Berichte und Anträge
Regierungskanzlei (RK)
BuA - Nummer
1998 / 17
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Ein­lei­tung
I.Bericht der Regierung
1.Aus­gangs­lage
2.Anlass/Not­wen­dig­keit der Vorlage
3.Erläu­te­rungen zu den ein­zelnen Gesetzesbestimmungen
4.Ver­fas­sungs­mas­sig­keit
5.Finan­zi­elle und per­so­nelle Auswirkungen
II.Antrag der Regierung
III.Regie­rungs­vor­lage
 
Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
über die Abänderung der Strafprozessordnung
 
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Zweck dieser Gesetzesvorlage ist es, die gesetzlichen Grundlagen für die Anordnung von Sicherheitsleistungen durch das Landgericht und deren Einhebung durch die Landespolizei bei Übertretungen des Strassenverkehrsgesetzes sowie eine Vereinfachung des einzelrichterlichen Verfahrens im Bereich der Erlassung von Strafverfügungen zu schaffen.
Bereits heute ist im Ordnungsbussengesetz vom 21. Juni 1995, LGBl. 1995 Nr. 179, vorgesehen, dass der Täter, welcher den Wohnsitz nicht in Liechtenstein hat, bei nicht sofortiger Bezahlung der Busse den Bussenbetrag zu hinterlegen oder eine andere angemessene Sicherheit zu leisten hat. Soweit aber der SVG-Übertretungstatbestand in die gerichtliche Zuständigkeit fällt, fehlt eine dementsprechende Grundlage. Mit der Möglichkeit einer Sicherheitsleistung soll nun einerseits gewährleistet werden, dass ein Täter mit Wohnsitz im Ausland in bezug auf Nichtbezahlung einer Busse keine faktische Besserstellung erfährt, als ein Täter mit inländischem Wohnsitz. Dem Land Liechtenstein soll andererseits durch diese Massnahme die mühvolle Eintreibung von rechtskräftig verhängten Bussen und Verfahrenskosten erspart bleiben, da die Sicherheitsleistung auf diese angerechnet wird.
Mit der Abänderung des § 330 Abs. 3 und 4 StPO wird zudem eine Verfahrensbeschleunigung in der Weise beabsichtigt, dass eine Strafverfügung trotz Einspruches in Rechtskraft erwachsen kann, wenn der gehörig geladene Beschuldigte nicht zur anberaumten Schlussverhandlung erscheint; vom Beschuldigten dadurch verursachte Mehrkosten sind von diesem zu tragen.
Zuständiges Ressort
Justiz
Betroffene Amtsstellen
Landgericht, Landespolizei
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Vaduz, 10. März 1998
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag zur Abänderung der Strafprozessordnung zu unterbreiten.
1.Ausgangslage
Gemäss Art. 1 iVm Art. 4 des Ordnungsbussengesetzes (OBG) vom 21. Juni 1995, LGB1. 1995 Nr. 179, kann die Landespolizei (Gemeindepolizei) bei Übertretungen von Strassenverkehrsvorschriften Ordnungsbussen bis zu 600 Franken in einem vereinfachten Verfahren verhängen. In der Verordnung vom 13. August 1996, LGB1. 1996 Nr. 154, sind in der Bussenliste die jeweiligen Straftatbestände und deren Bestrafung aufgeführt.
In Art. 6 OBG wird ausgeführt, dass ein Täter, der im Fürstentum Liechtenstein keinen Wohnsitz hat, den Bussenbetrag zu hinterlegen oder eine andere angemessene Sicherheit zu leisten hat, sofern er die Busse nicht sofort bezahlt.
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Soweit ein Übertretungstatbestand nicht im Ordnungsbussenverfahren erledigt werden kann und in die Zuständigkeit des Landgerichtes fällt, hat die Landespolizei keine Möglichkeit, eine Sicherheitsleistung zuhanden des Landgerichtes zu erheben.
Gemäss Art. 98 Abs. 1 Bst. b des Strassenverkehrsgesetzes vom 30. Juni 1978 (SVG), LGB1. 1978 Nr. 18, sind die ordentlichen Gerichte bei allen nicht unter Art. 98 Abs. 1 Bst. a SVG fallenden Übertretungen Strafbehörde. In bezug auf das Strafverfahren wird in Art. 98 Abs. 2 SVG festgehalten, dass sich dieses vor den ordentlichen Gerichten nach den Bestimmungen der Strafprozessordnung richtet.
In der Strafprozessordnung (StPO) ist nicht vorgesehen, dass das Landgericht bei Übertretungen Sicherheitsleistungen im Sinne einer sichernden Massnahme anordnen darf. Im XXII. Hauptstück (Vereinfachungen des Verfahrens vor dem Einzelrichter bei Übertretungen und bestimmten Vergehen) wird in § 322 Ziff. 1 StPO ausgeführt, dass die vorläufige Festnahme des Beschuldigten ausser in den im § 127 Ziff. 2 (Fluchtgefahr) und 3 (Verdunkelungsgefahr) StPO erwähnten Fällen nur dann stattfinden dürfe, wenn der ausdrücklich zum persönlichen Erscheinen aufgeforderte Beschuldigte dieser Aufforderung nicht nachkomme. Reisenden sei die Fortsetzung der Reise zu gestatten, insofern nicht anzunehmen sei, dass dadurch die Untersuchung oder die Vollstreckung des Urteils vereitelt werde.
SVG-Übertretungen, die in die Zuständigkeit des Landgerichtes fallen, werden, soweit die Voraussetzungen des § 328 Abs. 1 StPO gegeben sind, ohne vorausgehendes Verfahren durch den Einzelrichter mit Strafverfügung erledigt. Mit Ausnahme vom Vergehenstatbestand des Art. 87 Abs. 2 SVG sind alle anderen SVG-Delikte Übertretungen mit einer Bussandrohung von 5'000, 20'000 oder
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50'000 Franken in Verbindung mit einer Ersatzfreiheitsstrafe im Falle der Uneinbringlichkeit. Vorbehalten bleibt selbstverständlich die Ahndung nach dem Ordnungsbussengesetz.
Die Anwendung von freiheitsentziehenden Massnahmen ist im Bereich von Übertretungen des Strassenverkehrsgesetzes nicht verhältnismässig und daher klar abzulehnen.
Ein Motorfahrzeugführer, der in Liechtenstein keinen Wohnsitz hat, wird nach geltender Rechtslage bei einer Übertretung des Strassenverkehrsgesetzes in der Regel von der Landespolizei angehalten, überprüft und in der Folge beim Landgericht bzw. der Staatsanwaltschaft angezeigt. Der angezeigte Delinquent kann grundsätzlich ohne Bezahlung der zu erwartenden Busse und Verfahrenskosten aus Liechtenstein ausreisen. Der Richter erlässt auf der Grundlage eines Strafantrages des Staatsanwaltes eine Strafverfügung, die dem Beschuldigten zuzustellen ist. Häufig kann aber eine Strafverfügung im kostspieligen und mühevollen Rechtshilfeweg (Übersetzungskosten, insbesondere in Staaten Osteuropas) nicht zugestellt werden, da der Aufenthaltsort des Beschuldigten nicht ermittelt werden kann, so dass das Gericht diese Strafverfügung mit dem Ersuchen an die Landespolizei weiterleitet, die Ausschreibung des Beschuldigten zur Aufenthaltsermittlung im Inland zu veranlassen und die Strafverfügung gegen Empfangsbestätigung auszufolgen. Wird der Beschuldigte wider Erwarten innerhalb der Ausschreibungsfrist angetroffen, kann er gegen die ordnungsgemäss zugestellte Strafverfügung Einspruch erheben mit der Folge, dass die Strafverfügung ausser Kraft tritt und das ordentliche Verfahren einzuleiten ist. Falls er keinen Einspruch gegen Strafverfügung binnen 14 Tagen erhebt, erwächst die Strafverfügung in Rechtskraft. Wenn der Verurteilte die verhängte Busse sowie die Verfahrenskosten binnen weiterer 14 Tagen nicht bezahlt, werden sie auf dem Exekutionswege zwangsweise eingetrieben, was naturgemäss bei einer Person
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mit Wohnsitz im Ausland kaum durchführbar ist. Im Falle der Uneinbringlichkeit der ausgefällten Busse ergeht ein Gerichtsbeschluss über die Anordnung des Vollzuges der verhängten Ersatzfreiheitsstrafe mit der Aufforderung zum Strafantritt.
Das Gericht bzw. die Landespolizei haben nach geltendem Recht, mit Ausnahme des Ordnungsbussenverfahrens, keine Möglichkeit bei SVG-Übertretungen gegen den Verdächtigen eine Sicherungsmassnahme im Sinne einer Sicherheitsleistung in Form der Hinterlegung eines Geldbetrages oder einer anderen angemessenen Sicherheit in Höhe der mutmasslichen Busse und Verfahrenskosten bis zur rechtskräftigen Erledigung des gerichtlichen Verfahrens anzuordnen.
LR-Systematik
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LGBl-Nummern
1999 / 009
1999 / 009
Landtagssitzungen
19. November 1998
13. Mai 1998