Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend die Abänderung des Personen- und Gesellschaftsrechtes (PGR) und des Steuergesetzes
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Der Anlass für die Vorlage bzw. deren Notwendigkeit ergibt sich aus der Richtlinie 2001/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. September 2001 zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG, 83/349/EWG und 86/635/EWG des Rates im Hinblick auf die im Jahresabschluss bzw. konsolidierten Abschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen und von Banken und anderen Finanzinstituten zulässigen Wertansätze sowie aus der Richtlinie 2003/51/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2003 zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG, 83/349/EWG, 86/635/EWG und 91/674/EWG über den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, von Banken und anderen Finanzinstituten sowie von Versicherungsunternehmen. Im Weiteren gilt es, die Richtlinie 2003/38/EG des Rates vom 13. Mai 2003 zur Änderung der Richtlinie 78/660/EWG über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen hinsichtlich der in Euro ausgedrückten Beträge umzusetzen. Die drei genannten Richtlinien sind aufgrund des EWR-Abkommens in liechtensteinisches Recht zu transformieren.
Die Richtlinie 2001/65/EG ("Fair Value"-Richtlinie) räumt den EWR-Mitgliedstaaten das Wahlrecht ein, die Bewertung von Finanzinstrumenten mit dem beizulegenden Zeitwert (anstelle zu den Anschaffungs- und Herstellungskosten) zu gestatten oder vorzuschreiben. Dieses Wahlrecht kann auf Konzernabschlüsse beschränkt werden. Die Vorlage sieht vor, die "Fair Value"-Bewertung nur im Rahmen von Konzernabschlüssen zu gestatten; von der Verpflichtung zur "Fair Value"-Bewertung wie auch von der Ausdehnung der "Fair Value"-Bewertung auf Einzelabschlüsse wird abgesehen.
Mit der Richtlinie 2003/51/EG sollen die zwischen den EU-Rechnungslegungsrichtlinien und den internationalen Rechnungslegungsstandards des IASB (International Accounting Standards Board) bestehenden Konflikte beseitigt, die EU
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Rechnungslegungsrichtlinien um die im Rahmen der internationalen Rechnungslegungsstandards des IASB vorhandenen Optionen ergänzt und in einigen anderen Bereichen grundlegend modernisiert werden. Diese Richtlinie soll es den EWR-Mitgliedstaaten ermöglichen, ihre auf der Vierten und Siebten EU-Richtlinie beruhenden Rechnungslegungsvorschriften an die internationalen Rechnungslegungsstandards des IASB anzunähern, sofern sie dies wollen. Bei der überwiegenden Anzahl der Bestimmungen der Richtlinie 2003/51/EG handelt es sich um "Kann-Bestimmungen", deren Übernahme in nationales Recht fakultativ ist. Die Vorlage sieht vor, nur die absolut notwendigen Bestimmungen der Richtlinie 2003/51/EG umzusetzen. Eine grundlegende Überarbeitung der geltenden Rechnungslegungsvorschriften des PGR (Art. 1045 bis 1130) im Hinblick auf die im Rahmen der internationalen Rechnungslegungsstandards des IASB bestehenden Regelungen ist somit nicht vorgesehen. Um aber gleichwohl die Anwendung der internationalen Rechnungslegungsstandards des IASB, insbesondere in Bezug auf den Einzelabschluss, zu fördern bzw. zumindest nicht zu behindern, ist beabsichtigt, das Prinzip der Massgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz zu durchbrechen, sofern die Jahresabschlüsse unter Anwendung der internationalen Rechnungslegungsstandards des IASB erstellt werden.
Die Richtlinie 2003/38/EG erlaubt den einzelnen EWR-Mitgliedstaaten die Erhöhung der Schwellenwerte für kleine und mittelgrosse Unternehmen. Die Vorlage sieht vor, die Schwellenwerte in Übereinstimmung mit den Vorgaben der Richtlinie im maximal möglichen Umfang anzuheben.
Die Umsetzung obiger EU-Richtlinien wurde ausserdem zum Anlass genommen, eine seit der letzten Revision des PGR aufgetauchte Unklarheit (Art. 306d Abs. 2) zu beseitigen.
Zuständiges Ressort
Justiz
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Vaduz, 23. März 2004
P
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident
Sehr geehrte Frauen und Herren Landtagsabgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend die Abänderung des Personen- und Gesellschaftsrechtes vom 20. Januar 1926 (PGR), LGBl. 1926 Nr. 4, in der geltenden Fassung, und die Abänderung des Gesetzes vom 30. Januar 1961 über die Landes- und Gemeindesteuern (Steuergesetz), LGBl. 1961 Nr. 7, in der geltenden Fassung, zu unterbreiten.
Die geltenden Rechnungslegungsvorschriften des PGR sind am 31. Dezember 2000 in Kraft getreten und waren erstmals für das Geschäftsjahr 2002 anzuwenden. Im Rahmen der Rechnungslegungsvorschriften des PGR wurden die 4. EU-Richtlinie über den Jahresabschluss (1978), die 7. EU-Richtlinie über den Konzernabschluss (1983) und Teile der EU-Bankbilanz- (1986) und der EU-Versicherungsbilanzrichtlinie (1991) in liechtensteinisches Recht transformiert.
Anlässlich des Europäischen Rates vom 23. und 24. März 2000 in Lissabon wurde die Vollendung des Binnenmarktes für Finanzdienstleistungen bis spätestens zum Jahr 2005 beschlossen. Im Finanzdienstleistungsaktionsplan hat die EU-Kommis-
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sion die Massnahmen festgelegt, die in diesem Zusammenhang bis 2005 realisiert werden sollen. Ein wichtiger Teilbereich des Aktionsplanes ist die Verbesserung der Qualität der Rechnungslegung, welche durch die Verpflichtung zur Anwendung der International Accounting Standards (IAS) bzw. International Financial Reporting Standards (IFRS) des International Accounting Standards Board (IASB) für börsenkotierte Unternehmen bei der Erstellung ihrer Konzernabschlüsse (ab 2005) und durch die inhaltliche Anpassung der Rechnungslegungsrichtlinien der EU an die internationalen Rechnungslegungsstandards des IASB erreicht werden soll. Im Rahmen der Umsetzung des Finanzdienstleistungsaktionsplanes sind von der EU diesbezüglich die folgenden drei Rechtsakte erlassen worden:
Richtlinie 2001/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. September 2001 zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG, 83/349/EWG und 86/635/EWG des Rates im Hinblick auf die im Jahresabschluss bzw. konsolidierten Abschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen und von Banken und anderen Finanzinstituten zulässigen Wertansätze ("Fair Value"-Richtlinie)
Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 19. Juli 2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards (IAS-Verordnung)
Richtlinie 2003/51/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2003 zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG, 83/349/EWG, 86/635/EWG und 91/674/EWG über den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, von Banken und anderen Finanzinstituten sowie von Versicherungsunternehmen
Die vorstehend aufgeführten Richtlinien sollen mit dieser Vorlage in liechtensteinisches Recht transformiert werden. Die ebenfalls vorstehend aufgeführte Verord-
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nung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 19. Juli 2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards ist demgegenüber bereits im PGR umgesetzt worden. Die entsprechende Gesetzesänderung wurde vom Hohen Landtag im Dezember 2002 beschlossen. Die geänderten Rechnungslegungsvorschriften des PGR ermöglichen es allen rechnungslegungspflichtigen Gesellschaften, gleichgültig welche Rechtsform sie haben und unabhängig davon, ob sie börsenkotiert sind oder nicht, sowie unabhängig davon, ob es sich um Banken oder Versicherungen, kleine oder grosse Gesellschaften usw. handelt, ihre Einzel- und Konzernabschlüsse, sofern sie solche erstellen müssen, anstelle der entsprechenden Rechnungslegungsvorschriften des PGR unter Anwendung der internationalen Rechnungslegungsstandards des IASB zu erstellen. Börsenkotierte Unternehmen sind hingegen verpflichtet, ihre Konzernabschlüsse spätestens vom Geschäftsjahr 2005 an unter Anwendung der internationalen Rechnungslegungsstandards des IASB zu erstellen.
Ebenfalls im Rahmen dieser Vorlage soll die Richtlinie 2003/38/EG des Rates vom 13. Mai 2003 zur Änderung der Richtlinie 78/660/EWG über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen hinsichtlich der in Euro ausgedrückten Beträge umgesetzt werden. Diese Richtlinie steht zwar nicht in Zusammenhang mit dem Finanzdienstleistungsaktionsplan der EU-Kommission. Da sie aber die Rechnungslegung betrifft und für Liechtenstein von besonderer Bedeutung ist (Anhebung der Schwellenwerte für kleine und mittelgrosse Gesellschaften), soll auch sie in dieser Vorlage umgesetzt werden.