Berichte und Anträge
Regierungskanzlei (RK)
BuA - Nummer
1999 / 82
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Ein­lei­tung
I.Bericht der Regierung
1.Aus­gangs­lage
2.Bedeu­tung des Übe­rein­kom­mens für Liechtenstein
3.Ver­nehm­las­sung
4.Erläu­te­rungen zum Übereinkommen
5.Ver­fas­sungs­mäs­sig­keit
6.Recht­liche, per­so­nelle und finan­zi­elle Auswirkungen
II.Antrag der Regierung
Grüner Teil
 
Bericht und Antrag  der Regierung an den  Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend das Übereinkommen über die Anerkennung von Qualifikationen im Hochschulbereich in der Europäischen Region vom 11. April 1997
 
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Das Übereinkommen über die Anerkennung von Qualifikationen im Hochschulbereich in der europäischen Region, das sogenannte "Lissabonner Anerkennungsübereinkommen", ist das erste gemeinsame Übereinkommen des Europarats und der UNESCO. Es fasst die bisherigen Übereinkommen des Europarats und der UNESCO auf den Gebieten der Anerkennung von Qualifikationen, die den Zugang zur Hochschulbildung ermöglichen, sowie der Anerkennung von Studienleistungen und der Anerkennung von Hochschulabschlüssen zusammen und berücksichtigt die wesentlichen Veränderungen auf dem Gebiet der Höheren Bildung seit dem In-Kraft-Treten der "Vorläuferkonventionen". Das Übereinkommen soll alle bisherigen Übereinkommen der beiden genannten Organisationen in diesem Bereich ablösen und möglichst grosszügige Gleichwertigkeiten in genereller Form festlegen. Es soll aber auch genügend Raum für besonders relevante Tatbestände, d.h. wesentliche Unterschiede, belassen. Das Übereinkommen hat nur die akademische Anerkennung zum Gegenstand. Es ergibt sich keine Verpflichtung zur Gewährung eines freien Berufszugangs.
Für Studierende aus Liechtenstein, welches schon bei den meisten der bisherigen relevanten Übereinkommen Vertragspartei ist, ergibt sich damit eine weitere und verbesserte Absicherung im Bereich der Anerkennung von Qualifikationen im Hochschulbereich.
Zuständige Ressorts
Ressort Äusseres, Ressort Bildungswesen
Betroffene Amtsstellen
Amt für Auswärtige Angelegenheiten, Schulamt
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Vaduz, 9. September 1999
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehend den Bericht und Antrag betreffend das Übereinkommen über die Anerkennung von Qualifikationen im Hochschulbereich in der europäischen Region vom 11. April 1997 zu unterbreiten.
1.Ausgangslage
Mit zwei Ausnahmen stammen die Europäischen Übereinkommen zur Hochschulbildung1 alle aus den fünfziger oder frühen sechziger Jahren. Das UNESCO-Übereinkommen über die Anerkennung von Studien, Diplomen und Graden im Hochschulbereich in den Staaten der europäischen Region stammt aus dem Jahr 1979. Die Hochschulbildung in Europa hat sich seitdem stark verändert; die" Übereinkommen wurden nicht entsprechend angepasst. Auf nationaler Ebene liegt die vorherrschende Veränderung in der Diversifizierung der Hochschulbildung.
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Während nationale Hochschulsysteme in den fünfziger Jahren aus traditionellen Universitäten bestanden, die eindeutig von staatlichen Behörden geführt wurden oder, wie im Fall katholischer Universitäten, von diesen anerkannt oder gebilligt wurden, stellen sich die Systeme heute wesentlich vielfältiger dar. Die Studierenden in der Hochschulbildung besuchen heute zu einem grossen Prozentsatz nichtuniversitäre Einrichtungen, die kürzere und mehr praxisorientierte Kurse anbieten, wie die deutschen "Fachhochschulen" oder die norwegischen "statlige hogskoler", oder belegen in Universitäten nichttraditionelle Programme von kürzerer Dauer mit stärkerer Betonung auf der beruflichen Bildung, wie die französischen "Instituts Universitaires de Technologie (I.U.T.)". Diese Diversifizierung und Ausrichtung auf den Beruf reicht auch hinab bis in die darauf bezogenen Fachkurse des Sekundarschulbereichs, wodurch komplexe Zulassungsverhältnisse geschaffen werden, auf die das Konzept einer internationalen Gleichwertigkeit nur schwer anwendbar ist. Ausserdem ist eine rasche Zunahme privater Einrichtungen zu verzeichnen. Diese Entwicklung, die in den meisten Ländern beobachtet werden kann, ist in einigen mittel- und osteuropäischen Ländern besonders akut.
Für die Zwecke dieses Übereinkommens geht es nicht darum, ob eine Einrichtung öffentlich oder privat geführt wird, sondern um die Frage, ob die Qualität ihrer Lehre und ihrer Qualifikationen gewährleistet ist. In den europäischen Übereinkommen über die Hochschulbildung ist keine Bestimmung über die Unterscheidung zwischen verschiedenen Einrichtungen innerhalb eines nationalen Systems, enthalten.
Die akademische Mobilität hat während der Zeit des Bestehens der bisherigen Übereinkommen und besonders in den vergangenen zehn bis fünfzehn Jahren massiv zugenommen. So behandelte noch das Europäische Übereinkommen über die Gleichwertigkeit der Studienzeiten an den Universitäten (1956, ETS Nr. 21) besonders die Anerkennung von Studienzeiten an den Universitäten in den Fä-
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chern der neuen Sprachen, da vor allem diese Fächer am häufigsten von Studenten belegt waren, die 1956, als das Übereinkommen angenommen wurde, eine begrenzte Zeit an einer ausländischen Universität verbrachten. Im Gegensatz dazu regelten das Europäische Übereinkommen über die allgemeine Gleichwertigkeit der Studienzeiten an Universitäten (1990, ETS Nr. 138) sowie das frühere, von 1979 stammende UNESCO-Übereinkommen über die Anerkennung von Studien, Diplomen und Graden im Hochschulbereich in den Staaten der europäischen Region die Anerkennung von Studienzeiten unabhängig vom Fach. Der starke Anstieg der akademischen Mobilität verleiht dem Übereinkommen über die akademische Anerkennung heute eine wesentlich grössere Bedeutung. Es ist daher von grösster Wichtigkeit, die geltenden Bestimmungen auf den neuesten Stand zu bringen.
Ein weiteres wichtiges Ziel bei der Ausarbeitung eines gemeinsamen Übereinkommens des Europarats und der UNESCO, das letztlich die im Rahmen der beiden Organisationen unabhängig voneinander angenommenen Übereinkommen über die Anerkennung von Qualifikationen im Hochschulbereich in der europäischen Region ersetzen soll, ist die Vermeidung von Doppelarbeit. Dieses Bemühen spiegelt sich auch in der Entscheidung wider, ein gemeinsames Netzwerk nationaler Informationszentren über akademische Anerkennung und Mobilität des Europarats und der UNESCO aufzubauen. Das im Jahr 1994 gegründete ENIC-Netzwerk2 ersetzt die bis dahin getrennten Netzwerke der beiden Organisationen., Es arbeitet eng mit dem NARIC-Netzwerk3 der Europäischen Union zusammen.
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Von besonderer Bedeutung ist die Praxis der Anerkennung von Qualifikationen, die sich in den vergangenen Jahrzehnten stark verändert hat. Während die Bewertung ausländischer Qualifikationen oftmals einen genauen Vergleich der Studienpläne und der Verzeichnisse der Studienmaterialien ("Gleichwertigkeit") zur Folge hatte, hat sich das Hauptaugenmerk nunmehr auf einen weitergehenden Vergleich der erworbenen Qualifikationen verschoben ("Anerkennung"). Ebenso ist bei förmlichen internationalen Vorschriften die Tendenz deutlich geworden, die auf die Anerkennung ausländischer Qualifikationen anwendbaren Verfahren und Kriterien hervorzuheben, anstatt Grade und Diplome aufzulisten oder zu bestimmen, die aufgrund der Vorschrift anerkannt werden sollen.
Der Vorschlag zur Ausarbeitung eines gemeinsamen Übereinkommens des Europarats und der UNESCO wurde dem Generaldirektor der UNESCO vom Generalsekretär des Europarats im Oktober 1992 unterbreitet. Im Oktober 1995 wurde der Entwurf des Übereinkommens und des Erläuternden Berichts den nationalen Delegationen im Hochschul- und Forschungsausschuss des Europarats und dem UNESCO-Regionalausschuss für Europa mit Abschriften für das ENIC-Netzwerk übersandt. Das Abkommen wurde schliesslich an einer Diplomatischen Konferenz angenommen, die auf Einladung der portugiesischen Behörden vom 8. - 11. April 1997 in Lissabon abgehalten wurde. 44 Delegationen nahmen an der Konferenz teil. Liechtenstein war an der Konferenz in Lissabon durch eine Delegation des Schulamts vertreten.
Das Übereinkommen ist am 1. Februar 1999 in Kraft getreten. Dem Übereinkommen gehören die folgenden Mitgliedstaaten des Europarats an: Estland, Lettland, Litauen, Norwegen, Rumänien, Slowakei, Slowenien und die Schweiz. Aserbaidschan und Kirgistan als Nicht-Mitgliedstaaten des Europarats sind dem Übereinkommen beigetreten. Weiters haben folgende Nicht-Mitgliedstaaten des Europarats das Übereinkommen unterzeichnet: Hl. Stuhl, Kanada, Israel und die
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USA. Dies ist u.a. darauf zurückzuführen, dass die europäische Region der UNESCO auch einige nichteuropäische Staaten wie Kanada, Israel und die USA sowie neue unabhängig gewordene Staaten einschliesst.



 
1ETS Nr. 15 Europäische Konvention über die Gleichwertigkeit der Reifezeugnisse (1953) ETS Nr. 49 Zusatzprotokoll zur Europäischen Konvention über die Gleichwertigkeit der Reifezeugnisse (1964) ETS Nr. 21 Europäisches Übereinkommen über die Gleichwertigkeit der Studienzeit an den Universitäten (1956) ETS Nr. 32 Europäisches Übereinkommen über die akademische Anerkennung von akademischen Graden und Hochschulzeugnissen (1959)
 
2ENIC: Europäisches Netzwerk nationaler Informationszentren über akademische Anerkennung und Mobilität
 
3NARIC: Netz der nationalen Informationszentren für die akademische Ausbildung im Rahmen des Bildungsprogramms ERASMUS
 
LR-Systematik
0..4
0..41
0..41.4
LGBl-Nummern
2000 / 081
Landtagssitzungen
21. Oktober 1999
Stichwörter
Euro­parat, UNESCO
Hoch­schule, Qualifikationen
Lissa­bonner Anerkennungsübereinkommen