Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend die Schaffung des Gesetzes über die Vergabe öffentlicher Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor (Gesetz über das Öffentliche Auftragswesen im Bereich der Sektoren, ÖAWSG) und die Abänderung des Beschwerdekommissionsgesetzes
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Mit dem Gesetz über die Vergabe öffentlicher Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge (Gesetz über das Öffentliche Auftragswesen, ÖAWG), LGBl. 1998 Nr. 135, und der dazu erlassenen Verordnung zum Gesetz über das Öffentliche Auftragswesen, ÖAWV, LGBl. 1998 Nr. 189, in der geltenden Fassung, sowie der Kundmachung der Schwellenwerte nach dem EWR-Abkommen und WTO-Übereinkommen, LGBl. 2004 Nr. 91, wurden die folgenden Richtlinien der Europäischen Union in nationales Recht umgesetzt:
Baurichtlinie 93/37/EWG;
Lieferrichtlinie 93/36/EWG;
Dienstleistungsrichtlinie 92/50/EWG;
Sektorenrichtlinie 93/38/EWG;
Rechtsmittelrichtlinie 89/665/EWG;
Sektoren Rechtsmittelrichtlinie 92/13/EWG;
Richtlinie 97/52/EG zur Änderung der Bau-, Liefer- und Dienstleistungsrichtlinien 93/37/EWG, 93/36/EWG und 92/50/EWG;
Richtlinie 98/4/EG zur Änderung der Sektorenrichtlinie 93/38/EWG.
Die Überwachungsbehörde der EFTA, die ESA, hat bei der Überprüfung der nationalen Bestimmungen mit den entsprechenden Richtlinien festgestellt, dass die Umsetzung nicht vollständig erfolgt ist. Damals sah man von einer kompletten Umsetzung der Richtlinien ab, da einige Bestimmungen in der Praxis keine Relevanz erlangen in Liechtenstein. Diese Argumentation wird von der ESA nicht akzeptiert, da diese Bestimmungen zukünftig einmal massgebend sein könnten. Den grössten Umsetzungsmangel sieht die ESA im Bereich der Sektorenrichtlinie. Von der Sektorenrichtlinie sind Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor erfasst, wie beispielsweise die Wasserversorgung Liechtensteiner Unterland WLU, die Liechtensteinischen Kraftwerke LKW, die Lie-Comtel AG, die Liechtensteinische Gasversorgung LGV, die Liechtenstein Busanstalt LBA und die Liechtenstein TeleNet AG LTN.
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Damit das bestehende Gesetz nicht unnötig mit Sektorenbestimmungen ergänzt werden muss, welche für die anderen Auftraggeber keine Relevanz haben und die Lesbarkeit sowie die Übersicht zusätzlich erschweren würde, hat sich die Regierung dazu entschlossen, dem Landtag die Schaffung eines neuen Gesetzes für die Sektoren mittels dieses Berichtes und Antrages in Vorschlag zu bringen. Mit der Schaffung eines neuen Gesetzes über das Öffentliche Auftragswesen im Bereich der Sektoren sollen die nötigen Anpassungen an die Richtlinien und an die Erfahrungen aus der Praxis vorgenommen werden. Die Vorlage enthält die folgenden Schwerpunkte:
Gemeinsame Projekte von öffentlichen und privaten Auftraggebern sind ab einer finanziellen Beteiligung von 50 % und mehr dem Gesetz unterstellt;
Verlagerung von Detailbestimmungen, wie beispielsweise Inhalt der Ausschreibungsunterlagen, in die Verordnung;
Definition des Verfahrensablaufes bei nicht offen Verfahren und bei Verhandlungsverfahren;
Eindeutige Gliederung und Unterscheidung zwischen den Begriffen: Offertöffnung, Eignungsprüfung und Offertprüfung;
Definition von zwei Vergabegrundsätzen gemäss den Richtlinienbestimmungen: die wirtschaftlich günstigste Offerte oder die Offerte mit dem niedrigsten Preis;
Aufnahme von zusätzlichen Zuschlagkriterien, wie Qualität, Anzahl der Mitarbeiter, Qualifikation der Mitarbeiter, Qualitätssicherungsmassnahmen und Lehrlingsausbildung;
Mit der Abänderung des Beschwerdekommissionsgesetzes werden Beschwerden gegen Entscheidungen oder Verfügungen von Auftraggebern - mit Ausnahme von Entscheidungen oder Verfügungen der Regierung - nicht mehr von der Regierung sondern von der Beschwerdekommission für Verwaltungsangelegenheiten behandelt;
Die konkret anfechtbaren Verfügungen werden detailliert aufgeführt;
Schwere Verletzungen gegen die Bestimmungen des Gesetzes führen zum Entzug von Subventionen. Eine Beschwerde dagegen ist möglich.
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Zuständiges Ressort
Ressort Präsidium
Betroffene Amtstellen
Insbesondere Hochbauamt, Tiefbauamt, Amt für Wald Natur und Landschaft, Schulamt, Landespolizei, Amt für Personal und Organisation, Stabsstelle öffentliches Auftragswesen (Federführung)
Finanzielle und Personelle Auswirkungen
Aufgrund der Inkraftsetzung dieses Gesetzes ist nach dem aktuellen Wissensstand mit keinen personellen Auswirkungen zu rechnen. Der Mehraufwand für den Entzug von Subventionen bei Verstössen gegen die gesetzlichen Bestimmungen lässt sich nur schwer abschätzen. Die Regierung geht davon aus, dass dieser Mehraufwand mit dem bestehenden Personal bewältigt wird. Ein finanzieller Mehraufwand entsteht durch die Bearbeitung von Beschwerden durch die Beschwerdekommission für Verwaltungsangelegenheiten. Dieser Mehraufwand ist von der Anzahl Fälle abhängig und kann entsprechend variieren. In den vergangenen Jahren war im Bereich der Sektoren insgesamt nur ein Fall zu behandeln. Pro Fall ist mit durchschnittlich Kosten von etwa CHF 2'500.-- zu rechnen.
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Vaduz, 16. November 2004
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend die Schaffung des Gesetzes über die Vergabe öffentlicher Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge im Bereich der Sektoren (Gesetz über das Öffentliche Auftragswesen im Bereich der Sektoren, ÖAWSG), und die Abänderung des Beschwerdekommissionsgesetzes vom 25. Oktober 2000, LGBl. 2000 Nr. 248, in der geltenden Fassung, zu unterbreiten.
Mit dem Gesetz vom 19. Juni 1998 über die Vergabe öffentlicher Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge (Gesetz über das Öffentliche Auftragswesen; ÖAWG), LGBl. 1998 Nr. 135, und der Verordnung vom 3. November 1998 über die Vergabe öffentlicher Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge (Verordnung über das Öffentliche Auftragswesen; ÖAWV), LGBl. 1998 Nr. 189, in der Fassung LGBl. 2003 Nr. 78, sowie der Kundmachung der Schwellenwerte nach dem Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWRA) und nach dem Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen vom 30. März 2004
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(WTO-Übereinkommen), LGBl. 2004 Nr. 91, wurden die folgenden EWR-Richtlinien umgesetzt:
Richtlinie 93/37/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge (im Folgenden "Baurichtlinie" genannt);
Richtlinie 93/36/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge (im Folgenden "Lieferrichtlinie" genannt);
Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge (im Folgenden "Dienstleistungsrichtlinie" genannt);
Richtlinie 93/38/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 zur Koordinierung der Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor (im Folgenden "Sektorenrichtlinie" genannt);
Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge (im Folgenden "Rechtsmittelrichtlinie" genannt);
Richtlinie 92/13/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Gemeinschaftsvorschriften über die Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor (im Folgenden "Sektoren Rechtsmittelrichtlinie" genannt);
Richtlinie 97/52/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 13. Oktober 1997 zur Änderung der Richtlinien 92/50/EWG, 93/36/EWG und 93/37/EWG über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungs-, Liefer- und Bauaufträge;
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Richtlinie 98/4/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 16. Februar 1998 zur Änderung der Richtlinie 93/38/EWG zur Koordinierung der Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor.
Die Überwachungsbehörde der EFTA, die ESA, hat in der Folge das ÖAWG, die ÖAWV sowie die Kundmachung der Schwellenwerte dahingehend überprüft, ob damit die oben erwähnten EWR-Richtlinien vollständig umgesetzt wurden.
Die Überprüfung hat ergeben, dass die Umsetzung nicht vollständig erfolgt ist, d.h. dass einige Richtlinienbestimmungen nicht oder nicht genau umgesetzt wurden. Liechtenstein wurde sodann aufgefordert, die Richtlinienbestimmungen vollständig umzusetzen.
Liechtenstein hat damals von der Umsetzung eines Teils der EWR-Richtlinien abgesehen, da es diese Bestimmungen für Liechtenstein als nicht relevant qualifizierte. Die ESA akzeptierte diese Begründung nicht. Sie ist der Auffassung, dass EWR-Richtlinien vollständig umzusetzen sind, unabhängig davon, ob sie nach derzeitiger Situation eines Landes Relevanz haben oder nicht. Schliesslich könne sich die Situation eines Landes ändern und bisher nicht relevante Bestimmungen könnten Bedeutung erlangen.
Einen grösseren Umsetzungsmangel erkannte die ESA bezüglich der Umsetzung der Sektorenrichtlinie. Würden die noch umzusetzenden Bestimmungen der Sektorenrichtlinie in das bestehende Gesetz und die Verordnung eingebaut, würden diese sehr unübersichtlich und schwer leserlich. Bereits das bestehende Gesetz und die Verordnung werden vom Personenkreis, auf den sie Anwendung finden, teils als schwer verständlich angesehen. Mit der gegenständlichen Regierungsvorlage wird nun für die "Sektorenbestimmungen" ein separates Gesetz in Vorschlag gebracht. Es werden die folgenden Richtlinien umgesetzt:
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Richtlinie 93/38/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 zur Koordinierung der Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor (im Folgenden "Sektorenrichtlinie" genannt);
Richtlinie 98/4/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 16. Februar 1998 zur Änderung der Richtlinie 93/38/EWG zur Koordinierung der Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor;
Richtlinie 92/13/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Gemeinschaftsvorschriften über die Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor (im Folgenden "Sektoren Rechtsmittelrichtlinie" genannt).
Die "Sektorenbestimmungen" im bestehenden ÖAWG werden dementsprechend gelöscht. Die bisher nicht oder nur unvollständig umgesetzten Richtlinienbestimmungen werden anhand der Vorschläge der ESA übernommen. Im Weiteren werden auch Anpassungen an die Erfahrungen aus der Praxis in Vorschlag gebracht.
Mit der Abänderung des Beschwerdekommissionsgesetzes sollen zukünftige Beschwerden - mit Ausnahme von Entscheidungen oder Verfügungen der Regierung - nicht mehr von der Regierung, sondern von der Beschwerdekommission für Verwaltungsangelegenheiten beurteilt werden.