Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
zur Teilrevision des Gesetzes über die obligatorische Unfallversicherung
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Im Zusammenhang mit dem erstmaligen freiwilligen Rückzug eines Versicherers von der Durchführung der obligatorischen Unfallversicherung in Liechtenstein hat sich gezeigt, dass die Regelung über die Beendigung der Geschäftstätigkeit eines Versicherers im Bereich der obligatorischen Unfallversicherung in Liechtenstein im geltenden Gesetz nicht und im das Gesetz ergänzenden Vertrag zur Durchführung der obligatorischen Unfallversicherung (Durchführungsvertrag) nur mangelhaft geregelt ist.
Diese Gesetzesvorlage schliesst eine Lücke im Gesetz und dient somit der Rechtssicherheit für den Fall, dass sich weitere zur Durchführung der obligatorischen Unfallversicherung zugelassene Versicherer zur (freiwilligen) Beendigung ihrer Tätigkeit entschliessen.
Die Gesetzesvorlage entspricht den grundlegenden versicherungsrechtlichen Grundsätzen und den Interessen aller Beteiligten.
Zuständiges Ressort
Ressort Wirtschaft
Betroffene Amtsstelle
Amt für Volkswirtschaft
Finanzielle Auswirkungen
Die Vorlage hat keine finanziellen Auswirkungen.
Personelle Auswirkungen
Die Vorlage hat keine personellen Auswirkungen.
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Vaduz, 16. August 2005
RA 2005/1910-6371
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag zur Teilrevision des Gesetzes über die obligatorische Unfallversicherung zu unterbreiten.
Das geltende Gesetz über die obligatorische Unfallversicherung stammt aus dem Jahr 1989
1. Dieses Gesetz ist in verschiedenen Punkten revisionsbedürftig. Die Regierung hat dazu einen Gesetzesentwurf ausgearbeitet und im August dieses Jahres in die Vernehmlassung gegeben. Ein zentraler Punkt dieser Revisionsvorlage besteht darin, Bestimmungen über das Finanzierungsverfahren aufzunehmen. Heute sind diese in einer Vereinbarung der Regierung mit den Versicherern festgehalten. Dieser Vertrag zur Durchführung der obligatorischen Unfallversicherung -
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in Liechtenstein (Durchführungsvertrag), der bereits vor dem Inkrafttreten des Gesetzes, nämlich am 11. September 1986 abgeschlossen worden ist, soll mit dem Inkrafttreten der Gesetzesrevision aufgehoben werden.
Im Zusammenhang mit dem Rückzug eines Versicherers von der Durchführung der obligatorischen Unfallversicherung hat sich gezeigt, dass die Regelung über die (freiwillige) Beendigung der Geschäftstätigkeit eines Versicherers in diesem Versicherungsbereich Mängel aufweist. Das Gesetz der obligatorischen Unfallversicherung selber enthält dazu derzeit keine Bestimmungen. Im Durchführungsvertrag finden sich dazu Regelungen, welche aber unklar und unvollständig sind. Hierzu soll neu das Gesetz eine Regelung erhalten. Der in die Vernehmlassung gegebene Gesetzesentwurf sieht deshalb auch eine umfassende Regelung zur Zulassung wie zum Entzug als auch zum freiwilligen Verzicht auf die Bewilligung zur Durchführung der obligatorischen Unfallversicherung vor.
Die Regierung erachtet es für notwendig, die Bestimmung für den Entzug einer Bewilligung oder bei einem freiwilligen Verzicht auf die Durchführung der obligatorischen Unfallversicherung unverzüglich zu regeln. Deshalb wird diese Bestimmung aus dem Vernehmlassungsentwurf vorab dem Landtag vorgelegt, damit zu diesem Punkt noch dieses Jahr Klarheit und damit eine Rechtssicherheit für alle Versicherer besteht, die derzeit in die vertragliche Durchführung der obligatorischen Unfallversicherung eingebunden sind. Mit Bezug auf die konkrete Abwicklung des beabsichtigten Rückzuges eines Versicherers finden gegenwärtig noch Verhandlungen zur Übernahme der Versicherungsverträge durch einen anderen Versicherer statt. In diesem Zusammenhang besteht die Frage, wie die Bestimmungen des Durchführungsvertrages auszulegen sind, wenn kein Übernahmevertrag zustande kommen sollte. Dabei geht es um die Frage, welche Auswirkungen dies auf die bereits eingetretenen Versicherungsfälle, insbesondere auf laufende Renten, haben würde. Bei dem derzeit geltenden Rechtsstand ist nicht auszu-
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schliessen, dass sich hier die Auffassung des Versicherers und jene der Regierung nicht decken werden: Konkret geht es um die Frage, ob der Versicherer beim Fehlen eines Übernahmevertrages mit einem anderen Versicherer die Abwicklung der bereits eingetretenen Versicherungsfälle unter Abtretung der effektiv vorhandenen Rückstellungen dem Land Liechtenstein übertragen kann. Der Durchführungsvertrag hält dazu fest:
Per Zeitpunkt der Beendigung des Vertragsverhältnisses hat die Vertragsgesellschaft eine letzte Abrechnung [...] zu erstellen und die aus dieser resultierenden Deckungskapital- und Schadenrückstellungs-Verpflichtungen unter entsprechender Abgeltung an die die betreffenden Versicherungsverträge übernehmende(n) Gesellschaft(en), bei deren Fehlen an das Land Liechtenstein zu übertragen.
Nach Auffassung der Regierung bezieht sich diese Bestimmung aber nur auf den Fall eines vollständigen Rückzuges aller Versicherer von der Durchführung der obligatorischen Unfallversicherung in Liechtenstein. Zudem muss der Durchführungsvertrag heute unter Berücksichtigung des Versicherungsaufsichtsgesetzes vom 6. Dezember 1995 (VersAG) ausgelegt und angewendet werden. Dieses Gesetz enthält im Gegensatz zum Gesetz der obligatorischen Unfallversicherung Bestimmungen über die Beendigung der Geschäftstätigkeit eines Versicherers. Danach kann eine freiwillige Einstellung der Geschäftstätigkeit grundsätzlich nur dann erfolgen, wenn der Versicherer seine bestehenden Rechte und Pflichten auf einen anderen Versicherer überträgt (Art. 51 und 52 VersAG). Der Versicherer kann also beim Fehlen eines Übernahmevertrages seine Geschäftstätigkeit gar nicht freiwillig aufgeben, zumindest nicht bezüglich der bereits bestehenden Verpflichtungen aus eingetretenen Schadensfällen. Das Versicherungsaufsichtsgesetz ist ausdrücklich auch auf die obligatorische Unfallversicherung anwendbar, soweit die Gesetzgebung über die obligatorische Unfallversicherung keine abweichenden Bestimmungen enthält (Art. 9 VersAG).
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Sollte ein Versicherer, der den Durchführungsvertrag kündigt, die Rechtsauffassung der Regierung nicht teilen, wird diese Frage nötigenfalls durch die zuständigen Gerichte nach der heutigen Rechtslage zu entscheiden sein. Sollten die Gerichte entgegen der Auffassung der Regierung entscheiden, hätte dies nicht nur Auswirkungen auf den hängigen Fall, sondern auch auf künftige Kündigungen des Durchführungsvertrages durch andere Versicherer. Es wäre nicht auszuschliessen, dass ein solches Urteil sogar weitere Kündigungen zur Folge hat. Damit würde aber das bestehende liechtensteinische System in der obligatorischen Unfallversicherung in Frage gestellt, weil faktisch auch das Land selber zum Risikoträger wird. Die Regierung will aber, wie in der Vernehmlassungsvorlage zur Revision des Gesetzes der obligatorischen Unfallversicherung ausgeführt, am bestehenden System festhalten und die erkannten Mängel des Systems beheben. Mit der hier beantragten Gesetzesrevision soll die auch in der Vernehmlassungsvorlage enthaltene Bestimmung über die Pflichten eines Versicherers beim Ausscheiden aus der Durchführung der obligatorischen Unfallversicherung vorab eingeführt werden. Damit soll eine klare Gesetzesregelung für den Ausstieg eines Versicherers geschaffen und allfällige Unsicherheit umgehend beseitigt werden. Die Gesetzesrevision betrifft aber nicht den bereits hängigen Fall. Dieser ist gestützt auf das geltende Recht zu entscheiden. Die neue Bestimmung soll aber für allfällig weitere Kündigungen des Duchführungsvertrages gelten. Solche Kündigungen sind auf das Ende eines Kalenderjahres mit einer Kündigungsfrist von 12 Monaten möglich. Der nächste Kündigungstermin ist somit der 31.12.2006.