Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
zur Abänderung des Baugesetzes sowie des Landesverwaltungspflegegesetzes (Wiederherstellung des Gesetzmässigen Zustandes, Planänderungen, Sonderregelung der Baureife für spezielle Bauzonen von Triesen)
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In der Vergangenheit wurden rechtskräftige Abbruchverfügungen nicht konsequent vollzogen, was dazu führte, dass Bauherren bewusst Bauten ohne bzw. in Abweichung der erteilten Bewilligung errichteten. Man kann dies nicht als "lässliche Sünde" oder "Kavaliers-Delikt" abtun. Die Vorschriften des Baugesetzes dienen der Sicherheit, der Ökologie, dem Schutz der Interessen der Nachbarn - mithin also der Wahrung des gesellschaftlichen Friedens in einem wichtigen Bereich des täglichen Lebens, des Wohnens nämlich. Fast alle Bauenden haben sich an diese demokratisch vorgegebenen Spielregeln gehalten. Es wäre ihnen gegenüber ebenfalls ungerecht, den Verstoss gegen geltendes Recht zu tolerieren. Bis dato gab es u.a. verschiedene Vollzugsprobleme und gewisse Unsicherheiten. Künftig müssen die baurechtlichen Bestimmungen konsequent vollzogen und somit widerrechtliche Bauten beseitigt bzw. in den vorschriftsgemässen Zustand zurückversetzt werden. Derzeit liegen gegen 25 rechtskräftige Verfügungen zur Wiederherstellung des gesetzmässigen Zustandes vor.
Um das Verfahren zur Wiederherstellung des gesetzmässigen Zustandes zu optimieren, sollen Bestimmungen des Baugesetzes und des Landesverwaltungspflege-gesetzes abgeändert werden, so insbesondere die Bestimmungen betreffend die Kontrolle (Art. 78 BauG), welche in einem engen Zusammenhang mit dem Erlass von Abbruchverfügungen stehen, die Bestimmungen betreffend den Erlass von Abbruchverfügungen (Art. 86bis BauG, neu), die Verjährungsfrist bei Zuwiderhandlungen gegen Bestimmungen des Baugesetzes (Art. 87 BauG) sowie die Kostenregelung (Art. 125 LVG). Zudem soll für die Wiederherstellung des gesetzmässigen Zustandes eine Verjährungsfrist von 30 Jahren festgesetzt werden (Art. 86ter BauG, neu).
Im Bericht wird dargelegt, wie aus Sicht der Regierung das Vollzugsverfahren durchgeführt werden soll. In das Verfahren betreffend den Abbruch von Bauten bzw. die Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes werden das Hochbau-
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amt, das Amt für Umweltschutz, sowie die Landespolizei eingebunden, was eine gewisse Mehrarbeit für diese Amtsstellen bedeutet. Es wird jedoch davon ausgegangen, dass durch eine etappenweise Durchsetzung der Wiederherstellungsverfügungen diese Mehrarbeit mit dem vorhandenen Personal bewältigt werden kann.
Einfache Planänderungen wurden in der Praxis nicht dem Gemeinderat vorgelegt, sondern selbständig von den Gemeindebauverwaltungen erledigt. Da das Baugesetz gemäss Art. 74 Abs. 1 BauG keine rechtliche Unterscheidung zwischen eigentlichem Baubescheid und der Genehmigung von Korrekturplänen auf Gemeindeebene festlegt, ist eine entsprechende Anpassung im Sinne der bisherigen Praxis aus Gründen der Rechtssicherheit geboten.
Schliesslich wird eine Ergänzung des Art. 9 BauG in der Weise vorgeschlagen, dass für Hütten in Kleinsiedlungen - konkret im Gemeindegebiet Triesen -, für die Hüttenrechte im Grundbuch eingetragen sind, Ausnahmen von den Baureifekriterien bewilligt werden können. Damit können die entsprechenden, teilweise seit Generationen bestehenden "Heuhütten" - tatsächlich handelt es sich heute um "Freizeit-Hütten" - erhalten bleiben oder einer geordneten Situation zugeführt werden.
Zuständiges Ressort
Ressort Bauwesen
Betroffene Amtsstellen
Hochbauamt, Amt für Umweltschutz, Landespolizei
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Vaduz, 9. November 1999
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag über die Abänderung des Baugesetzes sowie des Landesverwaltungspflegege-setzes (Wiederherstellung des gesetzmässigen Zustandes; Planänderungen; Sonderregelung der Baureife für spezielle Bauzonen von Triesen):
Der Vollzug rechtskräftiger "Abbruchverfügungen" - d.h. in der Praxis eigentliche Abbrüche oder gewisse Anpassungen - betreffend Bauten und Anlagen, die entweder ohne Baubewilligung oder in Abweichung der erteilten Baubewilligung errichtet wurden, ist als Zwangsmassnahme (= ersatzweiser Vollzug) stets ausgeblieben. Dies veranlasste in der Vergangenheit Bauherren Bauten und Anlagen ohne Baubewilligung oder in Abweichung von den Bauplänen erstellen zu lassen, da sie damit rechneten, dass von Seiten der zuständigen Behörden kein Abbruch oder keine Zurückversetzung in den rechtskonformen Zustand durchgesetzt werde
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und die zu erwartende Busse nur einen verschwindend kleinen Teil der Gesamtbaukosten ausmachen. Meist waren die Bauherren nicht bereit, die vorschriftswidrigen Zustände von sich aus zu beseitigen, trotz Vorliegen rechtskräftiger Abbruchverfügungen und Ausschöpfung sämtlicher Rechtsmittelmöglichkeiten.
Der fehlende Vollzug von baurechtlichen Abbruchverfügungen ist u.a. darauf zurückzuführen, dass zahlreiche Verfahren in bezug auf widerrechtlich erstellte Bauten bereits seit vielen Jahren rechtskräftig abgeschlossen sind und nie vollzogen wurden. Bei den vom Abbruch bedrohten neueren Bauten stellte sich somit jeweils die Frage der Gleichbehandlung mit diesen älteren Fällen.
Die Regierung beauftragte das Hochbauamt, eine Bestandsaufnahme betreffend die widerrechtlich errichteten Bauten und Anlage vorzunehmen. Das Hochbauamt wurde bei dieser Arbeit von den Gemeindebauverwaltungen unterstützt. Die Bestandsaufnahme hat ergeben, dass es derzeit ca. 25 rechtskräftige Abbruchverfügungen gibt, in denen ein nachträgliches Baubewilligungsverfahren nach gegebener Sach- und Rechtslage nicht möglich ist, weshalb der rechtskonforme Zustand nur aufgrund eines Abbruches wiederhergestellt werden kann. Ca. knapp 50 Fälle sind zu prüfen, ob infolge zwischenzeitlich geänderter Rechtsgrundlage oder nach Vornahme geringer Anpassungen oder nach Beibringung nachbarrechtlicher Vereinbarungen nachträglich eine Baubewilligung erteilt werden kann. Die Baurechtswidrigkeit liegt bei einigen Fällen nämlich darin, dass die nachbarrechtlichen Abstände nicht eingehalten sind. Auch gilt es zu prüfen, inwieweit weniger gravierende Massnahmen als der Abbruch denselben Zweck erfüllen. Des weiteren gibt es mehrere Abbruchverfügungen, die noch anhängig sind, sowie mit grösster Wahrscheinlichkeit widerrechtliche Bauausführungen, die gar nicht er-fasst sind. Die Gemeinden wurden von der Regierung mit Beschluss vom 9. September 1999 (RA 99/2287-3210) ersucht, im gesamten Gemeindegebiet bau- und planungsrechtlichen Missstände zu erfassen und dokumentieren.
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Aus rechtsstaatlichen Gründen ist es unausweichlich, den gesetzlichen Bestimmungen durch Beseitigung baurechtswidriger Zustände zum Durchbruch zu verhelfen. Ein längeres Abstandnehmen von der Durchsetzung von Abbruchverfügungen würde zu einer Ausuferung des widerrechtlichen Bauens führen und die Bestimmungen des Baugesetzes würden ausgehöhlt. Es ist auch zu verhindern, dass derjenige, der widerrechtlich eine Baute errichten hat lassen, gegenüber demjenigen, der für sein Bauvorhaben eine Baubewilligung eingeholt und dieses entsprechend der Bewilligung ausführen hat lassen, belohnt wird, indem die rechtswidrige Baute geduldet und nicht beseitigt wird.
Um das Verfahren für die Durchsetzung von Abbruchverfügungen sowie die Aufnahme von widerrechtlichen Bauten und Anlagen zu optimieren, sollten nach Ansicht der Regierung einige Bestimmungen im Baugesetz und im Landesverwal-tungspflegegesetz angepasst werden. So sind insbesondere die Bestimmungen über die Kontrolle von Bauten und Anlagen, den Erlass von Abbruchverfügungen sowie die Kostenregelung zu ändern. Die Regierung hat daher in ihrer Sitzung vom 26. Mai 1999 aufgrund verschiedenster Abklärungen festgestellt, dass ergänzend zum Beschluss vom 3. Juli 1997 nicht nur die rechtskräftigen "Abbruchverfügungen" ab dem 1. Juli 1997, sondern auch die älteren Verfügungen vollzogen werden müssen. Die Erfahrungen aus dem Vollzug dieser Verfügungen kann allenfalls auch noch in den Gesetzgebungsprozess einfliessen.
Mit der nunmehr vorgeschlagenen Abänderung des Baugesetzes und des Landes-verwaltungspflegegesetzes sollte es nach Auffassung der Regierung möglich sein, den Abbruch der rechtswidrig erstellten Bauten effizienter und in zweckmässiger Weise durchzusetzen.