Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
zur Neufassung des Gewässerschutzgesetzes (GSchG)
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Unsere Oberflächengewässer und das für die Trinkwasserversorgung unentbehrliche Grund- und Quellwasser müssen gegen nachteilige Einflüsse geschützt werden. Ihre Qualität ist ständig bedroht durch:
Verunreinigungen mit Abwasser aus Siedlungen, Gewerbe und Industrie;
Aus- und Abschwemmung bedenklicher Stoffe, z.B. Gülle aus der Landwirtschaft;
Unfälle und unsachgemässen Umgang mit wassergefährdenden Stoffen.
Aber auch andere Eingriffe, wie die übermässige Ableitung von Wasser zur Stromproduktion, das Zuschütten und Eindolen von Gewässern bei Bauvorhaben und das künstliche Absenken des Grundwasserspiegels, gefährden unsere Wasservorkommen.
Die Gesetzesvorlage soll das geltende Gesetz aus dem Jahre 1957 ablösen und unsere Gewässer umfassend als Trink- und Brauchwasserquellen, als Lebens- und Erholungsraum für Menschen, Tiere und Pflanzen sowie als Element der Landschaft schützen.
Im Einzelnen bringt die Gesetzesvorlage folgende Neuerungen:
1. | Sie bietet einen umfassenden Schutz für die freifliessenden, naturnahen Gewässer: Sie verbietet, Gewässer einzudolen, und schreibt konkret vor, wie Verbauungen zum Schutz gegen Hochwasser umweltverträglich vorzunehmen sind. |
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2. | Sie garantiert Mindestrestwassermengen: In jedem Gewässer muss Wasser fliessen. Die Wasserkraftwerke dürfen für die Stromgewinnung kein Gewässer vollständig ableiten und damit trockenlegen. Die neuen Vorschriften tragen in jedem Fall den Schutz- sowie den Nutzungsinteressen an Gewässern Rechnung und sehen auch die Sanierung ungenügender Wasserführung bei bestehenden Wasserkraftanlagen vor. Die freie Fischwanderung muss gewährleistet sein. |
3. | Sie setzt beim qualitativen Gewässerschutz neue Schwerpunkte: Durch die Verbesserung des Betriebes von Kläranlagen lassen sich mehr Schadstoffe aus dem Abwasser entfernen. Die Elimination von Verunreinigungen am Ort des Anfalls steht im Vordergrund. Industrie und Gewerbe müssen ihre Produktionsprozesse derart optimieren, dass bei günstigem Energiebedarf der Anfall an gefährlichen Stoffen im Abwasser gesamthaft möglichst gering ist. |
4. | Sie verstärkt den Gewässerschutz in der Landwirtschaft: Sie legt fest, wie viel Gülle ausgebracht werden darf, und begrenzt die Nutztierzahl pro Hektare auf drei Düngergrossvieheinheiten. |
5. | Sie führt zu einem natürlichen Wasserkreislauf: Die Vorlage verlangt das Versickern unverschmutzten Abwassers. Sie verbietet die Übernutzung der Grundwasservorkommen und schränkt die Auswirkungen der zunehmenden Versiegelung der Landschaft ein. |
6. | Mehr Sicherheit bei Katastrophen: Die Vorlage dehnt die strengen Öltankvorschriften auf alle wassergefährdenden Stoffe aus. Angesprochen ist insbesondere auch Löschwasser bei Brandfällen. |
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7. | Sie führt das Verursacherprinzip ein und konkretisiert es: Die Vorlage bestimmt, dass von den Gemeinden, welche für die Finanzierung der Abwasserentsorgung zuständig sind, verursachergerechte Gebühren eingehoben werden. |
Die Gesetzesvorlage ist Grundlage für einen integralen Gewässerschutz. Sie betrachtet die Gewässer als Ganzes, als Lebensraum und als Landschaftselement.
Wo im Bericht und Antrag Artikel mit der Bezeichnung "neu" versehen sind, handelt es sich um die Artikelnummern gemäss der Regierungsvorlage Nr. 37/2002. Der Vermerk "alt" nimmt Bezug auf die Artikelnummern der Regierungsvorlage Nr. 9/2001 (nachstehend bezeichnet als Vernehmlassungsvorlage).
Zuständiges Ressort
Ressort Umwelt, Raum, Land- und Waldwirtschaft
Betroffene Amtsstellen
Amt für Umweltschutz
Amt für Wald, Natur und Landschaft
Landwirtschaftsamt
Tiefbauamt
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Vaduz, den 24. April 2002
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag über die Neufassung des Gewässerschutzgesetzes zu unterbreiten.
Die ab dem Zweiten Weltkrieg zunehmenden Einleitungen von Abwässern aus Industrie, Gewerbe und Haushaltungen führten zu Gewässerverschmutzungen, die das erträgliche Mass bei weitem überschritten. Gewässeruntersuchungen, wie auch Fischsterben, wiesen deutlich auf die gravierenden Missstände hin. Dies war der Anlass zur Inkraftsetzung des derzeit noch gültigen Gesetzes vom 4. Juni 1957 über den Schutz der Gewässer gegen Verunreinigung (Gewässerschutzgesetz), LGBl. 1957 Nr. 14. Auf der Grundlage dieses Gesetzes wurde die Sanierung der verschmutzten Gewässer, vor allem durch den Bau von Kanalisationen und Kläranlagen sowohl in den Gemeinden wie auch in verschiedenen Industriebetrieben, in Angriff genommen. Zur Abwasserentsorgung kamen auch Massnahmen, die dem Schutz der Gewässer bei der Lagerung und dem Transport von wassergefährdenden Flüssigkeiten, insbesondere Öl und Benzin, dienten. Ebenfalls wichtig
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waren der Aufbau einer wirksamen Öl- und Chemiewehr sowie Massnahmen zur umweltgerechten Entsorgung fester Abfälle, die früher grösstenteils in Deponien abgelagert wurden und dadurch zu einer Gefährdung des Grundwassers führen konnten.
Schon im Namen des bestehenden Gewässerschutzgesetzes "Gesetz über den Schutz der Gewässer gegen Verunreinigung" kommt zum Ausdruck, dass sich dieses Gesetz hauptsächlich mit der Reinhaltung der Gewässer befasst.
1976 wurde das Gewässerschutzgesetz ergänzt, um zum Schutze des Grund- und Quellwassers Wasserschutzgebiete festlegen zu können. In Wasserschutzgebieten können bestimmte Handlungen, wie die Einrichtung von Deponien und die weitere Ausdehnung von Siedlungen oder Grabarbeiten unterhalb des Grundwasserspiegels, verboten werden. Dies erfolgte für das Grundwasser entlang des Rheins mit Verordnung vom 20. September 1988, LGBl. 1988 Nr. 60.
Von diesem Gesetz nicht berührt sind gemäss Art. 5 die landwirtschaftliche und gärtnerische Bewirtschaftung des Bodens, die rationelle Düngung und die Anwendung von Mitteln zur Bekämpfung von tierischen und pflanzlichen Schädlingen.
Ebenfalls nicht berücksichtigt ist die grosse Bedeutung der Gewässer und ihrer unmittelbaren Umgebung als natürliche Lebensräume für viele, auch selten gewordene Tier- und Pflanzenarten. Durch technische Eingriffe ins Gewässersystem wurde insbesondere ab Mitte des letzten Jahrhunderts zum Zwecke des Hochwasserschutzes und der Talbodenentwässerung stark in den natürlichen Wasserhaushalt eingegriffen, wodurch die Gewässer ökologisch verarmten.
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Zusätzlichen Schutz erhielten die Gewässer 1976 auch durch das Wasserrechtsgesetz
1. Die Fliessgewässer, das Grundwasser sowie die grösseren Quellen wurden zu öffentlichen Gewässern erklärt. Die über den Gemeingebrauch hinausgehende Nutzung der Gewässer wurde geregelt bzw. konzessionspflichtig gemacht. Dabei kann die Konzession, sofern die Erhaltung des Gewässers oder der Naturschutz und die Landschaftspflege es erfordern, an Bedingungen geknüpft oder ganz verweigert werden.
Dem Schutz der Gewässer als Lebensraum für die einheimische Tier- und Pflanzenwelt wurde mit dem Fischereigesetz
2 bereits teilweise Rechnung getragen. Bestimmungen zum Schutz der Gewässer finden sich auch im Abfallgesetz
3. Dies gilt insbesondere für die Regelung der Deponierung von Abfällen. Das Bodenschutzgesetz
4 und die Stoffverordnung
5 enthalten gewässerschutzrelevante Bestimmungen bezüglich der Landwirtschaft. Im Luftreinhaltegesetz
6, im Waldgesetz
7 und im Gesetz zum Schutz von Natur und Landschaft
8 finden sich ebenfalls flankierende Gewässerschutzmassnahmen. Im Baugesetz
9 ist der Gewässerabstand bei Bauten festgelegt.
Mit der bestehenden Gewässerschutzgesetzgebung konnte ein wesentlicher Teil des Gewässerschutzes, nämlich die Wasserreinhaltung, bereits weitgehend gesichert werden. Im Zeitraum von 1960 bis heute wurden für den Bau von Kanalisationen und Kläranlagen rund 250 Mio. Franken investiert. Der Betriebsaufwand
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hierfür beläuft sich heute auf rund 3 Mio. Franken pro Jahr. Durch diese Anstrengungen hat sich der Zustand unserer Gewässer sicht- und messbar verbessert. Ein deutlicher Erfolgsausweis dieser Reinhaltemassnahmen, die zum Schutz des Bodensees regional koordiniert wurden, stellt der gesunkene Phosphatgehalt des Bodenseewassers dar. Diese Qualitätsverbesserung der Fliessgewässer zeigt sich auch darin, dass wieder verstärkt die Naturverlaichung der Fische festgestellt werden kann und die empfindliche Aesche, die im Binnenkanal ganz verschwunden war, wieder aufkommt.
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1 | Wasserrechtsgesetz vom 10. November 1976, LGBl. 1976 Nr. 69. |
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2 | Fischereigesetz vom 16. Mai 1990, LGBl. 1990 Nr. 44. |
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3 | Gesetz über die Vermeidung und Entsorgung von Abfällen vom 6. April 1988, LGBl. 1988 Nr. 15. |
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4 | Bodenschutzgesetz vom 16. Mai 1990, LGBl. 1990 Nr. 45. |
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5 | Verordnung vom 9. Juni 1986 über umweltgefährdende Stoffe (SR 814.013), LGBl. 2001 Nr. 67. |
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6 | Luftreinhaltegesetz vom 20. November 1985, LGBl. 1986 Nr. 3. |
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7 | Waldgesetz vom 25. März 1991, LGBl. 1991 Nr. 42. |
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8 | Gesetz vom 23. Mai 1996 zum Schutz von Natur und Landschaft, LGBl. 1996 Nr. 117. |
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9 | Baugesetz vom 10.9.1947, LGBl. 1947 Nr. 44, in der Fassung vom 25.10.2000, LGBl. 2000 Nr. 246. |
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