Spitäler, die Ärzte und übrigen Medizinalpersonen sind gut ausgebildet und die Arzneimittelversorgung funktioniert reibungslos. Es versteht sich von selbst, dass die hohe Qualität der medizinischen Versorgung erhalten bleiben soll.
Indessen drängen sich nun einige bedeutsame Änderungen auf, welche über eine kleine Revision hinausgehen. Dazu tragen verschiedene, in den letzten Jahren eingetretene Entwicklungen bei. Die wichtigsten statistischen Angaben zum Gesundheitswesen, insbesondere zum Krankenpflegebereich, sind aus der Interpellationsbeantwortung der Regierung betreffend Strukturdaten im Gesundheitswesen vom Dezember 1998 ersichtlich. Die vorgeschlagene Revision des KVG ist als Teil und Kernpunkt der laufenden Gesundheitsreform zu sehen. Weitere Schwerpunkte bilden die Schaffung und Durchführung des EWR-Arzneimittelgesetzes (das Gesetz ist am 1. Mai 1998 in Kraft getreten; die Verordnungen dazu sind am 9. Dezember 1998 erlassen worden) und das Gesetz über das liechtensteinische Landesspital. In Diskussion befindet sich zudem der Entwurf eines Naturheilpraktikergesetzes sowie das ebenfalls im Entwurf vorliegende Ärztegesetz, das mit dem vorliegenden Gesetz abgestimmt werden muss. Weiters sind die Arbeiten zur Revision des Ärztetarifes aufgenommen worden, wo u.a. in einer Evaluation abgeklärt werden soll, ob die mit der letzten Gesamtrevision des Arzttarifes im Jahre 1991 angestrebten Ziele erreicht werden konnten und wieweit sich der Tarif bewährt hat. Auch sollen die Auswirkungen des Tarifes auf die Kostenentwicklung und die Mengenausweitung untersucht werden. Schliesslich werden zur Zeit die Vereinbarungen des Landes mit ausländischen Spitälern einer Überprüfung unterzogen.
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Ebenfalls vorgesehen ist die Erarbeitung eines Leistungskataloges für die obligatorische Krankenpflegeversicherung.