Berichte und Anträge
Regierungskanzlei (RK)
BuA - Nummer
2001 / 35
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Ein­lei­tung
I.Bericht der Regierung
1.Aus­gangs­lage
2.Grund­züge der Gesetzesvorlage
3.Ver­nehm­las­sungs­er­geb­nisse hin­sicht­lich des EWIV-Ausführungsgesetzes
4.Erläu­te­rungen zu den Arti­keln der Gesetzesvorlage
5.Erläu­te­rungen zur Geset­zes­vor­lage zur Ände­rung des Per­sonen- und Gesellschaftsrechts
6.Erläu­te­rungen zur Geset­zes­vor­lage betref­fend die Abän­de­rung der Aus­übung der Gerichts­bar­keit und der Zustän­dig­keit der Gerichte in bür­ger­li­chen Rechtssachen
II.Antrag der Regierung
III.Regie­rungs­vor­lagen
Kein Titel
Kein Titel
Kein Titel
Grüner Teil
 
Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
zur Schaffung eines Gesetzes zur Ausführung der EWG-Verordnung über die Europäische Wirtschaftliche  Interessenvereinigung (EWIV-Ausführungsgesetz, EWIVG) sowie zur Abänderung des Personen- und Gesellschaftsrechts und zum Gesetz betreffend die Abänderung des Gesetzes über die Ausübung der Gerichtsbarkeit und die Zuständigkeit der Gerichte in bürgerlichen Rechtssachen
 
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Die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV) stellt eine für das liechtensteinische Recht neue Gesellschaftsform dar. Sie ist ihrem Wesen nach eine Personengesellschaft. Die Rechtsform der Kollektivgesellschaft kommt der Rechtsnatur der EWIV am nächsten. Zweck dieser auf Gemeinschaftsrecht basierenden juristischen Person ist es, getrennten Unternehmen aus verschiedenen Mitgliedstaaten die Durchführung gemeinsamer grenzüberschreitender Tätigkeiten und Kooperationen zu erleichtern ohne sich hierfür formell zusammenschliessen oder eine Tochtergesellschaft gründen zu müssen.
Hinsichtlich der Bestimmungen über das Gesellschaftsrecht verweist das EWR-Abkommen auf Anhang XXII. Gemäss diesem Anhang hat Liechtenstein die dort angeführten Rechtsakte bis spätestens drei Jahre nach Inkrafttreten des EWR-Abkommens vollständig durchzuführen. Dazu zählt auch die Verordnung des Rates vom 25. Juli 1985 über die Schaffung einer Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung Nr. 2137/85, ABl. Nr. L 199 vom 31. Juli 1985, Seite 1f (EWIV-Verordnung). Somit ist die Verordnung über die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung mit Inkrafttreten des EWR-Abkommens auch für Liechtenstein in Kraft getreten. Bezüglich der nicht erfolgten Umsetzung dieser Verordnung erhielt Liechtenstein von der EFTA Überwachungsbehörde bereits eine Begründete Stellungnahme (Reasoned Opinion).
Zuständige Ressorts
Wirtschaft, Justiz
Betroffene Amtsstelle
Grundbuch- und Öffentlichkeitsregisteramt
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Vaduz, 5. Juni 2001
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag zur Schaffung eines Gesetzes zur Ausführung der EWG-Verordnung über die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV-Ausführungsgesetz - EWIVG) sowie zur Abänderung des Personen- und Gesellschaftsrechts zum Gesetz betreffend die Abänderung des Gesetzes über die Ausübung der Gerichtsbarkeit und die Zuständigkeit der Gerichte in bürgerlichen Rechtssachen zu unterbreiten.
1.Ausgangslage
Aufgrund des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) ist Liechtenstein verpflichtet, eine Vielzahl von EG-Normen ins innerstaatliche Recht umzusetzen, um zwischen den EG- und den EWR-Staaten binnenmarktähnliche Verhältnisse zu schaffen. Nach Art. 1 EWR-Abkommen ist Ziel dieses Abkommens, "eine beständige und ausgewogene Stärkung der Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zwischen den Vertragsparteien unter gleichen Wettbewerbsbedingungen und die Einhaltung gleicher Regeln zu fördern, um einen homogenen
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europäischen Wirtschaftsraum" zu schaffen. Das EWR-Abkommen ist seit seinem Inkrafttreten Bestandteil sowohl des EG-Rechts als auch der Rechtsordnungen jener EFTA-Länder, die es ratifiziert haben.
Gemäss Art. 7 EWR-Abkommen sind Rechtsakte, auf die in den Anhängen zu diesem Abkommen oder in den Entscheidungen des Gemeinsamen EWR-Ausschusses Bezug genommen wird oder die darin enthalten sind, für die Vertragsparteien verbindlich und Teil des innerstaatlichen Rechts oder in innerstaatliches Recht umzusetzen. Art. 77 dieses Abkommens verweist hinsichtlich der Bestimmungen über das Gesellschaftsrecht auf Anhang XXII. Gemäss diesem Anhang hat Liechtenstein die dort angeführten Rechtsakte bis spätestens drei Jahre nach Inkrafttreten des EWR-Abkommens vollständig durchzuführen. Zu den dort angeführten Rechtsakten zählt auch die Verordnung des Rates vom 25. Juli 1985 über die Schaffung einer Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung (EWIV) Nr. 2137/85, ABl. Nr. L 199 vom 31. Juli 1985, Seite 1f (EWIV-Verordnung). Aufgrund der umfassenden Revision des Personen- und Gesellschaftsrechts (PGR), deren erste Lesung im April 1999 war, konnte das Aus-führungsgesetz zur Verordnung über die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung aus Kapazitätsgründen nicht zeitgerecht vorbereitet werden.
Am 7. Dezember 2000 hat die EFTA Überwachungsbehörde eine Begründete Stellungnahme (Reasoned Opinion - letzter Schritt im offiziellen Vertragsverletzungsverfahren vor Einbringung der Klage an den EFTA Gerichtshof) wegen des fehlenden nationalen Ausführungsgesetzes zur EWIV-Verordnung an Liechtenstein geschickt. Liechtenstein hatte drei Monate Zeit, diese Begründete Stellungnahme zu beantworten und den Zeitplan hinsichtlich dieser Vorlage bekanntzugeben.
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Zweck dieser auf Gemeinschaftsrecht basierenden juristischen Person ist es, getrennten Unternehmen aus verschiedenen Mitgliedstaaten die Durchführung gemeinsamer grenzüberschreitender Tätigkeiten und Kooperationen zu erleichtern (z.B. Einkaufs- oder Verkaufsorganisationen, gemeinschaftliche Produktion) ohne sich hierfür formell zusammenschliessen oder eine Tochtergesellschaft gründen zu müssen. Die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung (nachfolgend: "EWIV") hat nicht den Zweck, Gewinne für sich selbst zu erzielen, solche werden zwischen den Mitgliedern aufgeteilt und besteuert, sondern hat sich vielmehr auf die Wahrnehmung blosser Hilfsaufgaben zu beschränken. Gegenstand der Tätigkeit einer EWIV dürfen aber nur solche wirtschaftlichen Aktivitäten sein, die im Zusammenhang mit der Tätigkeit ihrer Mitglieder stehen. Für die Mitgliedschaft in einer EWIV kommen nicht nur Unternehmen im Sinne der Art. 34 EWR-Abkommen in Betracht, sondern auch sonstige juristische Personen des öffentlichen und privaten Rechts, sowie natürliche Personen, die eine gewerbliche, kaufmännische, handwerkliche oder freiberufliche Tätigkeit ausüben oder andere Dienstleistungen im EWR-Raum erbringen. Zur Gründung einer EWIV bedarf es mindestens zweier Mitglieder, die aus zwei verschiedenen Mitgliedstaaten stammen müssen. Die Gründung einer EWIV erfolgt durch Vertrag, der Name, Sitz und Gegenstand der Vereinigung sowie die vollständige Bezeichnung der Mitglieder enthält; weiters ist die Eintragung in ein Register (in Liechtenstein das Öffentlichkeitsregister) erforderlich, der konstitutive Wirkung zukommt.
Somit soll durch diese neue europäische Gesellschaftsform der EWIV die nicht gewinnorientierte, grenzüberschreitende Zusammenarbeit bzw. Unternehmenskooperation über die Grenzen der EWR-Mitgliedstaaten hinweg gefördert werden. Rechtliche und psychologische Hemmnisse, die besonders kleine und mittlere Unternehmen an grenzüberschreitenden Kooperationen hindern, sollen durch die internationale rechtliche Grundlage der EWIV überwunden werden und die dadurch entstehende Unsicherheit, dass sich bislang immer einer der Partner in ei-
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nem für ihn unbekannten Rechtssystem wiederfand, insoweit ausgeräumt werden, als dass die nationalen gesellschaftsrechtlichen Regelungen nur subsidiär gelten.
Während Richtlinien für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet sind, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich sind, ist die Bestimmung der zur Verwirklichung dieses Ziels geeigneten Formen und Mittel jedoch den Staaten und ihren Organen überlassen. Haben Verordnungen allgemeine Geltung, sind sie in allen ihren Teilen verbindlich und gelten in jedem Mitgliedstaat unmittelbar. Unmittelbare Geltung heisst, dass die Verordnung weder eines innerstaatlichen Transformationsaktes noch einer Bekanntgabe nach nationalem Recht bedarf. Dies bedeutet, dass die Verordnung über die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung mit Inkrafttreten des EWR-Abkommens auch für Liechtenstein in Kraft getreten ist. Sie ist seit diesem Zeitpunkt in all ihren Teilen unmittelbar bindend für staatliche Organe und Rechtsunterworfene. Daher können sich Liechtensteiner bereits seit Inkrafttreten des EWR-Abkommens an einer EWIV mit Sitz in einem EWR-Staat beteiligen.
Verordnungen (VOs) bedürfen normalerweise keiner nationalen Durchführungsmassnahme; als Spezialfall sieht die EWIV-Verordnung aber nationale Durchführungsbestimmungen vor, so dass jeder Mitgliedsstaat entsprechende Massnahmen setzten muss. Artikel 39 Abs. 1 iVm Art. 6 und Art. 10, Art. 39 Abs. 1 iVm Art. 7, 8, 10 und 11, Art. 41 der EWIV-Verordnung legen fest, dass die Mitgliedstaaten die erforderlichen Massnahmen, insbesondere hinsichtlich der Eintragung ins Öffentlichkeitsregister, Veröffentlichung im Amtlichen Mitteilungsblatt, Einsichtsrecht in die hinterlegten Urkunden und Sanktionen für die Verletzung von Offenlegungspflichten, treffen müssen. Weiters bestimmen Präambel und diverse Artikel der EWIV-Verordnung (siehe Art. 1 und 2) ausdrücklich, dass Fragen, die den Personenstand und die Rechts- und Handlungsfähigkeit natürlicher sowie juristischer Personen betreffen, durch das jeweilige nationale Recht geregelt werden.
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Hinsichtlich der besonderen Gründe für die Auflösung und Abwicklung bestimmt die EWIV-Verordnung ebenfalls, dass auf das einzelstaatliche Recht zu verweisen ist. Dies gilt auch in Bezug auf die Zahlungsunfähigkeit und Zahlungseinstellung. In der Präambel der EWIV-Verordnung ist weiters festgelegt, dass es den Mitgliedstaaten freisteht, Rechts- und Verwaltungsvorschriften anzuwenden oder zu erlassen, die der Tragweite und den Zielen der EWIV-Verordnung nicht zuwiderlaufen. EU-Mitgliedstaaten wie Deutschland und Österreich haben daher 1988 bzw. 1995 die entsprechenden nationalen Ausführungsgesetze zur EWIV-Verordnung erlassen (siehe Beilagen).
Liechtenstein trifft somit die Verpflichtung, geeignete innerstaatliche Massnahmen zu erlassen, um die Gründung einer EWIV mit Sitz in Liechtenstein zu ermöglichen, da auch die EWIV-Verordnung selbst - wie bereits ausgeführt - den Mitgliedstaaten die Verpflichtung auferlegt, bestimmte gesetzliche Vorschriften zu erlassen, um die Anwendung der EWIV-Verordnung sicherzustellen (siehe dazu Art. 1 Abs. 3; Art. 8 dritter Satz; Art. 27 Abs. 2 zweiter Satz; Art. 32 Abs. 1 und 2 sowie Art. 39 und 41 der EWIV-Verordnung).
LR-Systematik
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LGBl-Nummern
2001 / 176
2001 / 175
2001 / 174
2001 / 174
Landtagssitzungen
13. September 2001
28. Juni 2001
Stichwörter
Euro­päi­sche Wirt­schaft­liche Interessenvereinigung
EWIV-Ausführungsgesetz
EWIVG
JN, Abänderung
PGR, Abänderung