Berichte und Anträge
Regierungskanzlei (RK)
BuA - Nummer
2004 / 76
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Ein­lei­tung
I.Bericht der Regierung
1.Aus­gangs­lage
2.Schwer­punkte des Protokolls
3.Erläu­te­rungen zu den ein­zelnen Arti­keln des Protokolls
4.Ver­fas­sungs­mäs­sig­keit
5.Umset­zung in Liechtenstein
6.Recht­liche, finan­zi­elle und per­so­nelle Auswirkungen
7.Bedeu­tung des Pro­to­kolls für Liechtenstein
II.Antrag der Regierung
Grüner Teil
 
Bericht und Antrag der Regierung an den  Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend das Protokoll von Kyoto vom 11. Dezember 1997 zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen vom 9. Mai 1992
 
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Das Klima ändert sich. Weltweit steigen die durchschnittlichen Jahrestemperaturen. Vieles deutet darauf hin, dass die Klimaänderung vom Menschen verursacht wird. Die auf Öl, Erdgas und Kohle basierende Weltwirtschaft stösst täglich Millionen Tonnen von Kohlendioxid (CO2) aus. Zusammen mit weiteren Treibhausgasen heizt das CO2 das Klima auf. Zu den vermuteten Folgen der Klimaänderung gehören die Zunahme von Wetterextremen wie Hitzewellen, Stürme, Starkniederschläge, und damit zusammenhängend die Zunahme von Hochwasser und Erdrutschen, der Anstieg des Meeresspiegels sowie der Rückgang der Gletscher.
Die Staatengemeinschaft hat die Klimaänderung als weltweites und die gesamte Menschheit betreffendes Problem erkannt. So wurde 1992 am Erdgipfel in Rio de Janeiro das erste internationale Übereinkommen zum Klimaschutz, das Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (Klimakonvention), verabschiedet. Liechtenstein hat das Übereinkommen am 22. Juni 1994 ratifiziert. 1997 wurde mit dem Kyoto-Protokoll ein Zusatzprotokoll verabschiedet, welches konkrete und verpflichtende Zeitziele für die Reduktion der Emissionen von sechs Treibhausgasen (Kohlendioxid, Methan, Lachgas, teilhalogenierte Fluorkohlenwasserstoffe, perfluorierte Kohlenwasserstoffe und Schwefelhexafluorid) enthält. Liechtenstein hat das Kyoto-Protokoll am 29. Juni 1998 unterzeichnet. Mit der Ratifikation verpflichtet sich Liechtenstein, gleichermassen wie die Schweiz und die EU, seine Treibhausgas-Emissionen im Durchschnitt der Jahre 2008-2012 um 8 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 zu vermindern.
Das Kyoto-Protokoll tritt erst in Kraft, sobald es von 55 Staaten, darunter Industrieländer, die 1990 für mindestens 55 Prozent der von den Industriestaaten stammenden Kohlendioxid-Emissionen verantwortlich waren, ratifiziert worden ist. Derzeit gehören dem Protokoll 122 Vertragsparteien und 84 Signatarstaaten an. Zur Erreichung der 55 Prozent-Quote und damit zum In-Kraft-Treten des Protokolls ist jedoch die Ratifikation der USA oder Russlands zwingend erforderlich.
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Um ihre Emissionsreduktionsziele zu erreichen, stehen den Vertragsparteien im Rahmen des Kyoto-Protokolls neben den Massnahmen im eigenen Land drei im Ausland anwendbare wirtschaftliche Instrumente zur Verfügung. Diese so genannten flexiblen Mechanismen des Kyoto-Protokolls umfassen Klimaschutzprojekte in anderen Industriestaaten (Joint Implementation, JI) oder in Entwicklungsländern (Clean Development Mechanism, CDM) sowie den internationalen Emissionshandel.
Die rechtlichen Grundlagen und Massnahmen für die Umsetzung des Kyoto-Protokolls in Liechtenstein sind bereits vorhanden. Die Umsetzung wird namentlich im Rahmen des Luftreinhaltegesetzes, des Energiekonzepts und der Energiegesetzgebung sowie durch weitere Massnahmen auf dem Gebiet der Umwelt-, Verkehrs-, Land- und Forstwirtschaftspolitik erfolgen. Durch den Zollvertrag mit der Schweiz und die Zugehörigkeit zum EWR sind auch die weiteren klimapolitischen Entwicklungen in diesen Wirtschaftsräumen für Liechtenstein relevant.
Als Vertragspartei wird Liechtenstein einen jährlichen finanziellen Beitrag an die protokollspezifischen Aktivitäten des Klimasekretariats zu leisten haben, welche aber erst nach dem In-Kraft-Treten des Kyoto-Protokolls anfallen. Es ist derzeit mit einem Beitrag in der Höhe von ca. USD 400 bis 500 zu rechnen. Kosten könnten zudem durch die Nutzung der flexiblen Mechanismen entstehen, falls sich herausstellt, dass die innerstaatlichen Massnahmen zur Emissionsreduktion nicht genügen. Aufgrund der ungenügenden statistischen Datenlage kann derzeit nicht abgeschätzt werden, ob Liechtenstein die flexiblen Mechanismen nutzen wird und wie hoch die Kosten dannzumal sein werden. Als Zeichen der Solidarität und des klimapolitischen Engagements Liechtensteins sieht die Regierung aus Anlass der Ratifizierung einen einmaligen Beitrag von CHF 100'000 zur Unterstützung eines Klimaschutzprojektes in einem Entwicklungsland vor.
Auf personeller Ebene ist durch die Ratifizierung insbesondere beim Amt für Umweltschutz ein bedeutender Mehraufwand zu erwarten, der derzeit noch nicht im Einzelnen absehbar ist. Die Regierung wird zu einem späteren Zeitpunkt darüber entscheiden, ob diesem Amt zur Verstärkung in der arbeitsintensiven Phase der Umsetzung des Protokolls Personal zugeteilt werden muss.
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Liechtenstein liegt inmitten der Alpen. Sowohl die bisherigen Beobachtungen als auch die Modellberechnungen lassen erwarten, dass der Alpenraum von der Klimaänderung überdurchschnittlich stark betroffen ist. Eine wirksame Klimaschutzpolitik ist deshalb im eigenen Interesse Liechtensteins. Die Folgen der Klimaänderung werden aber voraussichtlich die Entwicklungsländer am stärksten treffen, weil ihnen die Mittel für aufwändige Schutzmassnahmen fehlen. Liechtenstein steht damit in der Mitverantwortung und ist zu solidarischem Handeln aufgerufen.
Zuständige Ressorts
Ressorts Äusseres, Bauwesen, Umwelt, Raum, Land- und Waldwirtschaft, Verkehr und Kommunikation, Wirtschaft
Betroffene Amtsstellen
Amt für Auswärtige Angelegenheiten, Amt für Landwirtschaft, Amt für Umweltschutz, Amt für Volkswirtschaft, Amt für Wald, Natur und Landschaft, Hochbauamt
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Vaduz, den 24. August 2004
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend das Protokoll von Kyoto vom 11. Dezember 1997 zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen vom 9. Mai 1992 zu unterbreiten.
1.1Die Bedrohung durch Klimaänderungen
Das Klima ändert sich. Die durchschnittlichen Jahrestemperaturen steigen weltweit an. Vieles deutet darauf hin, dass der Klimawandel hauptsächlich auf den durch Menschen verursachten Ausstoss von Treibhausgasen zurückzuführen ist. Diese halten die Wärmestrahlung auf der Erde zurück und greifen dadurch in das Klimasystem ein.
Die Treibhausgas-Emissionen entstehen durch die Gewinnung und Nutzung fossiler Energieträger (Kohle, Erdöl, Erdgas), durch den Verkehr, die Industrie
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und die Haushalte sowie durch Emissionen aus der Abfallwirtschaft und aus der Land- und Forstwirtschaft (insbesondere durch Rodung). Zu den wichtigsten Treibhausgasen gehören das Kohlendioxid (CO2), das Methan (CH4), das Lachgas (N2O), die Fluor-Chlor-Kohlenwasserstoffe (FCKW)1 sowie synthetische Stoffe mit hohem Treibhauspotenzial. Bei den Letzteren handelt es sich einerseits um teilhalogenierte Fluorkohlenwasserstoffe (HFC) und perfluorierte Kohlenwasserstoffe (PFC) und andererseits um Schwefelhexafluorid (SF6).
Seit den 70er-Jahren werden die Auswirkungen der Treibhausgas-Emissionen auf Natur und Mensch wissenschaftlich untersucht. Gemäss der Zwischenstaatlichen Sachverständigengruppe für Klimaänderungen (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) ist die beobachtete Erwärmung der letzten 50 Jahre mit allergrösster Wahrscheinlichkeit zur Hauptsache dem Anstieg der Treibhausgas-Konzentrationen in der Atmosphäre zuzuschreiben. Das IPCC wurde 1988 von der Weltorganisation für Meteorologie und dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen gemeinsam ins Leben gerufen, um den Wissensstand auf dem Gebiet der Klimaänderungen laufend zu evaluieren. Die IPCC-Statusberichte werden unter Mitarbeit von über 2000 Fachspezialisten aus der ganzen Welt in einem mehrfachen Begutachtungsprozess ausgearbeitet und repräsentieren den gemeinsamen Nenner einer starken Mehrheit der im Klimabereich tätigen Wissenschaftsgemeinde. In seinem 2001 erschienenen Dritten Evaluationsbericht erhärtet das IPCC seine früheren Feststellungen und zieht unter anderem folgende Schlüsse:
Als Folge der vom Menschen verursachten Emissionen ist die CO2-Konzentration in der Atmosphäre zwischen 1750 und 2000 um 30 Prozent
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von 280 ppm auf 368 ppm angestiegen. Im gleichen Zeitraum hat sich in der Atmosphäre die Konzentration von Methan (CH4) um 150 Prozent und jene von Lachgas (N2O) um 17 Prozent erhöht;
Das Weltklima hat sich seit dem vorindustriellen Zeitalter auf regionaler wie auch auf globaler Ebene nachweislich verändert. Die meisten der in den vergangenen 50 Jahren beobachteten Veränderungen sind auf menschliche Tätigkeiten zurückzuführen;
In zahlreichen Regionen der Erde haben die Land- und Meeresökosysteme wie auch die hydrologischen Systeme bereits unter dem Temperaturanstieg gelitten. Die sozioökonomischen Folgekosten extremer meteorologischer Ereignisse wie Orkane und Überschwemmungen, aber auch der regionalen Klimaschwankungen, deuten auf eine wachsende Empfindlichkeit gegenüber Klimaänderungen hin;
Bis Ende des 21. Jahrhunderts wird mit einem mittleren globalen Temperaturanstieg von 1,4 bis 5,8 °C gerechnet. Die Bandbreite dieser Abschätzung ergibt sich aus den verschiedenen Klimamodellen, die für die Berechnungen verwendet wurden, und aus den Szenarien, welche die möglichen Entwicklungen der Emissionen wichtiger Treibhausgase und Aerosole für die Periode zwischen 1990 und 2100 beschreiben (inklusive Verzicht auf fossile Brennstoffe);
Klimamodelle deuten darauf hin, dass in Zukunft mit stärkeren klimatischen Schwankungen sowie mit einer Veränderung der Häufigkeit, Intensität und Dauer extremer meteorologischer Ereignisse (wie zum Beispiel Anzahl der Hitzetage, Hitzewellen und Niederschläge) zu rechnen ist;
Das Ausmass künftiger Klimaänderungen hängt im Wesentlichen von den Treibhausgas-Emissionen ab. Durch eine umgehende Verringerung der
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Treibhausgas-Emissionen können Geschwindigkeit und Intensität dieser Veränderungen entscheidend beeinflusst werden;
Als Antwort auf die Bedrohungen können Anpassungsstrategien entwickelt werden. Diese Anpassungen können jedoch nicht sämtliche Katastrophen sowie die Folgeschäden von Klimaänderungen verhindern.
Verschiedene Beobachtungen lassen darauf schliessen, dass Liechtenstein und die Schweiz im weltweiten Vergleich überdurchschnittlich stark von den Klimaänderungen betroffen sein dürften. So stiegen die Temperaturen in der Schweiz nördlich der Alpen seit Beginn des 20. Jahrhunderts durchschnittlich um 1,4 °C, gegenüber 0,6 °C im weltweiten Durchschnitt. Seit 1970 wurde in der Schweiz pro Jahrzehnt ein Temperaturanstieg von 0,4 bis 0,6 °C registriert, während der weltweite Durchschnitt zwischen 0,1 und 0,2 °C lag. Parallel dazu verzeichnete die Schweiz im Laufe des 20. Jahrhunderts eine Zunahme der Niederschläge um 12 Prozent, während diese weltweit zwischen 5 und 10 Prozent lagen. Die Situation in Liechtenstein ist direkt vergleichbar mit jener der Schweiz.
Die Rückbildung der Schneedecke, der Gletscher und des alpinen Permafrostes und die zunehmende Häufigkeit starker Niederschläge sind in den Alpen bereits deutlich erkennbar. Diese Entwicklung dürfte sich in Zukunft noch beschleunigen. Über die zukünftige Entwicklung von Stürmen liegen noch keine gesicherten Befunde vor. Klimamodelle lassen eine Zunahme plausibel erscheinen. Dies geht aus den Schlussfolgerungen des schweizerischen Nationalen Forschungsprogramms 31 über Klimaänderungen und Naturkatastrophen (1992 bis 1997) und des Schwerpunktprogramms Umwelt (1992 bis 2001) hervor.
Verschiedene Wirtschaftssektoren werden von der Klimaerwärmung direkt betroffen sein. Die Auswirkungen auf die Verteilung der Niederschläge und die Wasserbilanz könnten Anpassungen an Wasserkraftwerken und am Wasserversorgungssystem erforderlich machen. Auch der Wintertourismus bekommt
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diese Auswirkungen unmittelbar zu spüren. Auf Grund des Schneemangels müssen unter 1200 bis 1600 Metern Höhe gelegene Wintersportorte langfristig mit grossen Schwierigkeiten rechnen. Abhängig vom Ausmass der Erwärmung könnten aber auch höher gelegene Gebiete betroffen sein. Die Land- und Forstwirtschaft schliesslich wird sich an diese Entwicklungen anpassen müssen und zudem mit einem allenfalls erhöhten Risiko von Schäden durch Trockenperioden, Starkniederschläge oder Stürme konfrontiert. Siedlungsgebiete können auf Grund der Abschmelzung von Eis und Permafrost und stärkerer Bodendurchnässung vermehrt durch Steinschlag, Rüfen und Rutschungen gefährdet werden. Weiter sind als potenzielle Folgen der Klimaänderungen eine Zunahme der Opfer von extremen Wetterereignissen sowie eine Verschiebung der Verbreitungsgebiete von Krankheitsüberträgern zu erwarten, so dass sich beispielsweise in Europa Krankheiten wie Malaria ausbreiten könnten.
Neben den direkten Folgen für die Alpenregion werden auch die weltweiten Folgen wie z.B. das Ansteigen des Meeresspiegels und vermehrte Überschwemmungen und Naturkatastrophen durch deren Auswirkungen auf die globalisierte Wirtschaft sowie durch weltweite Migrations- und Flüchtlingsströme, ausgelöst durch eine Verschlechterung der Umwelt- und Lebensbedingungen, indirekt spürbar sein.



 
1FCKW sind gleichzeitig ozonschichtabbauende Stoffe, welche durch das Montrealer Protokoll vom 16. September 1987 über Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht führen, (LGBl. 1989 Nr. 38) geregelt sind.
 
LR-Systematik
0..8
0..81
0..81.4
LGBl-Nummern
2005 / 049
Landtagssitzungen
20. Oktober 2004
Stichwörter
CO2-Emis­sionen, Kyoto-Protokoll
Kli­ma­än­de­rungen, Kyoto Protokoll
Kyoto Pro­to­koll, Klimaänderungen
Umwelt, Kyoto-Protokoll