Berichte und Anträge
Regierungskanzlei (RK)
BuA - Nummer
2002 / 133
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Ein­lei­tung
I.Bericht der Regierung
1.Aus­gangs­lage
2.Erläu­te­rungen zum Zusatzprotokoll
3.Ver­fas­sungs­mäs­sig­keit
4.Aus­wir­kungen des Zusatzprotokolls
II.Antrag der Regierung
Grüner Teil
 
Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend das Zusatzprotokoll vom 15. März 1978 zum Europäischen Übereinkommen betreffend Auskünfte über ausländisches Recht  vom 7. Juni 1968
 
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Liechtenstein ist dem Europäischen Übereinkommen vom 7. Juni 1968 betreffend Auskünfte über ausländisches Recht mit Wirkung vom 7. Februar 1973 beigetreten (LGBl. 1972 Nr. 63). Das Übereinkommen sieht die Errichtung eines Systems vor, das den nationalen gerichtlichen Behörden ermöglichen soll, über gewisse Gebiete ausländischen Rechts Auskünfte zu erhalten. Der Anwendungsbereich des Übereinkommens erstreckt sich auf Auskünfte über das Zivil- und Handelsrecht, das Verfahrensrecht auf diesen Gebieten und die nationale Gerichtsverfassung. Es erstreckt sich auch auf das Arbeitsrecht, soweit die Regelung der Arbeit vom Zivilrecht beherrscht wird.
Mit dem Zusatzprotokoll wird der Anwendungsbereich des Übereinkommens um Auskünfte über Strafrecht, Strafverfahrensrecht und die Gerichtsverfassung auf dem Gebiet des Strafrechts sowie über die Vollstreckung und den Vollzug von Strafen erweitert. Es wird klargestellt, dass die Behörden auch bei Übertretungen in jenem Ausmass Auskünfte erteilen und anfordern können, in dem sie nach dem Europäischen Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen (LGBl. 1970 Nr. 30) Rechtshilfe leisten und anfordern können. Weiters ist festgelegt, dass das Ersuchen um Auskünfte nicht nur von einem Gericht, sondern auch von einer anderen "zuständigen" Justizbehörde ausgehen kann, und zwar nicht nur für ein bereits anhängiges Verfahren, sondern schon dann, wenn die Einleitung eines Verfahrens in Aussicht gestellt ist.
Der Zugang zu Auskünften über ausländisches Recht stellt ein wichtiges Mittel zur Erleichterung der internationalen Rechtshilfe dar. Auch die liechtensteinischen Justizbehörden kommen bisweilen in die Lage, Auskünfte über ausländisches Recht für die effiziente Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu benötigen. Gelegentlich werden auch sie von ausländischen Behörden um Auskünfte gebeten. Mit der Ratifikation des Zusatzprotokolls wird die bestehende Praxis auf eine völkerrechtlich anerkannte Basis gestellt. Liechtenstein kann ausserdem die Bereitschaft zum Ausdruck bringen, zu einer Verbesserung der Rechtshilfe, gerade auch in Strafsachen, beizutragen. Die Ratifikation bedingt keine rechtlichen Anpassungen in Liechtenstein.
Zuständige Ressorts
Ressort Äusseres, Ressort Justiz
Zuständige Amtsstelle
Amt für Auswärtige Angelegenheiten
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Vaduz, den 26.11.2002
P
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend das Zusatzprotokoll vom 15. März 1978 zum Europäischen Übereinkommen betreffend Auskünfte über ausländisches Recht vom 7. Juni 1968 zu unterbreiten.
1.Ausgangslage
Das Europäische Übereinkommen betreffend Auskünfte über ausländisches Recht wurde am 7. Juni 1968 für die Mitgliedstaaten des Europarats zur Unterzeichnung aufgelegt und trat am 17. Dezember 1969 in Kraft. Liechtenstein ist dem Übereinkommen mit Wirkung vom 7. Februar 1973 beigetreten (LGBl. 1972 Nr. 63). Von den 44 Mitgliedstaaten des Europarats sind neun (Albanien, Andorra, Armenien, Aserbeidschan, Bosnien, Kroatien, Irland, San Marino und Mazedonien) noch nicht Vertragsparteien des Übereinkommens.
Das Übereinkommen hat einen beschränkten Anwendungsbereich. Gemäss Art. 1 verpflichten sich die Vertragsparteien, "einander ... Auskünfte über ihr Zivil- und Handelsrecht, ihr Verfahrensrecht auf diesen Gebieten und über ihre Gerichtsverfassung zu erteilen". Weiters wird in Art. 4 Abs. 3 bestimmt, dass im Ersuchen auch Auskunft zu Punkten erbeten werden kann, "die andere als die in Art. 1 Abs. 1 angeführten Rechtsge-
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biete betreffen, sofern diese Punkte mit denen im Zusammenhang stehen, auf die sich das Ersuchen in erster Linie bezieht". Abgesehen von dieser Einschränkung bezieht sich das Übereinkommen daher nicht auf den Bereich des Strafrechts.
Nach Art. 3 Abs. 1 des Übereinkommens müssen Auskunftsersuchen stets von einem Gericht bzw. einer gerichtlichen Behörde ausgehen. Art. 3 Abs. 3 bestimmt ferner, dass die Vertragsparteien unter sich die Anwendung des Übereinkommens auf Ersuchen erstrecken können, die von anderen Behörden als von gerichtlichen Behörden ausgehen.
Aufgrund des beschränkten Anwendungsbereichs des Übereinkommens wurde im Strafrechtslenkungsausschuss des Europarats (Comité directeur pour les problèmes criminels, CDPC) von Österreich und Frankreich eine Erweiterung der Bestimmungen des Übereinkommens auf den Strafrechtsbereich vorgeschlagen. Zum damaligen Zeitpunkt enthielt keines der europäischen strafrechtlichen Übereinkommen (Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen, Übereinkommen über die internationale Geltung von Strafurteilen, Übereinkommen über die Übertragung der Strafverfolgung) Bestimmungen über ein allgemeines Verfahren für den Informationsaustausch zwischen den Vertragsparteien im Strafrechtsbereich. Ein solches Verfahren wurde jedoch schon damals insbesondere deswegen als nützlich angesehen, weil mehrere Mitgliedstaaten, wie z.B. Österreich und Frankreich, bestimmte von ihren Staatsangehörigen im Ausland begangene Straftaten unter der Voraussetzung mit Strafe bedrohen, dass die begangenen Handlungen auch nach dem Strafrecht des fremden Staats mit Strafe bedroht sind . In einem solchen Fall ist eine umfassende Kenntnis des ausländischen Strafrechts wesentliche Voraussetzung für das gegebenenfalls einzuleitende Strafverfahren. Die Möglichkeit, dass nationale Behörden ohne weiteres Auskünfte über das ausländische Recht erlangen können, erleichtert zudem ihre Aufgaben erheblich.
Das Zusatzprotokoll zum Übereinkommen wurde anschliessend unter der gemeinsamen Federführung des Strafrechtslenkungsausschusses (CDPC) und des Lenkungsausschusses für rechtliche Zusammenarbeit (Comité directeur pour la coopération juridique, CDCJ) ausgearbeitet.
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Das CDPC stimmte an seiner 25. Sitzung dem Wortlaut zu, der nunmehr in Kapitel I des Zusatzprotokolls in seiner endgültig angenommenen Fassung enthalten ist. Der Ausschuss entschied sich für eine multilaterale Vereinbarung zur Erweiterung des Übereinkommens von 1968 mit dem Vorteil, dass eine Vielzahl von Verträgen vermieden und eine einheitliche Regelung der Grundsatzprobleme ermöglicht wurde.
Auf Vorschlag von Norwegen beschloss das CDCJ im Juli 1976 die Prüfung der Frage, ob der Anwendungsbereich des Übereinkommens nicht auch erweitert werden solle, um Ersuchen zu ermöglichen, die ausserhalb gerichtlicher Verfahren und durch andere Behörden als Gerichte gestellt werden. Diese Frage wurde dem Sachverständigenausschuss für wirtschaftliche und andere Hindernisse bei zivilrechtlichen Verfahren überwiesen. Dieser erarbeitete dementsprechend den Entwurf eines Zusatzprotokolls zum Übereinkommen unter Einbezug des bereits vom CDPC beschlossenen Wortlauts. Dieser Entwurf wurde dem CDCJ vorgelegt, der ihn Sitzung im Juni/Juli 1977 billigte.
Das Zusatzprotokoll wurde am 13. Februar 1978 für diejenigen Staaten zur Unterzeichnung aufgelegt, die das Europäische Übereinkommen betreffend Auskünfte über ausländisches Recht unterzeichnet hatten. Es trat am 31. August 1978 in Kraft. 30 Mitgliedstaaten des Europarats haben es ratifiziert (darunter die Schweiz und Österreich), drei weitere haben es unterzeichnet. Zudem ist auch ein Nichtmitgliedstaat des Europarats, Weissrussland, dem Zusatzprotokoll beigetreten. Die Regierung hat beschlossen, das Zusatzprotokoll noch vor der Ratifikation zu unterzeichnen, weil dies gemäss dessen Art. 6 notwendig ist.
LR-Systematik
0..2
0..27
0..27.4
LGBl-Nummern
2003 / 169
Landtagssitzungen
13. März 2003
Stichwörter
Aus­künfte, über aus­län­di­sches Recht, Übereinkommen
Euro­päi­sches Übe­rein­kommen, Aus­künfte über aus­län­di­sches Recht
Recht, aus­län­di­sches, euro­päi­sches Übereinkommen