Berichte und Anträge
Regierungskanzlei (RK)
BuA - Nummer
2002 / 119
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Ein­lei­tung
I.Bericht der Regierung
1.Aus­gangs­lage
2.Schwer­punkte und Ziel­set­zungen des Übereinkommens
3.Erläu­te­rungen zum Übe­rein­kommen und Liech­tens­tein­sche Rechtslage
4.Ver­fas­sungs­mäs­sig­keit
5.Recht­liche, per­so­nelle und finan­zi­elle Auswirkungen
II.Antrag der Regierung
Grüner Teil
 
Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend  das Europäische Übereinkommen  vom 15. Mai 1972  über die Übertragung der Strafverfolgung
 
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Die Übertragung bzw. Übernahme der Strafverfolgung ist ein wichtiges Instrument der internationalen Verbrechensbekämpfung. Sie ermöglicht den Behörden der betroffenen Länder, die Effizienz der Strafverfolgung von Taten mit grenzüberschreitendem Charakter erheblich zu steigern. Die Möglichkeit zur Übertragung der Strafverfolgung an ausländische Behörden entspricht prozessökonomischen Grundsätzen und kann in vielen Fällen die Arbeit der liechtensteinischen Behörden erleichtern. Die Bestimmungen des Übereinkommens decken sich weitgehend mit der vom Landgericht, der Staatsanwaltschaft und der Regierung gehandhabten Praxis. Obwohl die liechtensteinischen Behörden aufgrund des Rechtshilfegesetzes und des Europäischen Rechtshilfeübereinkommens bereits die Möglichkeit zur Übertragung/Übernahme der Strafverfolgung haben, kann durch die Ratifikation des vorliegenden Übereinkommens die völkerrechtliche Basis für die Anwendung dieses Instruments erweitert werden. Seine Vorteile erweisen sich vor allem in jenen Fällen, in denen ein Vertragsstaat trotz seiner an sich gegebenen Zuständigkeit an der Durchführung des Strafverfahrens gehindert ist, oder in den Fällen, in denen die Strafverfolgung in dem anderen Vertragsstaat geboten erscheint. Das Übereinkommen hat seit den Terroranschlägen gegen die USA vom 11. September 2001 auch an politischer Bedeutung gewonnen. Es wird seither zu jenen Europaratskonventionen gezählt, die der Terrorismusbekämpfung dienen. Im aktuellen aussenpolitischen Umfeld kann Liechtenstein daher mit der Ratifikation des Übereinkommens seine Entschlossenheit erneut zum Ausdruck bringen, durch die Beteiligung an internationalen Verträgen die Grundlagen für die Zusammenarbeit im Kampf gegen den Terrorismus zu stärken.
Zuständige Ressorts
Ressort Äusseres; Ressort Justiz
Betroffene Amtsstelle
Amt für Auswärtige Angelegenheiten
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Vaduz, den 2002
P
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend das Europäische Übereinkommen vom 15. Mai 1972 über die Übertragung der Strafverfolgung zu unterbreiten.
1.Ausgangslage
Die Übertragung bzw. Übernahme der Strafverfolgung ist ein wichtiges Instrument der internationalen Verbrechensbekämpfung. Sie ermöglicht den Behörden der betroffenen Länder, die Effizienz der Strafverfolgung von Taten mit grenzüberschreitendem Charakter erheblich zu steigern. Der Europarat hatte schon frühzeitig die grosse praktische Bedeutung der Übertragung bzw. Übernahme der Strafverfolgung im zwischenstaatlichen Verkehr erkannt und nach mehrjährigen Vorarbeiten das vorliegende Übereinkommen über die Übertragung der Strafverfolgung am 15. Mai 1972 in Strassburg zur Unterzeichnung aufgelegt. Ziel des Übereinkommens ist es, das Europäische Auslieferungsübereinkommen (LGBl. 1970 Nr. 29) und das Europäische Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen (LGBl. 1970 Nr. 30) zu ergänzen und damit zu einer weiteren Vertiefung der Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten des Europarats auf strafrechtlichem Gebiet beizutragen.
Das Übereinkommen ist seit dem 30. März 1978 in Kraft. Es zählt derzeit 16 Vertragsparteien (darunter Österreich) und 13 Unterzeichnerstaaten. Liechtenstein hat das Übereinkommen am 20. Oktober 1983 unterzeichnet. Die Vorarbeiten im Hinblick auf die Ratifikation wurden anschliessend unterbrochen, weil von Seiten der damaligen Strafrechtskommission des Landtags Bedenken geäussert worden waren, dass Liechtenstein
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als Vertragsstaat dieses Übereinkommens bezüglich des Fiskalvorbehalts bei der Rechtshilfe unter Druck geraten könnte. Ausserdem bestand die grundsätzliche Befürchtung, dass durch den Abschluss weiterer multilateraler Staatsverträge auf dem Gebiet der Rechtshilfe die damalige Erarbeitung eines liechtensteinischen Rechtshilfegesetzes insbesondere hinsichtlich der innerstaatlichen behördlichen Verfahren präjudiziert werden könnte. Die Situation hat sich seither grundlegend geändert. So besitzt Liechtenstein heute ein Rechtshilfegesetz, das den Bestimmungen des Übereinkommens genügt. Und die Bedenken bezüglich des Fiskalvorbehalts, welche selbstverständlich ernst zu nehmen sind, erweisen sich aus heutiger Sicht und vor dem Hintergrund der mittlerweile erfolgten Entwicklungen als nicht mehr angezeigt (vgl. Ausführungen zu Art. 11 unter Kapitel 3).
Die Möglichkeit zur Übertragung der Strafverfolgung an ausländische Behörden entspricht prozessökonomischen Grundsätzen und kann in vielen Fällen die Arbeit der liechtensteinischen Behörden erleichtern. Die Bestimmungen des Übereinkommens decken sich weitgehend mit der vom Landgericht, der Staatsanwaltschaft und der Regierung gehandhabten Praxis. Diese beruhte bisher auf den Art. 74-76 des liechtensteinischen Rechtshilfegesetzes (LGBl. 2000 Nr. 215) sowie auf Art. 21 des Europäischen Rechtshilfeübereinkommens. Im vergangenen Jahr wurde aufgrund dieser Bestimmungen in 51 Fällen die Strafverfolgung von liechtensteinischen an ausländische Behörden übertragen. In fünf Fällen fand eine Übernahme der ausländischen Strafverfolgung statt.
Das vorliegende Übereinkommen hat seit den Terroranschlägen gegen die USA vom 11. September 2001 an politischer Bedeutung gewonnen. Es wird seither zu jenen Europaratskonventionen gezählt, die der Terrorismusbekämpfung dienen. Obwohl die liechtensteinischen Behörden aufgrund des Rechtshilfegesetzes und des Europäischen Rechtshilfeübereinkommens bereits die Möglichkeit zur Übertragung/Übernahme der Strafverfolgung haben, kann durch die Ratifikation des Übereinkommens die völkerrechtliche Basis für die Anwendung dieses Instruments erweitert werden. So können sich im Verhältnis zu anderen Vertragsstaaten des Übereinkommens weitere Möglichkeiten zur Begründung der Gerichtsbarkeit ergeben; dies insbesondere, wenn der mutmassliche Täter weder die liechtensteinische noch die Nationalität des anderen Ver-
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tragsstaates besitzt und sich nach der Begehung der Straftat in Liechtenstein in den anderen Vertragsstaat abgesetzt hat, wo er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Im aktuellen aussenpolitischen Umfeld kann Liechtenstein durch die Ratifikation des Übereinkommens ausserdem erneut seine Entschlossenheit zum Ausdruck bringen, durch die Beteiligung an internationalen Verträgen die Grundlagen für die Zusammenarbeit im Kampf gegen den Terrorismus zu stärken.
LR-Systematik
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0..35
0..35.1
LGBl-Nummern
2003 / 106
Landtagssitzungen
20. Dezember 2002