Berichte und Anträge
Regierungskanzlei (RK)
BuA - Nummer
1998 / 59
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Ein­lei­tung
I.Bericht der Regierung
1.Aus­gangs­lage
2.Inhalt des Übe­rein­kom­mens und Ver­gleich mit der Rechts­lage in Liechtenstein
3.Ver­nehm­las­sung
4.Aus­wir­kungen für Liechtenstein
5.Bedeu­tung des Übereinkommens
6.Ver­fas­sungs­mäs­sig­keit
II.Antrag der Regierung
Grüner Teil
 
Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
Betreffend das Übereinkommen vom 18. September 1997 über das Verbot des Einsatzes, der Lagerung, der Herstellung und der Weitergabe von Anti-Personenminen und über deren Vernichtung
 
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Der vorliegende Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag bezieht sich auf die Ratifikation des Übereinkommens vom 18. September 1997 über das Verbot des Einsatzes, der Lagerung, der Herstellung und der Weitergabe von Anti-Personenminen und über deren Vernichtung sowie auf eine für die Umsetzung des Übereinkommens notwendige Anpassung der liechtensteinischen Rechtslage hinsichtlich der Vermittlung von Anti-Personenminen.
Das Übereinkommen ist ein völlig neues Vertragsinstrument und bringt einen Durchbruch auf dem Gebiet des humanitären Völkerrechts. Im Gegensatz zu bestehenden Instrumenten sieht es nicht nur Beschränkungen des Einsatzes von Anti-Personenminen, sondern ein umfassendes Verbot dieser Waffe vor. Es verbietet den Einsatz, die Herstellung, die Lagerung und die Weitergabe von Anti-Personenminen. Weiter verpflichtet das Übereinkommen zur Vernichtung bestehender Lagerbestände von Anti-Personenminen sowie zur Räumung aller bereits verlegten Anti-Personenminen innerhalb festgesetzter Fristen. Einen wichtigen Platz nehmen im Übereinkommen die Bestimmungen über die internationale Zusammenarbeit und Hilfe ein. Die Vertragsstaaten verpflichten sich zu gegenseitiger Unterstützung bei der Vernichtung von Lagerbeständen, der Minenräumung und der Opferhilfe. Ausserdem sind regelmässige Berichte der Vertragsparteien über von ihnen getroffene Massnahmen zur Umsetzung des Übereinkommens vorgesehen, und es wird ein Kontrollmechanismus eingeführt, der unter anderem den Einsatz von Ermittlungskommissionen unabhängiger Experten vorsieht. Schliesslich sind die Staaten verpflichtet, Massnahmen zur Durchsetzung des Übereinkommens auf nationaler Ebene zu treffen.
Zuständiges Ressort
Äusseres
Betroffene Amtsstelle
Amt für Auswärtige Angelegenheiten
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Vaduz, 16. Juni 1998
P
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend das Übereinkommen vom 18. September 1997 über das Verbot des Einsatzes, der Lagerung, der Herstellung und der Weitergabe von Anti-Personenminen und über deren Vernichtung zu unterbreiten.
1.Ausgangslage
Nach Schätzungen der UNO sind zur Zeit weltweit rund 110 Millionen Anti-Personenminen verlegt. Täglich werden rund 70 Menschen durch Anti-Personenminen verstümmelt oder getötet. Die menschlichen Leiden, aber auch die sozialen und wirtschaftlichen Belastungen und nicht zuletzt die ökologischen Schäden, die durch den Einsatz dieser Waffe entstehen, sind schwerwiegend. Die Räumung verlegter Anti-Personenminen ist ein aufwendiger, teurer und gefährlicher Prozess, und es ist davon auszugehen, dass noch heute täglich mehr Anti-Personenminen verlegt als entfernt werden.
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Die Staatengemeinschaft ist sich dieser Problematik seit einiger Zeit bewusst. Auf völkerrechtlicher Ebene hat sie sich bei der Ausarbeitung von Protokoll II zum Übereinkommen vom 10. Oktober 1980 über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes bestimmter konventioneller Waffen, die übermässige Leiden verursachen oder unterschiedslos wirken können (LGB1. 1989 Nr. 50) sowie anlässlich der Revision dieses Protokolls konkret mit ihr befasst. Es hat sich jedoch in der Vergangenheit gezeigt, dass die bestehenden völkerrechtlichen Instrumente nicht genügen, um die von Anti-Personenminen verursachten Probleme in den Griff zu bekommen. Das revidierte Protokoll II, dem Liechtenstein am 19. November 1997 beigetreten ist, dessen Inkrafttreten jedoch noch aussteht, stellt zwar einen nicht zu unterschätzenden Fortschritt dar. Trotzdem ist es aber nicht zufriedenstellend. Einerseits werden die neuen Bestimmungen über die Detektierbarkeit, die Selbstzerstörung und die Selbstdeaktivierung wegen langer Übergangsfristen erst mit grosser Verzögerung wirksam werden. Andererseits sieht auch das revidierte Protokoll lediglich Einschränkungen des Einsatzes von Anti-Personenminen, aber kein umfassendes Verbot dieser Waffe vor.
An der Revisionskonferenz zum Übereinkommen von 1980 im Herbst 1995 und Frühjahr 1996 hatten sich verschiedene Staaten, darunter Liechtenstein, angesichts der erwähnten Problematik für ein sofortiges Totalverbot von Anti-Personenminen ausgesprochen. Die kanadische Regierung nahm diesen Gedanken auf und führte im Oktober 1996 in Ottawa eine Strategiekonferenz durch. In seiner Schlusserklärung rief der kanadische Aussenminister dazu auf, ein Übereinkommen über ein umfassendes Verbot von Anti-Personenminen auszuarbeiten und noch vor Ende 1997 zu unterzeichnen. In der Folge entwickelte sich über mehrere Stationen eine Verhandlungsdynamik, welche bald als Ottawa-Prozess bekannt werden sollte.
Österreich hatte an der Strategiekonferenz in Ottawa den Auftrag zur Ausarbeitung eines Entwurfs zum Übereinkommen für ein umfassendes Verbot von Anti-Personenminen übernommen. In Wien fand vom 12. bis 14. Februar 1997 ein Konsultativtreffen statt über allgemeine Fragen, die sich im Zusammenhang mit einem solchen Übereinkommen stellten. In Bonn wurde am 24. und 25. April 1997 ein Expertentreffen
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über die Überprüfung eines internationalen Verbots von Anti-Personenminen durchgeführt. Einer breiten Öffentlichkeit wurde der Entwurf des neuen Übereinkommens zum ersten Mal an einer internationalen Konferenz in Brüssel vorgestellt, die vom 24. bis 27. Juni 1997 stattfand und an der sich 97 Staaten in einer Erklärung die Unterzeichnung des Übereinkommens aufgrund des vorgelegten Entwurfs noch vor dem Jahresende zum Ziel setzten. Vom 1. bis 18. September 1997 versammelten sich die Staaten an einer diplomatischen Konferenz in Oslo, um die eigentlichen Vertragsverhandlungen zu führen. Am Ende dieser entscheidenden und schwierigsten Phase des Ottawa-Prozesses konnten die 89 teilnehmenden Staaten das Übereinkommen über das Verbot des Einsatzes, der Lagerung, der Herstellung und der Weitergabe von Anti-Personenminen und über deren Vernichtung verabschieden. Anlässlich einer weiteren Konferenz in Ottawa wurde das Übereinkommen am 3. und 4. Dezember 1997 zur Unterzeichnung aufgelegt und von 122 Staaten unterzeichnet1. Das ehrgeizige Ziel, das sich eine Gruppe von Staaten im Oktober 1996 gesetzt hatte, war damit erreicht, und die Zahl der Unterzeichner übertraf die kühnsten Erwartungen. Liechtenstein nahm an den Konferenzen in Brüssel und in Oslo teil und unterzeichnete das Übereinkommen, unter Vorbehalt der Ratifikation, am 3. Dezember 1997 in Ottawa.
Der Ottawa-Prozess ist ein in verschiedener Hinsicht aussergewöhnliches Beispiel der Weiterentwicklung des Völkervertragsrechts. Im Umfeld der Revisionskonferenz zum Übereinkommen von 1980 wuchs das Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit für die von Anti-Personenminen verursachten gravierenden Probleme. Damit stieg auch der Druck auf die Regierungen, sich verstärkt um die Lösung dieser Probleme und insbesondere um ein Verbot von Anti-Personenminen zu bemühen. Zugleich erwies es sich, dass in den Gremien, in deren Zuständigkeit die Ausarbeitung eines solchen vertraglichen Verbots normalerweise zu fallen hätte2, eine entsprechende Einigung unter den dort vertretenen Staaten nicht zu erreichen war. In dieser Situation unternahm eine Gruppe von Staaten das Wagnis, einen unabhängigen Prozess einzuleiten, der über zahl-
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reiche sorgfältig geplante Stationen, aber innert sehr kurz bemessener Frist zum Abschluss des Übereinkommens für ein umfassendes Verbot der Anti-Personenminen fuhren sollte. Trotz verschiedener Widerstände bis unmittelbar vor der Verabschiedung des neuen Textes ist es gelungen, das gesteckte Ziel zu erreichen und ein Abkommen zur Unterschrift vorzulegen, in dessen Kernbereich (dem Verbot des Einsatzes, der Lagerung, der Herstellung und der Weitergabe von Anti-Personenminen und der Verpflichtung zu deren Räumung und Vernichtung) keinerlei Kompromisse eingegangen wurden.
Ein weiteres bemerkenswertes Element des Ottawa-Prozesses bildete die enge Zusammenarbeit zwischen Regierungen und nichtstaatlichen Organisationen. Der Erfolg des Ottawa-Prozesses wäre ohne den Einsatz des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) und der Internationalen Kampagne für ein Verbot von Minen, eines Dachverbandes nichtstaatlicher Organisationen, nicht denkbar gewesen3. Die Tätigkeit dieser Organisationen hat die Öffentlichkeit für die von Anti-Personenminen verursachten menschlichen Leiden und gesellschaftlichen Schäden sensibilisiert, in zahlreichen Staaten innenpolitischen Druck erzeugt und damit wesentliche Voraussetzungen für die Einleitung und das Gelingen des Ottawa-Prozesses geschaffen.



 
1Inzwischen haben 125 Staaten das Übereinkommen unterzeichnet, 11 Staaten, darunter die Schweiz, haben es ratifiziert.
 
2Im Vordergrund standen hier die Abrüstungskonferenz in Genf sowie allenfalls eine weitere Revi sionskonferenz zum Übereinkommen von 1980.
 
3Aufgrund ihres herausragenden Einsatzes für die weltweite Durchsetzung eines Totalverbots von Anti-Personenminen wurde der Internationalen Kampagne bzw. ihrer Initiantin 1997 der Friedensnobelpreis verliehen.
 
LR-Systematik
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LGBl-Nummern
1999 / 229
1998 / 155
Landtagssitzungen
16. September 1998