Berichte und Anträge
Regierungskanzlei (RK)
BuA - Nummer
2002 / 127
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Ein­lei­tung
I.Bericht der Regierung
1.Aus­gangs­lage
2.Schwer­punkte des Notenaustausches
3.Erläu­te­rungen zum Notenaustausch
4.Ver­fas­sungs­mäs­sig­keit
5.Recht­liche, per­so­nelle und finan­zi­elle Auswirkungen
II.Antrag der Regierung
Grüner Teil
 
Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
zum Notenaustausch zwischen der Schweiz und Liechtenstein betreffend die Beteiligung Liechtensteins an Markt- und Preisstützungsmassnahmen der Schweizerischen Landwirtschaftspolitik
 
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Aufgrund des Zollvertrags von 1923 zwischen Liechtenstein und der Schweiz sind zahlreiche schweizerische Rechtsvorschriften im Bereich der Landwirtschaft in Liechtenstein anwendbar, wenn auch in einzelnen Bereichen Liechtenstein (zusätzlich) eigenes Recht erlassen hat.
Aus der Perspektive des gemeinsamen Wirtschaftsraumes und der damit einhergehenden Notwendigkeit zur Schaffung und Erhaltung gleicher Wettbewerbsbedingungen in den miteinander verbundenen Staatsgebieten führt der Zollvertrag zum Erfordernis einer möglichst einheitlichen Anwendung der in den Markt eingreifenden Massnahmen, einschliesslich der Gleichbehandlung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen, die über die gemeinsame Zollgrenze nach Liechtenstein eingeführt oder aus Liechtenstein ausgeführt werden.
Die Neuorientierung der schweizerischen Agrarpolitik wurde seit 1992 in die Wege geleitet. Neben der Verwirklichung ökologischer Anliegen und einer allgemeinen Lockerung staatlicher Markteingriffe hat diese Neuorientierung eine vermehrte Trennung von Preis- und Einkommenspolitik zum Ziel. Der gegenständliche Notenaustausch beschäftigt sich nur mit der Preispolitik. Die Einkommenspolitik ist Gegenstand so genannter Direktzahlungen und damit kein Thema des Notenaustausches.
Angesichts der dargelegten Ausgangslage wurden zwischen Liechtenstein und der Schweiz Verhandlungen zum Abschluss einer Vereinbarung geführt. Liechtenstein soll in das Massnahmensystem der schweizerischen Agrarpolitik eingebunden werden, wobei eine Übergangslösung im Bereich der Milchwirtschaft sowie die Beibehaltung der bisher im liechtensteinischen Recht abgedeckten Bereiche vereinbart wurde.
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Im Zentrum der Verhandlungen über die liechtensteinische Beteiligung am schweizerischen Zulagen- und Beihilfesystems stand die Milchwirtschaft, da die Milch bei weitem das wichtigste Produkt der liechtensteinischen Landwirtschaft ist, das schweizerische Zulagen- und Beihilfesystem innerhalb des Produktes Milch sich aber auf die Verarbeitungsstufe Käse und dort zusätzlich auf die Förderung des Käseexports konzentriert.
Die Vereinbarung in Form eines Notenaustausches regelt die finanzielle Beteiligung Liechtensteins an Markt- und Preisstützungsmassnahmen der schweizerischen Landwirtschaftspolitik und damit die Teilnahme am schweizerischen Zulagen- und Beihilfesystem. Dies bedeutet den Einbezug der in Liechtenstein in den Bereichen Produktion, Handel und Verarbeitung Betroffenen bei den vom Subventionsinstrumentarium erfassten Produkten in das schweizerische System und auch die finanzielle Beteiligung des Landes an dessen Kosten. Ziel der Vereinbarung ist es, vergleichbare Wettbewerbsbedingungen im gemeinsamen Wirtschaftsraum zwischen Liechtenstein und Schweiz zu garantieren.
Der Bereich der Direktzahlungen ist von dieser Regelung ausgenommen. Die Vereinbarung ermöglicht es Liechtenstein ausserdem, im Bereich der Milchwirtschaft während einer Übergangszeit eigene Massnahmen zu ergreifen.
Aufgrund der derzeit noch unterschiedlichen Ausrichtung der liechtensteinischen und der schweizerischen Milchwirtschaft kann Liechtenstein anfänglich von seiner Beteiligung am Zulagen- und Beihilfesystem nur teilweise profitieren. Damit liechtensteinische Produzenten in den vollen Genuss der mitfinanzierten Stützungsmassnahmen kommen können, bedarf es einer Umstrukturierung der liechtensteinischen Milchwirtschaft. Zu diesem Zweck wurde während der Verhandlungen zum gegenständlichen Notenaustausch parallel und intensiv an
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einem neuen Förderprogramm zwecks Vorwärtsintegration der liechtensteinischen Milchwirtschaft gearbeitet, das im Jahre 2003 Gegenstand einer separaten Gesetzesvorlage sein wird. Ziel dieser Vorwärtsintegration ist es, die liechtensteinische Milchwirtschaft den strukturellen Gegebenheiten der schweizerischen Milchwirtschaft, deren zentraler Aspekt die Käseproduktion und Vermarktung ist, anzupassen.
Zuständige Ressorts
Ressort Umwelt, Raum, Land- und Waldwirtschaft, Ressort Äusseres, Ressort Finanzen
Betroffene Amtsstellen
Landwirtschaftsamt, Amt für Auswärtige Angelegenheiten, Stabsstelle Finanzen
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Vaduz, den .... 2002
 
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag zum Notenaustausch zwischen der Schweiz und Liechtenstein betreffend die Beteiligung Liechtensteins an Markt- und Preisstützungsmassnahmen der schweizerischen Landwirtschaftspolitik zu unterbreiten.
1.Ausgangslage
Aufgrund des Vertrags vom 29. März 1923 zwischen der Schweiz und Liechtenstein über den Anschluss des Fürstentums Liechtenstein an das schweizerische Zollgebiet (LGBl. 1923 Nr. 24, nachstehend "Zollvertrag") sind zahlreiche schweizerische Rechtsvorschriften im Bereich der Landwirtschaft in Liechtenstein anwendbar, wenn auch in einzelnen Bereichen Liechtenstein eigenes Recht erlassen hat. So musste Liechtenstein in den Bereichen der produktunabhängigen Direktzahlungen und der Strukturverbesserungsmassnahmen auch eigenes Recht schaffen und entwickeln. Weil gerade diese sehr wichtigen Bereiche von der Wirkung des Zollvertrages ausgeklammert sind, hat die liechtensteinische Landwirtschaftsgesetzgebung in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Infolge der besonderen Bedeutung der Milchwirtschaft für die liechtensteinische Landwirtschaft wurde
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im Jahre 1976 eine eigene Lösung für die Milchpreisstützung getroffen. Weitere eigenständige Lösungen wurden in den Bereichen allgemeine Direktzahlungen, Abgeltung ökologischer Leistungen (Abgeltungsgesetz) sowie in den Bereichen der Berglandwirtschaft und Hanglagen, landwirtschaftliches Bauwesens, Tierzucht und Rebbau realisiert.
Dieses liechtensteinische Recht und insbesondere die darauf beruhenden produktunabhängigen staatlichen Stützungen lagen mit Rücksicht auf den durch den Zollvertrag begründeten gemeinsamen Wirtschaftsraum auf einem Niveau, das mit jenem der entsprechenden Massnahmen der schweizerischen Landwirtschaftspolitik gleich oder mit ihm vergleichbar war.
Eine weitere Einschränkung der Anwendung der schweizerischen Rechtsvorschriften im Bereich der Landwirtschaft ist durch Art. 4 Abs. 2 des Zollvertrages gegeben. Danach sind diejenigen schweizerischen Vorschriften von der Anwendbarkeit in Liechtenstein ausgenommen, welche eine Beitragspflicht des Bundes begründen. Damit kommen die Fiskalhoheit und die voneinander unabhängige Strukturpolitik beider Vertragspartner zum Ausdruck.
Aus der Perspektive des gemeinsamen Wirtschaftsraumes und der damit einhergehenden Notwendigkeit zur Schaffung und Erhaltung gleicher Wettbewerbsbedingungen in den miteinander verbundenen Staatsgebieten führt wiederum der Zollvertrag zum Erfordernis einer möglichst einheitlichen Anwendung der in den Markt eingreifenden Massnahmen, einschliesslich der Gleichbehandlung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen, die über die gemeinsame Zollgrenze nach Liechtenstein eingeführt oder aus Liechtenstein ausgeführt werden.
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Die Neuorientierung der schweizerischen Agrarpolitik wurde mit dem Siebten Landwirtschaftsbericht des Bundesrates vom 27. Januar 1992 eingeleitet. Die erste Reformetappe wurde 1992 mit einer Änderung des Landwirtschaftsgesetzes und der auf der Grundlage dieses Gesetzes erfolgten Einführung von produktunabhängigen Direktzahlungen eingeleitet. Durch die Reduktion der Preisstützung einerseits und den Ausbau der neuen, nicht produktgebundenen Direktzahlungen andererseits wurde die Trennung von Preis- und Einkommenspolitik konsequent umgesetzt.
Unter dem Titel "Agrarpolitik 2002" wurde die zweite Etappe der Reform der Agrarpolitik eingeleitet, die sich die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit des gesamten Ernährungssektors zum Ziel setzt. Mit ihrer Inkraftsetzung wurde 1999 begonnen. Eine Übergangszeit wurde bis 2002 eingeräumt, so dass die "neue Ordnung" ab 2003 vollumfänglich wirksam werden wird. Diese neue Ordnung ist formal gekennzeichnet durch ein neues Landwirtschaftsgesetz, welches als "Einheitsgesetz" konzipiert ist, in das zahlreiche bisher selbständige Erlasse aus dem Bereich der Landwirtschaft eingegliedert wurden. Es trat am 1. Januar 1999 in Kraft.
Neben der Verwirklichung ökologischer Anliegen und einer allgemeinen Lockerung staatlicher Markteingriffe hat diese Neuorientierung eine vermehrte Trennung von Preis- und Einkommenspolitik zum Ziel.
Angesichts der dargelegten Ausgangslage wurden im Januar 2000 Verhandlungen zwischen Liechtenstein und der Schweiz zum Abschluss einer Vereinbarung aufgenommen, welche am 12. September 2002 abgeschlossen wurden. Durch diese Vereinbarung in Form des gegenständlichen Notenaustausches wird Liechtenstein in das Massnahmensystem der schweizerischen Agrarpolitik eingebunden. Dabei werden die liechtensteinischen Operateure in die
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Massnahmen der schweizerischen Agrarpolitik einbezogen und das Prinzip und der Umfang der Beteiligung Liechtensteins an den Kosten dieser Politik geregelt. Das liechtensteinische Verhandlungsmandat beinhaltete die Festlegung einer Übergangslösung im Bereich der Milchwirtschaft sowie die Beibehaltung der bisher im liechtensteinischen Recht abgedeckten Bereiche.
Im Zentrum der Verhandlungen über die liechtensteinische Beteiligung am schweizerischen Zulagen- und Beihilfesystems stand aus zwei Gründen die Milchwirtschaft: Zum einen ist die Milch bei weitem das wichtigste Produkt der liechtensteinischen Landwirtschaft, zum andern ist das schweizerische Zulagen- und Beihilfesystem innerhalb des Produktes Milch auf die Verarbeitungsstufe Käse und dort zusätzlich auf die Förderung des Käseexports konzentriert. Die schwerpunktmässige Ausrichtung der schweizerischen Förderpolitik auf die Milchwirtschaft und speziell auf Käse ist bezogen auf die Struktur der schweizerischen Landwirtschaft folgerichtig. Die Milchwirtschaft ist, ähnlich wie in Liechtenstein, der wichtigste Bereich. Er ist jedoch, im Unterschied zu Liechtenstein, trotz Kontingentierung ein Sektor, der durch Überschüsse gekennzeichnet ist (man spricht von einem "Milchsee"), die nur über die Verarbeitung zu Käse und dessen Absatz im Ausland abgebaut werden können.
Die liechtensteinische Milchwirtschaft hat in den vergangenen Jahrzehnten einen eigenen Weg beschritten. In Absprache mit der Schweiz hat sich der Milchhof auf die Produktion von Halbfabrikaten (Butterungs- und Industrierahm) sowie von Frischprodukten (Trinkmilch, Joghurt, Kaffeerahm) konzentriert. Andererseits wurden über die Magermilchverwertung Absatzkanäle genutzt, um die Milch mit personell und finanziell vertretbarem Aufwand auf den schweizerischen Markt zu bringen.
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Die Schweiz setzt schon seit Jahren auf eine starke Käseproduktion und versucht zudem den Exportanteil auszubauen, um den Inlandmarkt zu entlasten. Um in vollem Umfang von dem auf die schweizerische milchwirtschaftliche Struktur abgestimmten Zulagen- und Beihilfekonzept profitieren zu können, hätte sich die liechtensteinische Milchwirtschaft schon früher strukturell an die schweizerische anpassen müssen. Da heute in Liechtenstein der Anteil der Käseproduktion gering ist, kann vom schweizerischen Zulagen- und Beihilfekonzept vorerst nur in sehr bescheidenem Masse profitiert werden. Deshalb soll zur Beibehaltung und Verbesserung der Konkurrenzfähigkeit der liechtensteinischen Milchwirtschaft das sog. Konzept der Vorwärtsintegration (vgl. Ziffer 2.7) umgesetzt werden.
Die Verhandlungen zwischen den Bundesbehörden und der liechtensteinischen Delegation waren schwierig. Die Gründe dafür liegen einerseits in der komplexen Thematik und andererseits in den hohen finanziellen Erwartungen der Schweiz an Liechtenstein. Folgende Themenbereiche stellten sich in den Verhandlungen als besonders schwierig heraus: Milchwirtschaft (Aufgabe der liechtensteinischen Butterstützung, Übernahme des schweizerischen Zulagen- und Beihilfensystems, Käseexport, Konzept für die Vorwärtsintegration), Festlegung der Bereiche, in denen Liechtenstein nicht oder nur teilweise partizipiert, Beteiligung an den Verwaltungskosten des Bundesamtes für Landwirtschaft, sowie die Frage, ob das Abkommen als eigenständig oder als Unterabkommen zum Zollvertrag zu sehen ist.
Mit ein Grund für die zähen Verhandlungen war der Umstand, dass der direkte Nutzen für die liechtensteinische Landwirtschaft nicht offensichtlich ist und aus dem Notenaustausch vor allem beträchtliche Mehrkosten resultieren. Die Schwierigkeit lag vor allem darin, den für Liechtenstein resultierenden Nutzen aus dem Zollvertrag realistisch abzubilden. Dies soll hier kurz an einem einfachen Beispiel erläutert werden. Die Zuckerrübenverarbeitung wird vom Bund mit 46.8 Mio. Franken (Rechnung 2000) gefördert, indem die beiden Zuckerfabriken in der
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Schweiz mit einem Leistungsauftrag des Bundes zur Verarbeitung der Zuckerrüben ausgestattet sind. Die liechtensteinischen Zuckerrübenproduzenten lieferten bisher ihre Zuckerrüben ebenfalls an die erwähnten Zuckerfabriken ab und haben so von den durch den Bund geförderten Verarbeitungsstrukturen und somit auch von den Produktepreisen profitiert. Die Absicht des Bundes ist es, dass sich Liechtenstein anteilsmässig an diesen Kosten beteiligt. Für die liechtensteinischen Landwirte ergibt sich aus dem Notenaustausch kein zusätzlicher Nutzen. Die bis anhin kulante und für Liechtenstein kostenlose Gleichbehandlung soll nun mit dem Notenaustausch geregelt und die damit verursachten Kosten verrechnet werden.
LR-Systematik
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0..63.1
LGBl-Nummern
2004 / 003
Landtagssitzungen
20. Dezember 2002