Berichte und Anträge
Regierungskanzlei (RK)
BuA - Nummer
2002 / 21
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Ein­lei­tung
I.Bericht der Regierung
1.Aus­gangs­lage
2.Not­wen­dig­keit der Vorlage
3.Stel­lung­nahme des liech­tens­tei­ni­schen Bankenverbandes
4.Ver­fas­sungs­mäs­sig­keit
5.Finan­zi­elle und per­so­nelle Auswirkungen
II.Antrag der Regierung
III.Regie­rungs­vor­lage
Grüner Teil
 
Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend die Abänderung des Bankengesetzes
(Streichung von Art. 16 Abs. 3 Satz 3 des Bankengesetzes)
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Mit Schreiben vom 15. Februar 1999 forderte die EFTA Überwachungsbehörde (ESA) Liechtenstein auf, Informationen über die Auslegung und Anwendung der Bestimmung in Art. 16 Abs. 3 Satz 3 des Bankengesetzes1 zur Verfügung zu stellen.
Die gewünschten Informationen wurden mit Schreiben vom 30. März 1999 übermittelt. Es folgte seitens der ESA am 23. Oktober 2000 ein "Letter of Formal Notice", in welchem die ESA feststellte, dass Liechtenstein durch Art. 16 Abs. 3 Satz 3 gegen seine aus Art. 31, 34 und 40 des EWR-Abkommens resultierenden Verpflichtungen und somit gegen die Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften und die Kapitalverkehrsfreiheit verstosse. Den "Letter of Formal Notice" beantwortete Liechtenstein mit Schreiben vom 19. April 2001 und wies die Schlussfolgerungen der ESA, dass zur Niederlassungsfreiheit von Banken und Finanzgesellschaften auch die freie Wahl des Namens gehöre, zurück.
Diese Problematik wurde auch im April 1999 sowie im Mai 2000 zwischen der ESA und Liechtenstein im Rahmen der jährlich stattfindenden Package Meetings diskutiert. Liechtenstein hielt der ESA gegenüber zunächst an seinem Standpunkt fest, dass durch Art. 16 Abs. 3 Satz 3 des Bankengesetzes keine Verletzung des EWR-Abkommens bewirkt werde, sondern dass dessen Inhalt aus objektiver Sicht gerechtfertigt und verhältnismässig sei und den spezifischen Verhältnissen des liechtensteinischen Finanzplatzes Rechnung trage.
Die ESA konnte letztlich jedoch nicht von der Position Liechtensteins überzeugt werden und drohte eine "Reasoned Opinion" (RDO, Begründete Stellungnahme) an, welche der letzte Schritt im Vertragsverletzungsverfahren vor Erhebung einer
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Klage beim EFTA-Gerichtshof ist. Am 20. Dezember 2001 stellte die ESA Liechtenstein die angedrohte "Reasoned Opinion" zu. Im Falle einer Klageerhebung wird eine Verurteilung Liechtensteins als sicher erachtet. Die Regierung schlägt deshalb vor, eine Änderung des Art. 16 des Bankengesetzes vorzunehmen, um den Bedenken der ESA Rechnung zu tragen.
Ursprünglich war die Absicht, Art. 16 Abs. 3 Satz 3 des Bankengesetzes im Rahmen der bereits im Gange befindlichen Revision des Bankengesetzes entsprechend anzupassen. Bei der erwähnten Bankengesetzrevision handelt es sich allerdings um ein komplexes Umsetzungsvorhaben, welches drei EU-Richtlinien umfasst, deren jeweilige Umsetzung starke Wechselwirkungen mit zwei weiteren Richtlinien aufweist. Aufgrund der Komplexität der Bankengesetzrevision ergaben sich erhebliche Verzögerungen im Umsetzungsprozess und der der ESA ursprünglich mitgeteilte Zeitplan für die Umsetzung konnte nicht eingehalten werden.
Um eine Verurteilung durch den EFTA-Gerichtshof wegen nicht zeitgerechter Änderung von Art. 16 des Bankengesetzes zu vermeiden, beantragt die Regierung die Teilrevision des Bankengesetzes hinsichtlich Art. 16 des Bankengesetzes vorzuziehen und Art. 16 Abs. 3 Satz 3 ersatzlos zu streichen.
Zuständiges Ressort
Ressort Finanzen
Betroffene Amtsstellen
Amt für Finanzdienstleistungen, Stabsstelle EWR
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Vaduz, 20. März 2002
P
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag zur Abänderung (Teilrevision) des Gesetzes über die Banken und Finanzgesellschaften (Bankengesetz), LGBl. 1992 Nr. 108, in der geltenden Fassung, zu unterbreiten.



 
1Art. 16 Abs. 3 Satz 3 des Bankengesetzes lautet: "Banken und Finanzgesellschaften, bei welchen ein beherrschender ausländischer Einfluss besteht, dürfen in ihrer Firma nicht auf einen liechtensteinischen Charakter hinweisen oder einen solchen vortäuschen."
 
1.Ausgangslage
Die Bestimmungen von Art. 16 Abs. 3 des Bankengesetzes wurden im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens vom Landtag im Jahre 1998 anlässlich der 2. Lesung der damaligen Bankengesetzrevision in den Gesetzestext aufgenommen2.
Die EFTA Surveillance Authority (ESA) bemängelte, dass Art. 16 Abs. 3 Satz 3 des Bankengesetzes gegen Art. 31, 34 und 40 des EWR-Abkommens verstosse.
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Die die Niederlassungsfreiheit regelnden Bestimmungen von Art. 31 und 34 des EWR-Abkommens beinhalten nach Ansicht der ESA u.a. auch das Recht juristischer Personen, eine Firmenbezeichnung auszuwählen, die für die Vermarktung ihrer Dienstleistungen angemessen bzw. zweckmässig ist. Dies schliesse das Recht mit ein, den im Heimatstaat verwendeten Namen selbst bei Vorliegen eines beherrschenden ausländischen Einflusses (auch) in Liechtenstein verwenden zu können. Die ESA stellte insofern einen Verstoss gegen die Niederlassungsfreiheit fest.
Weiters bemängelte die ESA die Bestimmung, dass eine Bank oder Finanzgesellschaft, welche unter einem beherrschenden ausländischen Einfluss steht, gemäss Art. 16 Abs. 3 Satz 3 des Bankengesetzes in ihrer Firmenbezeichnung nicht auf einen liechtensteinischen Charakter hinweisen dürfe. Dies wurde als diskriminierend angesehen, da dies nach Auffassung der ESA ausländische Banken bzw. Finanzgesellschaften, die unter beherrschendem ausländischen Einfluss stehen, daran hindern könne, sich in Liechtenstein niederzulassen. Ausserdem ist es nach Ansicht der ESA im Falle eines späteren Eintretens einer ausländischen Beherrschung aufgrund dieser Bestimmung möglich, dass die betreffende Bank bzw. Finanzgesellschaft u.U. gezwungen sein könnte, ihre Firmenbezeichnung zu ändern.
Die Bestimmung in Art. 16 Abs. 3 Satz 3 des Bankengesetzes wurde von der ESA deshalb als Verstoss gegen die Niederlassungsfreiheit qualifiziert. Die von Liechtenstein in diesem Zusammenhang vorgebrachten rechtfertigenden Argumente wurden nicht akzeptiert.
Nachstehende Argumente für eine Beibehaltung von Art. 16 Abs. 3 Satz 3 des Bankengesetzes wurden von Liechtenstein angeführt:
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1.
Liechtenstein stützte seinen Standpunkt u.a. auf Artikel 5 der Richtlinie 77/780/EWG (Erste Bankenrechtsrichtlinie): "Die Kreditinstitute können für die Ausübung ihrer Tätigkeit in dem Gebiet der Gemeinschaft, ungeachtet der Vorschriften über die Verwendung der Worte "Bank", "Sparkasse" oder anderer im Aufnahmeland bestehender ähnlicher Bezeichnungen, denselben Namen verwenden wie in ihrem Sitzland. Besteht die Gefahr einer Verwechslung, so können die Aufnahmeländer der Klarheit wegen einen erläuternden Zusatz zu der Bezeichnung vorschreiben." Der Sinn und Zweck der Bestimmung von Art. 16 Abs. 3 Satz 3 des Bankengesetzes wurde damit begründet, dass durch diese Formulierung (im öffentlichen Interesse) eine Verwechslungsgefahr für die Bankkunden vermieden werden könne.
 
2.
 
Weiters führte Liechtenstein an, dass Art. 16 Abs. 3 Satz 3 des Bankengesetzes in Zusammenhang mit Art. 972 Abs. 1 des Liechtensteinischen Personen- und Gesellschaftsrechts (PGR), LGBl. 1926 Nr. 4, in der geltenden Fassung, zu sehen sei und die dieser Bestimmung immanenten Grundsätze der Firmenwahrheit sowie der Firmenklarheit bei der Eintragung in das Öffentlichkeitsregister widerspiegle: "Alle Eintragungen müssen, soweit das Gesetz selber nicht eine Ausnahme zulässt, wahr sein, dürfen zu keinen Täuschungen Anlass geben und keinem öffentlichen Interesse widersprechen." Liechtenstein betonte somit, dass ein öffentliches Interesse an der Beibehaltung von Art. 16 Abs. 3 Satz 3 des Bankengesetzes bestehe.
 
3.
 
Aus liechtensteinischer Sicht wurde daran festgehalten, dass ausländische juristische und natürliche Personen zwar das Recht hätten, in Liechtenstein Banken zu gründen, jedoch Liechtenstein nach wie vor das Recht habe, auf Grundlage der entsprechenden Normen über die Firmenbezeichnung dieser Banken zu entscheiden, da dieser Aspekt nicht vom EWR-Abkommen umfasst sei. Die Bestimmung des Art. 16 Abs. 3 Satz 3 des Bankengesetzes sei durch die Kleinheit des Finanzplatzes zu rechtfertigen, denn sie verhindere eine Verwechslung seitens der Bankkunden und diene somit der öffentlichen Ordnung und dem Allgemeininteresse. Somit sei keine Verletzung der Kapitalverkehrsfreiheit gegeben.
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4.
 
Liechtenstein stellte sich weiters auf den Standpunkt, dass durch Art. 16 Abs. 3 Satz 3 des Bankengesetzes auch deshalb keine Verletzung der Kapitalverkehrsfreiheit erfolge, weil diese Bestimmung keinerlei Einfluss auf die Investitionsmöglichkeiten an sich habe. Es sei vielmehr so, dass die Kunden sich für eine Bank aufgrund eines Kostenvergleichs und aufgrund der Qualität der angebotenen Dienstleistungen entscheiden würden. Der Name der Bank sei im Zusammenhang mit der Entscheidung für eine bestimmte Bank nicht ausschlaggebend.
Trotz dieser Argumentation erachtete die ESA keinen der in Art. 33 des EWR-Abkommens angeführten Rechtfertigungsgründe als gegeben (öffentliche Ordnung, Sicherheit, Gesundheit).
Im Hinblick auf die in Art. 40 des EWR-Abkommens statuierte Kapitalverkehrsfreiheit wurde seitens der ESA festgestellt, dass Art. 16 Abs. 3 Satz 3 des Bankengesetzes eine Beschränkung der Wahl der Firmenbezeichnung darstelle und daher potenziell geeignet sei, natürliche und juristische Personen aus anderen EWR-Mitgliedstaaten daran zu hindern, in liechtensteinische Banken bzw. Finanzgesellschaften zu investieren. Dies beurteilte die ESA als eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit und als Verstoss gegen Artikel 1 der Richtlinie 88/361/EWG4 (siehe Beilage).
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Insgesamt stellte die ESA somit fest, dass die Bestimmung von Art. 16 Abs. 3 Satz 3 des Bankengesetzes in nicht zu rechtfertigender Weise sowohl gegen die Niederlassungsfreiheit gemäss Art. 31 und 34 des EWR-Abkommens als auch gegen die Kapitalverkehrsfreiheit gemäss Art. 40 des EWR-Abkommens verstosse.



 
2Siehe hierzu den Bericht und Antrag der Regierung vom 3. Februar 1998 betreffend die Abänderung des Bankengesetzes (Nr. 6/1998), die Stellungnahme der Regierung vom 22. September 1998 zu den in der ersten Lesung aufgeworfenen Fragen (Nr. 97/1998) und die zugehörigen Landtagsprotokolle: Protokoll vom 2. April 1998 - Abänderung des Bankengesetzes (Nr. 6/1998), 1. Lesung; Protokoll vom 19. November 1998 - Abänderung des Bankengesetzes (Nr. 6/1998), 2. Lesung.
 
4Richtlinie 88/361/EWG des Rates vom 24. Juni 1988 zur Durchführung von Artikel 67 des Vertrages, Amtsblatt Nr. L 178 vom 8. Juli 1988, Seite 5 - 18.
 
LR-Systematik
9
95
952
LGBl-Nummern
2002 / 089
Landtagssitzungen
15. Mai 2002
18. April 2002
Stichwörter
Bank, Firmenbezeichnung
Ban­ken­ge­setz, Abänderung
Ban­ken­ge­setz, Strei­chung von Art. 16 Abs. 3 Satz 3
BankG, Abänderung
Fir­men­be­zeich­nung, Bank