Berichte und Anträge
Regierungskanzlei (RK)
BuA - Nummer
1998 / 93
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Ein­lei­tung
I.Bericht der Regierung
1.Aus­gangs­lage
2.Anlass/Not­wen­dig­keit der Vorlage
3.Erläu­te­rungen zu den ein­zelnen Gesetzesbestimmungen
4.Finan­zi­elle Auswirkungen
II.Antrag der Regierung
III.Regie­rungs­vor­lage
 
Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
Über die Abänderung der Strafprozessordnung (Verfahrensvorschriften für die Abschöpfung der Bereicherung)
 
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Mit dieser Gesetzesvorlage soll eine angeblich " bewusste Lücke " des Gesetzgebers in der Strafprozessordnung geschlossen werden, die durch eine Entscheidung des F.L. Obersten Gerichtshofes im Zusammenhang mit einer Strafsache wegen Geldwäscherei festgestellt worden ist. Um eine Abschöpfung der Bereicherung nach § 20a StGB zu sichern bzw. das Beiseiteschaffen oder Verschleiern von kontaminierten - d.h. aus einem Verbrechen stammenden - Vermögenswerten zu verhindern, soll dem Strafgericht die Möglichkeit der Anordnung von Sicherungsmassnahmen eingeräumt werden. Nachdem sog. Provisorialmassnahmen gemäss § 253 Abs. 2 StPO nur zur Sicherung des Verfalls oder der Einziehung von Gegenständen möglich sind, nach den Ausführungen des F.L. Obersten Gerichtshofes aber nicht für die Sicherung einer Abschöpfung der Bereicherung, muss die beabsichtigte Gesetzesabänderung unverzüglich umgesetzt werden, um die im Jahre 1996 eingeführte Nebenstrafe der Abschöpfung der Bereicherung nicht illusorisch werden zu lassen. Denn ist ein Abschöpfungsbetrag nach Rechtskraft des Urteils aus welchen Gründen auch immer nicht greifbar, kann es weder zu einer Abschöpfung noch zu einer Ersatzmassnahme kommen.
Des weiteren werden im Zuge dieser Revision marginale Anpassungen im XVI. Hauptstück (Von der Vollstreckung der Urteile; §§ 245 ff. StPO) sowie im XXIV. Hauptstück III. Abschnitt (Verfahren beim Verfall und bei der Einziehung nach §§ 20 und 26 StGB; §§ 353 ff. StPO) der Strafprozessordnung vorgenommen.
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Zuständiges Ressort
- Ressort Justiz
Betroffene Amtsstellen
- Gerichte
- Staatsanwaltschaft
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Vaduz, 22. September 1998
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident
Sehr geehrte Frauen und Herren Landtagsabgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag über die Abänderung der Strafprozessordnung zu unterbreiten.
1.1Rechtslage in Liechtenstein
Am 24. Mai 1996 ist das Gesetz vom 21. März 1996 über die Abänderung des Strafgesetzbuches (Bereicherungsabschöpfung, Geldwäscherei und Verhinderung der missbräuchlichen Ausnützung einer Organstellung zu unlauteren Börsengeschäften), LGB1. 1996 Nr. 64, in Liechtenstein in Kraft getreten. Mit der Einführung der Abschöpfung der Bereicherung (§ 20a StGB) wurde neben dem Verfall gemäss § 20 StGB eine weitere Nebenstrafe mit der Zielsetzung des Entzuges von unrechtmässigen Vermögenszuwächsen geschaffen. Diese Bereicherungsabschöpfung erfasst - im Gegensatz zum Verfall, der nur Geschenke und andere geldwerte Zuwendungen, die der Täter unmittelbar als Belohnung für die Straftat empfangen hat, umfasst - den gesamten Gewinn, den der Täter durch die Straftat erlangt hat, und betrifft nicht einen bestimmten Vermögensgegenstand,
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sondern besteht in der Verpflichtung zur Zahlung einer Geldsumme im Ausmass der Bereicherung, die in das gesamte Vermögen des Täters vollstreckt werden kann.
In verfahrensrechtlicher Hinsicht wurden in der Strafprozessordnung keine Abänderungen im Zuge der vorgenannten Revision des Strafgesetzbuches vorgenommen.
Nach geltendem Recht bestimmt § 96 Abs. 1 StPO, dass Gegenstände, die für die Untersuchung von Bedeutung sein können oder dem Verfall oder der Einziehung unterliegen, in gerichtliche Verwahrung oder unter gerichtliche Obhut oder in Beschlag zu nehmen sind.
In § 253 Abs. 2 StPO ist vorgesehen, dass sowohl vor Einleitung eines Strafverfahrens als auch während desselben und nachher zur Sicherung des Verfalles oder der Einziehung von Gegenständen auf Antrag des Anklägers einstweilige Verfügungen durch den Untersuchungsrichter bzw. den Vorsitzenden des erstinstanzlichen Gerichtes getroffen werden können. Auf das Verfahren sind mit Ausnahme der Rechtsmittel sinngemäss auch die Bestimmungen der Art. 270 bis 280 sowie Art. 284 und 285 der Exekutionsordnung anzuwenden.
Wichtig erscheint der Regierung der Hinweis auf die Rechtsprechung des F.L. Obersten Gerichtshofes zu § 253 Abs. 2 StPO. In einer Entscheidung des F.L. Obersten Gerichtshofes vom 28. Oktober 1996 betreffend die Einziehung von Drogengeldern wurde im Hinblick auf § 253 Abs. 2 StPO ausgeführt, dass die Anordnung von einstweiligen Verfügungen über die sinngemässe Anwendung der Art. 270 bis 280 sowie Art. 284 und 285 der Exekutionsordnung aus Gründen der Rechtssicherheit erfolgte, da es nicht sinnvoll erschien, im Strafverfahren Sonderregelungen für einstweilige Verfügungen zu erlassen. Zudem sollte
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auch die reichhaltige Judikatur des zivilgerichtlichen Verfahrens betreffend die einstweilige Verfügungen für die Strafgerichtsbarkeit nutzbar gemacht werden. Unter Bezugnahme auf die Bestimmungen der Exekutionsordnung kam der F.L. Oberste Gerichtshof dann zum Schluss, dass für einstweilige Verfügungen insbesondere die Bestimmung des Art. 284 EO sinngemäss zur Anwendung gelange, soweit sie vor Eintritt der Fälligkeit des Rechtes (in casu Einziehungsanspruch: Fälligkeit mit Rechtskraft eines auf Einziehung lautenden Urteils) erlassen werden. Sei dies der Fall, so müsse abgeklärt werden, ob es bereits zur Einleitung eines strafprozessualen "Rechtfertigungsverfahrens" gekommen sei.
Für die Einleitung eines "Rechtfertigungsverfahren" seien die Bestimmungen der §§ 21, 22 StPO massgebend. Soweit der Staatsanwalt noch keinen Antrag auf Einleitung der Untersuchung gestellt habe, werde ihm für die "Rechtfertigung" eine Frist gesetzt, innerhalb welcher er den Einleitungsantrag nach §§22 Abs. 1 StPO zu stellen habe. Nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist werde die einstweilige Verfügung von Amtes wegen oder auf Antrag wieder aufgehoben.
Zudem müsse in dem Beschluss, mit dem die einstweilige Verfügung bewilligt werde, auch die Zeit genannt werden, für welche die einstweilige Verfügung erlassen werde. Anzuknüpfen sei hier an den Eintritt der Rechtskraft des Vollstreckungstitels zuzüglich des Ablaufes der Leistungsfrist kombiniert mit der Bestimmung einer Höchstdauer der Wirksamkeit der einstweiligen Verfügung.
Da es sich sowohl bei der Frist für die Einbringung des Rechtfertigungsantrages als auch bei der Frist, bis zu deren Ablauf die einstweilige Verfügung gelten soll, um sog. richterliche Fristen handle, könne man diese Fristen auf Antrag verlängern.
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Des weiteren wurde im Wege der Rechtsfortbildung nach Art. 1 PGR auf die Bestimmung des Art. 282 Abs. 3 EO verwiesen, wonach dem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung die nötigen Bescheinigungen in urkundlicher Form sowohl in Ansehung des zu sichernden Anspruches als auch in Ansehung des Sicherungsgrundes (der Gefährdung) beiliegen müssen oder auf Verlangen des Gerichtes in anderer Weise glaubhaft zu machen seien.
Diese Rechtsprechung zu § 253 Abs. 2 StPO ist nicht unproblematisch, da insbesondere ein Rechtfertigungsverfahren im Sinne der Exekutionsordnung sowie Verfahrensgrundsätze des Rechtssicherungsverfahrens (z.B. Sicherungsgrund) nicht ohne weiteres auf ein Strafverfahren übertragen werden können.
Ferner regeln die §§ 353 ff. StPO das Verfahren beim Verfall und bei der Einziehung nach §§20 und 26 StGB. Danach ist über den Verfall oder die Einziehung in der Regel im Strafurteil zu entscheiden (§ 353 Abs. 1 StPO). In § 354 StPO ist die Stellung der Nebenbeteiligten im Strafverfahren geregelt. Dies sind Personen, die - ohne selbst beschuldigt oder angeklagt zu sein - durch die strafgerichtliche Entscheidung in ihren Vermögensrechten bedroht sind; sie sind zur Schlussverhandlung zu laden und haben - mit Einschränkungen - die rechtliche Stellung des Beschuldigten. Soweit die Voraussetzungen der Einziehung nach § 26 StGB unabhängig von einer Verurteilung oder Anstaltsunterbringung (§§ 21 bis 23 StGB) gegeben sind, kann schliesslich aufgrund eines selbständigen Antrages des Anklägers die Einziehung in einem selbständigen (objektiven) Verfahren ausgesprochen werden.
LR-Systematik
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LGBl-Nummern
1998 / 174
Landtagssitzungen
22. Oktober 1998