Stellungnahme der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
zu den anlässlich der ersten Lesung der Regierungsvorlagen zur Abänderung
des Rechtsanwaltsgesetzes (RAG), des Treuhändergesetzes (TrHG), des Personen- und Gesellschaftsrechts (PGR), der Zivilprozessordnung (ZPO), der Strafprozessordnung (StPO), des Landesverwaltungspflegegesetzes (LVG) und des Staatsgerichtshofgesetzes (StGHG) betreffend die Umsetzung der Richtlinie 98/5/EG (Niederlassungsrichtlinie), "Niederlassung von Rechtsanwälten im EWR" aufgeworfenen Fragen
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Vaduz, 22. Oktober 2002
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehende Stellungnahme zu den anlässlich der ersten Lesung der Regierungsvorlagen betreffend die Umsetzung der Richtlinie 98/5/EG (Niederlassungsrichtlinie), "Niederlassung von Rechtsanwälten im EWR", aufgeworfenen Fragen zu unterbreiten:
Anlässlich der ersten Lesung der Regierungsvorlagen zur Umsetzung der Richtlinie 98/5/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 zur Erleichterung der ständigen Ausübung des Rechtsanwaltsberufes in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem die Qualifikation erworben wurde (Rechtsanwalts-Niederlassungs-Richtlinie), im Landtag wurde von den Abgeordneten die Gelegenheit wahrgenommen, sich zu diesen wichtigen Vorlagen im Allgemeinen und im Besonderen ausführlich zu äussern.
Eintreten auf die Gesetzesvorlagen war mehrheitlich unbestritten. Teilweise wurde für nicht Eintreten votiert, dies aus unterschiedlichen Gründen. Zum einen wurde kritisiert, dass das zeitliche Vorgehen das Recht des Landtages gemäss Art. 8 Abs. 2 LV vorerst der Übernahme einer EWR-Richtlinie zuzustimmen, ausser
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Acht lasse, weil sich der Landtag in 1. Lesung mit der Umsetzung einer Richtlinie ins innerstaatliche Recht befassen solle, obwohl er der Übernahme der zu Grunde liegenden Richtlinie noch nicht zugestimmt habe. Von Seiten der Regierung wurde hierzu anlässlich der Eintretensdebatte zwar eingeräumt, dass dieses Vorgehen aussergewöhnlich sei, aber der Landtag in keiner Weise in seinen Rechten eingeschränkt werde. Die zeitlichen Umstände seien dafür verantwortlich, dass diese Vorgehensweise gewählt habe werden müssen, um zu verhindern, dass beim Inkrafttreten der Richtlinie 98/5/EG die innerstaatliche Umsetzung noch nicht erfolgt sei. Der Landtag wird deshalb auch vor der zweiten Lesung der gegenständlichen Vorlagen den Bericht und Antrag zur Übernahme der Richtlinie 98/5/EG bereits behandelt haben. Die zeitlich aussergewöhnliche Situation hat sich aus folgenden Gründen ergeben:
Nachdem die Bemühungen Liechtensteins, für die Umsetzung der Richtlinie im Falle einer Übernahme in den EWR-Acquis eine Frist von zwei Jahren zu erhalten, nach längeren Verhandlungen erfolglos blieben, war eine weitere Verzögerung der Übernahme der Richtlinie politisch nicht mehr vertretbar. Im damaligen Bewusstsein, dass die Richtlinie bald in den EWR-Rechtsbestand übernommen werden würde und mangels einer weiteren Umsetzungsfrist gleichzeitig mit ihrem Inkrafttreten umgesetzt sein muss, waren die Arbeiten für die innerstaatliche Umsetzung bereits in vollem Gange. Hinsichtlich der terminlichen Abfolge und der damit verbundenen Notwendigkeit, die erste Lesung der gegenständlichen Gesetzesvorlagen zur Umsetzung der Richtlinie bereits vor der Übernahme der Richtlinie durchzuführen, sei - um Wiederholungen zu vermeiden - auf die detaillierten Ausführungen im Bericht und Antrag der Regierung Nr. 100/2002 zum Beschluss Nr. 85/2002 vom 25. Juni 2002 des Gemeinsamen EWR-Ausschusses betreffend die Richtlinie 98/5/EG verwiesen.
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Zum anderen wurde Nichteintreten beantragt hinsichtlich der Vorlagen zur Abänderung der Zivilprozessordnung, des Landesverwaltungspflegegesetzes und des Staatsgerichtshofgesetzes betreffend die Einführung des Rechtsanwaltszwangs.
Der Antrag, auf die Abänderungsvorlagen nicht einzutreten wurde in Bezug auf das Rechtsanwaltsgesetz, das Treuhändergesetz, das Landesverwaltungspflegegesetz und das Staatsgerichtshofgesetz mit sechs Stimmen, in Bezug auf die Abänderung des Personen- und Gesellschaftsrechts und der Zivilprozessordnung mit fünf Stimmen, sowie in Bezug auf die Strafprozessordnung mit vier Stimmen unterstützt und dementsprechend abgelehnt.