Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend die Abänderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozessordnung sowie weiterer damit zusammenhängender Gesetze (Abschöpfung der Bereicherung, Verfall, Einziehung, Geldwäscherei, Bestechung)
2
Diese Regierungsvorlage versteht sich als Teil eines Gesamtpaketes, mit welchem mit Blick auf einen seriösen Finanzplatz Liechtenstein verschiedene Massnahmen in die Wege geleitet werden müssen, die der Bekämpfung von Missbräuchen dienlich sind. Diese Bestrebungen haben daher auch in den weiteren Regierungsvorlagen im Bereich der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen sowie der Sorgfaltspflichtgesetzgebung ihren Niederschlag gefunden. Der Bekämpfung der Geldwäscherei und des organisierten Verbrechens muss im besonderen Masse allerhöchste Priorität beigemessen werden.
Mit Gesetz vom 21. März 1996 haben insbesondere der Tatbestand der Geldwäscherei nach §§ 165, 278a Abs. 2 StGB und die Nebenstrafe der Abschöpfung der Bereicherung nach § 20a StGB in die liechtensteinische Gesetzgebung Eingang gefunden. Durch eine Gesetzesabänderung vom 22. Oktober 1998 ist ausserdem durch die Einfügung eines § 97a in die Strafprozessordnung die Möglichkeit der Anordnung von Sicherungsmassnahmen geschaffen worden, um die Durchsetzung einer Abschöpfung der Bereicherung oder eines Verfall zu ermöglichen.
Diese Bestimmungen sind im Lichte der internationalen Bestrebungen im Bereich der Geldwäscherei, namentlich die Bekämpfung des organisierten Verbrechens zu verstärken, unabdingbar. Um die Effizienz der bisher getroffenen Massnahmen zu verbessern und die Erfüllung internationaler Verpflichtungen, insbesondere der Europarats-Konvention Nr. 141 betreffend Geldwäscherei, zu gewährleisten, schlägt die Regierung nunmehr vor, die in Österreich mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 1996 völlig neu gestalteten vermögensrechtlichen Sanktionen der Abschöpfung der Bereicherung, des Verfalls und der Einziehung sowie damit zusammenhängende Abänderungen der inländischen Strafgerichts-
3
barkeit in das Strafgesetzbuch und in die Strafprozessordnung zu integrieren. Da zudem Bestimmungen der Nebenstrafgesetzgebung von dieser Neukonzeption betroffen sind, müssen auch die entsprechenden Rechtsvorschriften angepasst werden.
Des weiteren ist beabsichtigt, die Strafbestimmungen betreffend Geldwäscherei und kriminelle Organisationen zu verschärfen und den Vortatenkatalog der Geldwäscherei insbesondere um die Bestechungsdelikte zu erweitern. Die Verschärfung bezieht sich einerseits auf die Strafdrohungen, andererseits auf die Eliminierung des subjektiven Tatbestandsmerkmals der Wissentlichkeit.
Im Gleichschritt dazu, nimmt die Regierung diese Revision zum Anlass, die Bestechungsdelikte (§ 304ff. StGB) insbesondere auf der Grundlage des österreichischen Strafrechtsänderungsgesetzes 1998 und im Hinblick auf die Entwicklung der Gesetzgebungen in den Nachbarstaaten im Bereich der Bekämpfung der Korruption zu überarbeiten. Neben verschiedenen Anpassungen hinsichtlich der geltenden Straftatbestände, wird insbesondere vorgeschlagen, die aktive Bestechung auf ausländische Beamte bzw. Amtsträger auszudehnen.
Die Abänderungen betreffen somit im Wesentlichen einerseits den Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches (§§ 20 ff. StGB) und deren korrespondierenden Verfahrensvorschriften in der Strafprozessordnung (§§ 353 ff. StPO), andererseits den Besonderen Teil des Strafgesetzbuches, soweit die Geldwäscherei und die kriminelle Organisation (§§ 165, 278a StGB) sowie die Bestechungsdelikte (§§ 304 ff. StGB) betroffen sind.
In diesem Zusammenhang ist aber auch die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage in der Strafprozessordnung für den Abschluss von Teilungsvereinbarungen (sharing agreements) hervorzuheben, welche bei Auslandstaten zur An-
4
wendung gelangen kann und dem Prinzip der Solidarität der internationalen Staatengemeinschaft Rechnung tragen will.
Schliesslich nimmt die Regierung diese Revision auch zum Anlass, auf der Grundlage der österreichischen Rezeptionsvorlage die Bestimmungen über das Verfahren bei nachträglicher Änderung von Sanktionen aufgrund nachträglich eingetretener oder bekanntgewordener Umstände zu vereinheitlichen (§§ 251 ff. StPO).
Zuständiges Ressort:
- Ressort Justiz
Betroffene Stellen:
- Landgericht
- Staatsanwaltschaft
5
Vaduz, 23. Mai 2000
P
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend die Abänderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozessordnung und weiterer damit zusammenhängender Gesetze (Abschöpfung der Bereicherung, Verfall, Einziehung, Geldwäscherei, Bestechung) zu unterbreiten.
Mit Bericht und Antrag vom 11. April 1995 der Regierung an den Landtag (BuA Nr. 18/1995) wurde dem Landtag eine Abänderung des Strafgesetzbuches hinsichtlich der Einführung der Abschöpfung der Bereicherung, der Geldwäscherei und des Insidertatbestandes vorgelegt. Die im Bericht enthaltene Gesetzesvorlage zum Strafgesetzbuch beinhaltete Regelungen, die sich weitgehend an den in Österreich nicht zu Gesetz gewordenen Ministerialentwurf des österreichischen Bundesministerium für Justiz anlehnten. In der Stellungnahme vom 14. November 1995 der Regierung an den Landtag zu den anlässlich der ersten Lesung auf-
6
geworfenen Fragen (BuA Nr. 104/1995) wurde der vom Landtag geübten Kritik an einem Auseinanderdriften der liechtensteinischen und österreichischen Gesetzgebung insofern Rechnung getragen, als die von der österreichischen Rezeptionsvorlage in der Fassung des Strafrechtsänderungsgesetzes 1987, BGBl. 1987/605, sowie der Strafgesetznovelle 1993, BGBl. 1993/527, abweichenden Bestimmungen (§§ 20 Abs. 4, 20a Abs. 5 und 6, 20b sowie § 65a des StGB-Entwurfes) eliminiert wurden. In der Stellungnahme ist denn auch bereits auf eine sich zum damaligen Zeitpunkt noch in Ausarbeitung befindliche österreichische Strafrechtsänderungsnovelle hingewiesen worden, auf welche anlässlich einer künftigen Revision des Strafgesetzbuches zurückgegriffen werden könne. Zwischenzeitlich sind in Österreich mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 1996, BGBl. 1996/762, insbesondere die vermögensrechtlichen Sanktionen einer umfassenden Neuregelung zugeführt worden.
Aus dem Grunde der Nichtaufnahme bzw. Zurücknahme von Bestimmungen des Strafgesetzbuches anlässlich der Revision im Jahre 1996, hat die Regierung konsequenterweise auch die Abänderungen der Art. 20a und 28 BMG zurückgezogen. Die vorgeschlagene Aufnahme einer Regelung über sog. "sharing agreements" (Teilungsvereinbarungen) in § 253 StPO wurde zwar anlässlich der Verabschiedung der Strafrechtsabänderungen am 21. März 1996 nicht beschlossen, aber vom Landtag als in erster Lesung behandelt betrachtet.
In der Folge ist am 24. Mai 1996 das Gesetz vom 21. März 1996 über die Abänderung des Strafgesetzbuches (Bereicherungsabschöpfung, Geldwäscherei und Verhinderung der missbräuchlichen Ausnützung einer Organstellung zu unlauteren Börsengeschäften), LGBl. 1996 Nr. 64, in Liechtenstein in Kraft getreten.
Mit der Einführung der Abschöpfung der Bereicherung (§ 20a StGB) wurde neben dem Verfall gemäss § 20 StGB eine weitere Nebenstrafe mit der Zielsetzung
7
des Entzuges von unrechtmässigen Vermögenszuwächsen geschaffen. Diese Bereicherungsabschöpfung erfasst - im Gegensatz zum Verfall, der nur Geschenke und andere geldwerte Zuwendungen, die der Täter unmittelbar als Belohnung für die Straftat empfangen hat, umfasst - den gesamten Gewinn, den der Täter durch die Straftat erlangt hat, und betrifft nicht einen bestimmten Vermögensgegenstand, sondern besteht in der Verpflichtung zur Zahlung einer Geldsumme im Ausmass der Bereicherung, die in das gesamte Vermögen des Täters vollstreckt werden kann.
Mit der Einführung der Straftatbestände zur Bekämpfung der Geldwäscherei (§ 165 StGB) und krimineller Organisationen (§ 278a StGB) sind zudem erste wichtige gesetzgeberische Massnahmen geschaffen worden, die im Interesse einer effizienten Verbrechensbekämpfung, eines seriösen Finanzdienstleistungsplatzes Liechtenstein, aber auch zur Erfüllung internationaler Verpflichtungen notwendig sind. In diesem Zusammenhang ist insbesondere auch die am 19. Februar 1999 in Kraft getretene Abänderung des § 165 Abs. 1 StGB (Entfall der 15'000 Franken-Grenze) zu nennen, wodurch dieser Tatbestand den internationalen Vorgaben im Bereich der Geldwäscherei noch besser entspricht.
Zur Bekämpfung von organisiert begangenen Straftaten durch Verfolgung der Geldwäscherei und Abschöpfung der Bereicherung sind jedoch auch flankierende Massnahmen ausserhalb des Straf- und Strafprozessrechts erforderlich, um die legale Wirtschaft für einschlägige Aktivitäten weniger leicht nutzbar zu machen. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung war die Schaffung des Gesetzes vom 22. Mai 1996 über die berufliche Sorgfaltspflichten bei der Entgegennahme von Vermögenswerten (Sorgfaltspflichtgesetz), LGBl. 1996 Nr. 116, in welchem Sorgfalts-, Identifizierungs- und Meldepflichten insbesondere für Banken und Finanzgesellschaften, Rechtsanwälte, Treuhänder, Investmentunternehmen sowie für Versicherungsunternehmen statuiert wurden.
8
In verfahrensrechtlicher Hinsicht wurden zudem mit Gesetz vom 22. Oktober 1998 über die Abänderung der Strafprozessordnung, LGBl. 1998 Nr. 174, die notwendigen gesetzlichen Grundlagen geschaffen, um einerseits insbesondere die Abschöpfung der Bereicherung nach § 20a StGB durch die Möglichkeit der Anordnung von Massnahmen gemäss § 97a StPO zu sichern und andererseits die verfahrensrechtliche Stellung der Betroffenen zu stärken.