Berichte und Anträge
Regierungskanzlei (RK)
BuA - Nummer
1999 / 148
Zurück Druckansicht Dokument als PDF Navigation anzeigen
Ein­lei­tung
I.Bericht der Regierung
1.Aus­gangs­lage
2.Anlass der Vorlage
3.Schwer­punkte der Vorlage
4.Ver­nehm­las­sung
5.Erläu­te­rungen unter Berück­sich­ti­gung der Vernehmlassung
6.Ver­fas­sungs­mäs­sig­keit
7.Räum­liche, per­so­nelle und finan­zi­elle Auswirkungen
II.Antrag der Regierung
III.Regie­rungs­vor­lage
Grüner Teil
 
Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend die Reform der Sekundarstufe
 
4
Im Verbund mit Reformprojekten, welche die Regierung bereits in Gang gesetzt hat (neuer Lehrplan für den Kindergarten und die Pflichtschule, Englisch als erste Fremdsprache bereits ab der 3. Stufe der Primarschule) soll das Liechtensteinische Bildungswesen auf der Sekundarstufe flexibler strukturiert werden. Dies mit dem Ziel, besser als bisher auf die individuell verlaufende Entwicklung der Kinder und Jugendlichen Rücksicht nehmen zu können. Unnötige Hürden, welche im heutigen Schulsystem dieser Zielsetzung entgegenstehen, sollen beseitigt werden.
Insbesondere sollen Schulkarrieren inskünftig nicht mehr - wie dies heute leider noch allzu oft der Fall ist - durch vorzeitige Selektionsentscheidungen und starre Strukturen zementiert werden. Im Gegenteil sollen im Sinne einer leistungsorientierten Schule permanent Leistungsanreize geboten und Chancen zum schulischen Aufstieg gegeben werden. Auf diese Weise sollen - im Vergleich zur heutigen Schule - mehr "Gewinner" und weniger " Verlierer" erzeugt werden.
Real- und Oberschule sowie ein Teil des Untergymnasiums sollen durch eine neue Sekundarschule abgelöst werden, welche im Anschluss an die Primarschule gemeinsame Bildungs- und Erziehungsstätte aller Schülerinnen und Schüler sein wird.
Damit soll unter den Jugendlichen der Zusammenhalt und das Verständnis füreinander gestärkt und der vorzeitigen Stigmatisierung oder Etikettierung von bestimmten Kategorien von Jugendlichen in der Gesellschaft entgegengewirkt werden.
5
Begabte und weniger begabte Schülerinnen und Schüler sollen auf die ihnen adäquate Weise, welche viel mehr als bis jetzt auch einseitige Begabungen miteinschliesst, optimal gefördert werden. Zu diesem Zweck wird die Sekundarschule in Klassen und Niveaus differenziert und mit zusätzlichen Bildungsangeboten ausgestattet. Hiervon können vor allem auch besonders begabte Schülerinnen und Schüler auf dem ihnen entsprechenden Niveau profitieren.
Da nach jedem Semester die Möglichkeit besteht, Niveau und Klasse zu wechseln, gibt es bis zum Abschluss der Sekundarschule für alle Schülerinnen und Schüler permanente Leistungsanreize. Diese fehlen heute weitgehend - zu gross sind die strukturbedingten, teils bürokratischen Hürden für den schulischen Aufstieg.
Die neue Sekundarschule soll den auf den Kindern und Eltern lastenden Druck beim Übertritt von der Primar- in die Sekundarschule wesentlich mindern. Ausserdem sollen die Nachteile der derzeit zu früh erfolgenden Selektion beseitigt werden.
Die neue Sekundarschule wird leistungs- und förderorientiert ausgestaltet sein. Niveaus und Klassen sollen nicht in erster Linie der Selektion dienen, sondern - im Verbund mit einer Didaktik der Individualisierung und Binnendifferenzierung - Instrumente der bestmöglichen Förderung sein.
Sollen die Schulstandorte möglichst dezentral und wohnortsnah errichtet und geführt werden (z.B. mit einem zweiten Schulzentrum im Unterland), hat die neue Sekundarschule den Vorteil, dass die Klassen besser als im bisherigen Schulsystem ausgelastet werden können. Dasselbe gilt in Bezug auf den Ein-
6
satz des Lehrpersonals: Dank dieser besseren Effizienz der neuen Sekundarschule können die Kosten einer in pädagogischer Hinsicht wünschenswerten Dezentralisierung in Grenzen gehalten werden.
Das liechtensteinische Gymnasium
erhält eine neue innere und äussere Gestalt. Es übernimmt Sekundarschülerinnen und -schüler nach der 7. bis 9. Schulstufe und führt sie innert maximal 5 Schuljahren zu einer anerkannten, qualitativ hochstehenden Maturität, welche insbesondere in der Schweiz und in Österreich weiterhin den ungehinderten Hochschulzugang ermöglicht. Damit kann die allgemeine Maturität in Liechtenstein genauso wie in den Nachbarländern nach bereits 12 und nicht erst wie bisher nach 13 Schuljahren erworben werden.
Zuständiges Ressort
Ressort Bildungswesen
Betroffene Amtsstellen
Schulamt
7
8
Vaduz, 14. Dezember 1999
P
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend die Reform der Sekundarstufe zu unterbreiten.
1.1Das Schulgesetz
Mit dem Schulgesetz vom 15. Dezember 1971 wurde die Struktur des liechtensteinischen Bildungswesens neu gestaltet. Als neue Schularten wurden die Hilfs- und die Oberschule eingeführt. Die Primarschule wurde von sechs auf fünf Jahre verkürzt und das Übertrittsverfahren in die Sekundarschulen vereinheitlicht. Neben der Langform des Gymnasiums, die bereits Bestand hatte, wurde eine Kurzform des Gymnasiums mit dem Maturaabschluss Typus E eingeführt. Wie damals auch im benachbarten Ausland, insbesondere in der Schweiz üblich, wurde
9
mit vier Schularten auf der Sekundarstufe I eine weitgehende Differenzierung realisiert. Damit die Primarschülerinnen und -schüler den verschiedenen Schularten der Sekundarstufe I zugewiesen werden können, wurde am Ende der Primarschule ein Übertrittsverfahren1 etabliert. Dieses stiess schon nach einigen Jahren auf immer stärkere Kritik, sowohl in der Eltern- als auch in der Lehrerschaft. Die Eltern wünschten eine aktivere Rolle und forderten auf verschiedenen Ebenen mehr Mitsprache.
Als Folge der gesellschaftlichen Entwicklung gerieten die Hilfsschule und danach die Oberschule unter immer stärkeren Druck. Vor allem die Hilfsschule fand die nötige Akzeptanz schon bald nicht mehr, so dass sie aufgrund der zu geringen Anzahl Schülerinnen und Schüler 1990 ihre Pforten schliessen musste.
Aufbauend auf den 1984 und 1987 erarbeiteten Leitideen zum liechtensteinischen Bildungswesen2 wurde im Jahr 1989 ein Gesetzesentwurf zur Teilrevision des Schulgesetzes in eine Vernehmlassung gegeben, welcher unter anderem auch eine Veränderung der Schulstruktur vorsah. Aufgrund der zu unterschiedlichen Vernehmlassungsergebnisse wurde damals auf eine Strukturänderung verzichtet. Im Jahr 1994 konnten dann doch einige Reformschritte im Rahmen einer kleinen Partialrevision des Schulgesetzes (LGBl. 1994 Nr. 74) durchgeführt werden. Es waren dies:
die Institutionalisierung von neuen Formen der Schülerbeurteilung,
10
die Schaffung einer Grundlage für einen einheitlichen Lehrplan für die gesamte Pflichtschule,
die Institutionalisierung von besonderen schulischen Massnahmen (z.B. Ergänzungsunterricht, Förderunterricht, Spezielle Einschulung, Deutsch als Zweitsprache),
die Ermöglichung der Integration von behinderten Kindern in die Regelschule,
die Institutionalisierung neuer Schularten (Vorbereitungslehrgang Fachhochschulreife und Freiwilliges 10. Schuljahr).
Kürzlich hat sich der Landtag mit einer weiteren Vorlage zur Änderung des Schulgesetzes befassen können. Dadurch wird der Kindergarten- und Schuleintritt flexibilisiert, und die diesbezüglichen Elternrechte werden verstärkt. Die Vorlage wurde vom Landtag Ende 1998 verabschiedet, sodass die neuen Regeln3 ab dem Schuljahr 1999/2000 in Kraft treten können.
Im Rahmen einer weiteren Vorlage hat sich der Landtag mit dem Privatschulwesen befassen können (Bericht und Antrag Nr. 63/1999). Die Vorlage sieht nebst klareren Regeln für Privatschulbetreiber die Möglichkeit einer Subventionierung durch den Staat vor.



 
1Das Übertrittsverfahren basierte zunächst auf drei Pfeilern: Lehrerurteil in Verbindung mit Leistungsnoten (55 %), Aufnahmeprüfung (30%), Schuleignungstest (15 %). Die Prozentzahlen geben die Gewichtung der Aussagen für das Gesamturteil wieder. In die Schularten der Sekundarstufe wurde nach den folgenden Quoten zugewiesen: Gymnasium 12 %, Realschule 53 % und Oberschule 35 %. 1981 wurden diese Quoten durch eine Erweiterung der sogenannten Grenzbereiche aufgeweicht. 1986 wurde dem Lehrerurteil grössere Bedeutung zuerkannt, indem es hinfort zu 60 % zum Gesamturteil beitrug. Auf die Durchführung eines Eignungstests wurde verzichtet. Seit 1995 erfolgt das Übertrittsverfahren ohne Übertrittsprüfung im Rahmen eines Empfehlungssystems mit den folgenden Zuweisungsbandbreiten: Gymnasium 17-20 %, Realschule 50-55 % und Oberschule 28-30 %.
 
2"Schule wohin? Leitideen und mögliche Reformbestrebungen für die 80er Jahre", Hrsg. Schulamt, Vaduz 1984, ferner "Schule wohin ? (2. Teil) - Leitideen für das liechtensteinische Schulwesen", Hrsg. Schulamt, Vaduz 1987.
 
3Verschiebung des Stichtages für den Schul- und Kindergarteneintritt vom 30. April auf den 30. Juni, Schaffung von Fristen, innert welchen die Eltern frei über den Schul- bzw. Kindergarteneintritt entscheiden können, LGBl. 1999 Nr.8.
 
Landtagssitzungen
18. Mai 2000
18. Mai 2000
18. Mai 2000
18. Mai 2000