Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
Betreffend den internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vom 16. Dezember 1966, den internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 16. Dezember 1966, das Fakultativprotokoll zum internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 16. Dezember 1966, das zweite Fakultativprotokoll zum Pakt über bürgerliche und politische Rechte zur Ab schaffung der Todesstrafe vom 15. Dezember 1989 sowie die Gesetzesvorlage betreffend die Abänderung des Gesetzes vom 5. November 1925 über den Staatsgerichtshof (StGH)
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Beim Beitritt Liechtensteins zu den Vereinten Nationen im Jahr 1990 wurde der Menschenrechtsbereich in Übereinstimmung mit den Zielsetzungen der liechtensteinischen Aussenpolitik als einer der prioritären Interessensbereiche Liechtensteins innerhalb der Vereinten Nationen festgelegt. Die prioritäre Behandlung dieser Thematik äussert sich durch die regelmässige und aktive Mitarbeit in den wichtigsten UNO-Gremien für den Menschenrechtsbereich und im Bestreben, durch den Beitritt zu wichtigen Übereinkommen den völkerrechtlichen Schutz der Menschenrechte zu stärken. Grundlage der Aktivitäten der Vereinten Nationen im Menschenrechtsbereich bilden die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und die beiden Menschenrechtspakte: Pakt I über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte sowie Pakt II über bürgerliche und politische Rechte.
Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, durch welche zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit eine Reihe von Menschenrechten universelle Gültigkeit erhielt, wurde am 10. Dezember 1948 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet. Aufbauend auf den Rechten dieser Erklärung wurden in der Folge die beiden Menschenrechtspakte ausgearbeitet, durch welche die Bestimmungen der Erklärung konkret ausgeformt, in eine völkerrechtlich bindende Form gebracht und mit einem Umsetzungsmechanismus ausgestattet wurden. Die Praxis und die politische Entwicklung seit dem Inkrafttreten der Menschenrechtspakte haben den interdependenten Charakter aller Menschenrechte und damit der beiden Pakte zur Geltung gebracht. Nachdem Liechtenstein bereits Vertragsstaat von drei UNO-Übereinkommen ist, die sich mit spezifischen Menschenrechtsbereichen befassen (Verbot der Folter, Verbot der Diskriminierung der Frau, Rechte des Kindes), soll nun der gleichzeitige Beitritt zu den beiden grundlegenden Menschenrechtspakten vollzogen werden. Ausserdem soll mit dem vorgeschlagenen Beitritt zu den zwei Fakultativprotokollen von Pakt II einerseits die Möglichkeit eines individuellen Beschwerdeverfahrens bei mutmasslichen Ver-
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stössen gegen die Bestimmungen dieses Paktes anerkannt, andererseits die Abschaffung der Todesstrafe erneut bekräftigt werden.
Zuständiges Ressort
Ressort Äusseres
Betroffene Amtsstelle
Amt für Auswärtige Angelegenheiten
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Vaduz, den 23. Juni 1998
P
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehend den Bericht und Antrag betreffend den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vom 16. Dezember 1966, den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 16. Dezember 1966, das Fakultativprotokoll zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 16. Dezember 1966, das Zweite Fakultativprotokoll zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte über die Abschaffung der Todesstrafe vom 15. Dezember 1989 sowie die Gesetzesvorlage betreffend die Abänderung des Gesetzes vom 5. November 1925 über den Staatsgerichtshof (StGHG) zu unterbreiten.
Beim Beitritt Liechtensteins zu den Vereinten Nationen im Jahr 1990 wurde der Menschenrechtsbereich in Übereinstimmung mit den Zielsetzungen der liechtensteinischen Aussenpolitik als einer der prioritären Interessensbereiche Liechtensteins innerhalb der Vereinten Nationen festgelegt. Die prioritäre Behandlung dieser Thematik äussert sich durch die regelmässige und aktive Mitarbeit in den wichtigsten UNO-Gremien für den Menschenrechtsbereich (Dritter Ausschuss der Generalversammlung, Menschenrechts-
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kommission). Parallel dazu ist aber unter anderem auch der Beitrag zur Entwicklung von neuem und zur Stärkung von bestehendem Völkerrecht im Menschenrechtsbereich wesentlich. Für Letzteres bildet die Berichterstattung an sich unter denjenigen Übereinkommen, welchen Liechtenstein bereits als Vertragsstaat angehört, einen Bestandteil. Einen weiteren Bestandteil bildet der Beitritt zu oder die Ratifikation von weiteren wichtigen völkerrechtlichen Instrumenten im Menschenrechtsbereich. Liechtenstein ist derzeit Vertragspartei des Übereinkommens gegen Folter und andere unmenschliche, grausame oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (LGBL. 1990 Nr. 59), des Übereinkommens über die Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (LGBL. 1996 Nr. 164) und des Übereinkommens über die Rechte des Kindes (LGBL. 1996 Nr. 163). Nicht ratifiziert sind bisher das Übereinkommen über die Beseitigung von Rassendiskriminierung (hierzu ist ein Bericht und Antrag an den Landtag in Vorbereitung) und die sogenannten Menschenrechtspakte einschliesslich der zwei Fakultativprotokolle, auf welche sich der vorliegende Bericht und Antrag bezieht.
Das Kernstück der Aktivitäten der Vereinten Nationen im Menschenrechtsbereich bildet die sogenannte "Internationale Charta der Menschenrechte" ("International Bill of Human Rights"), welche sich aus der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (AEMR) und den beiden Menschenrechtspakten zusammensetzt. Die Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedete am 10. Dezember 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, durch welche zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit eine Reihe von Menschenrechten universelle Gültigkeit erhielt. Aufbauend auf den Rechten dieser Erklärung, welche heute als Völkergewohnheitsrecht gelten, wurden in der Folge die beiden Menschenrechtspakte ausgearbeitet, durch welche die Bestimmungen der Erklärung konkret ausgeformt, in eine völkerrechtlich bindende Form gebracht und mit einem Implementierungsmechanismus ausgestattet wurden. Die Entstehungsgeschichte der Pakte, welche sich über mehr als zwei Jahrzehnte erstreckte, stand im Zeichen der Ost-West-Konfrontation des Kalten Krieges, und es wurde bald deutlich, dass die Erarbeitung
eines umfassenden Instrumentes kein erfolgversprechender Ansatz
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war. Daher konzentrierten sich die Anstrengungen bald darauf, zwei Rechtsinstrumente auszuarbeiten: Ein Abkommen über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (Pakt I) sowie ein Abkommen über bürgerliche und politische Rechte (Pakt II).
Um die Idee eines einheitlichen und umfassenden Vertragswerkes nicht vollständig fallenzulassen, wurden aber die Präambeln der beiden Übereinkommen identisch gestaltet und auch in beide Übereinkommen gemeinsame Artikel eingearbeitet. Ebenso wurden die beiden Pakte von der Generalversammlung in einer gemeinsamen Resolution verabschiedet. Der damit implizierte Ansatz, die beiden Pakte wenn möglich gemeinsam zu ratifizieren, wurde in der Folge weitgehend befolgt.
Der ideologische Antagonismus der Entstehungszeit der Menschenrechtspakte kommt dadurch zum Ausdruck, dass im Pakt I die sozialen und kulturellen "Leistungsrechte" des Staats enthalten sind (sogenannte "zweite Generation" von Menschenrechten), welche insbesondere von den Ländern des damaligen Warschauer Paktes verfochten wurden. Pakt II hingegen umfasst die seit der Französischen Revolution und der Amerikanischen Unabhängigkeitserklärung "klassischen" bürgerlichen und politischen Rechte, welche die liberalen Freiheiten des Individuums gegenüber dem Staat garantieren ("erste Generation" von Menschenrechten). Es ist wichtig festzuhalten, dass diese Kategorisierung im Verlauf der Jahrzehnte ihre antagonistische Komponente weitgehend verloren hat und an deren Stelle die Einsicht in die Wichtigkeit der Interdependenz aller menschenrechtlichen Kategorien getreten ist.
Dieser interdependente Charakter wird heute in allen wichtigen Texten über den Menschenrechtsbereich stark betont, zum letzten Mal an prominenter Stelle in der Wiener Erklärung und im Wiener Aktionsprogramm der Weltkonferenz über Menschenrechte, welche im Jahr 1993 stattfand. Der ideologische Gegensatz, welcher seinerzeit zur Trennung der beiden Pakte geführt hatte, ist damit weitgehend überwunden, was sich auch in der Praxis des Konventionsorgans von Pakt II zeigt (Human Rights Committee;
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Menschenrechtsausschuss), die deutlich macht, dass die bürgerlichen und politischen Rechte nur durch eine Kombination von staatlichen Unterlassungs- und Leistungspflichten gewährleistet werden können. Die Praxis und die politische Entwicklung seit dem Inkrafttreten der Menschenrechtspakte haben damit zu einer Stärkung dieser völkerrechtlichen Instrumente geführt. So bilden die Menschenrechtspakte die Grundlage der Menschenrechtsarbeit der Vereinten Nationen und damit auch für das staatliche Engagement im Rahmen des internationalen Menschenrechtsschutzes.
Bezüglich der materiellen Voraussetzungen für einen liechtensteinischen Beitritt zu den Menschenrechtspakten drängt sich zunächst der Vergleich mit der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und der Europäischen Sozialcharta auf. Diese beiden Rechtsinstrumente des Europarats haben einen ähnlich komplementären Charakter wie die Menschenrechtspakte der UNO. Die Menschenrechtspakte sind aber durch gewisse formale und inhaltliche Aspekte enger verbunden: Im formalen Bereich ist zunächst die Bezeichnung erwähnenswert, durch welche die Zusammengehörigkeit der beiden völkerrechtlichen Instrumente deutlich gemacht wird, ausserdem die Tatsache, dass die Pakte durch eine gemeinsame Resolution der Generalversammlung verabschiedet wurden. Zu den formal-inhaltlichen Elementen gehören die in beiden Pakten gleichlautende Präambel und die praktisch identischen Artikel 1, 3 und 5. Die Zusammengehörigkeit und Komplementarität von EMRK und Sozialcharta hingegen ist, abgesehen von den zumindest derzeit noch unterschiedlichen institutionellen Mechanismen, nur schon dadurch weniger stark, dass die Verabschiedung der beiden Instrumente durch den Europarat elf Jahre auseinanderliegt. Dies bezeugt den Primat der bürgerlichen und politischen Rechte, welcher in der Zeit des Kalten Krieges in der durch klassisches westliches Denken geprägten Region zu beobachten war.
Für die Beurteilung der Frage des Beitritts zu den Menschenrechtspakten ist zunächst festzuhalten, dass Liechtenstein die Sozialcharta noch nicht ratifiziert hat
1. Dementspre-
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chend wird ein direkter Rechtsvergleich zwischen dem über die Sozialcharta anwendbaren Recht mit jenem von Pakt I nicht vorgenommen. Hingegen ist Liechtenstein Vertragsstaat der Europäischen Menschenrechtskonvention (LGBL. 1982 Nr. 60), deren Bestimmungen eine wesentliche Grundlage für die Erörterung eines Beitritts zu Pakt II bilden. Vergleiche der Bestimmungen der EMRK und von Pakt II sind anlässlich der Verabschiedung des letzteren u.a. im Rahmen des Europarats unternommen worden und werden auch für die Ausführungen zu Pakt II eine wichtige Grundlage bilden. Dadurch, dass Liechtenstein bereits verschiedenen Übereinkommen aus dem Menschenrechtsbereich als Vertragspartei angehört, sind die entsprechenden Einzelbereiche ebenfalls bereits abgedeckt.
Ausser diesen Menschenrechtsinstrumenten ist auch die Wichtigkeit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (AEMR) vom 10. Dezember 1948 zu betonen. Sie enthält zahlreiche Kernbestimmungen, welche in bestimmten Artikeln der Pakte detailliert ausgearbeitet worden sind. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte war zwar ursprünglich kein völkerrechtlich bindender Text, doch hat sie seit ihrer Verabschiedung den Status von Völkergewohnheitsrecht erlangt.
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1 | Die entsprechenden Abklärungen betreffend die Ratifikation der Sozialcharta sind im Gange. |
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