Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend die Totalrevision des Gewerbegesetzes vom 21. Dezember 1969 (GewG; LGBl. 1970 Nr. 21)
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Gemäss Art. 36 der Liechtensteinischen Verfassung sind Handel und Gewerbe innerhalb der gesetzlichen Schranken frei. Das geltende Gewerbegesetz vom 10. Dezember 1969
1 basiert auf diesem in der Verfassung statuierten einfachen Gesetzesvorbehalt und ist als umfassendes Regelwerk zu verstehen. Es legt fest, welche gewerblichen Tätigkeiten unter welchen Voraussetzungen in Liechtenstein selbständig ausgeübt werden können. Das Gewerbegesetz ist in seinem Regelungsinhalt vor dem wirtschaftlichen Hintergrund der Zeit aus den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts zu betrachten.
In der Zeitspanne zwischen der Schaffung des Gewerbegesetzes im Jahre 1969 und heute durchlief Liechtenstein eine wirtschaftliche Entwicklung mit einer bedeutenden Neuausrichtung, nämlich die Entwicklung vom Industrie- zu einem schwerpunktmässigen Dienstleistungsstaat.
Das derzeit geltende Gewerbegesetz kann mit dem immer schnelleren Prozess der Veränderung der Rahmenbedingungen und mit den damit verbundenen neuen Wirtschaftsbedürfnissen nicht mehr Schritt halten. Aufgrund der rasanten Entwicklungen entstanden zwischenzeitlich neue Berufe bzw. Tätigkeiten, welche teilweise in sehr pragmatischer Art und Weise unter den Geltungsbereich des Gewerbegesetzes subsumiert wurden. Viele Bestimmungen des geltenden Gewerbegesetzes wirken heute eher wirtschaftshemmend, als dass sie einen Beitrag zur wirtschaftlichen Prosperität Liechtensteins beitragen. Aus diesem Grunde ist eine Anpassung an die reellen Gegebenheiten zum jetzigen Zeitpunkt notwendig.
Ziel der Gesetzesrevision soll es sein, eine klare gewerbliche Ordnung bzw. ein wirtschaftspolitisch griffiges Rechtsinstrument zu schaffen, das den spezifischen heutigen Gegebenheiten des liechtensteinischen Wirtschaftsstandortes im Rahmen der Gewerbefreiheit und der europäischen Liberalisierung im Bereich der gegenseitigen gewerblichen Zugangsvoraussetzungen entsprechend Rechung trägt. Diesbezüglich wird ein liberales und schlankes Gesetzeswerk vorgeschlagen, das mit der notwendigen Flexibilität ausgestattet sein soll.
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Zuständiges Ressort
Ressort Wirtschaft
Zuständige Amtsstelle
Amt für Volkswirtschaft
Finanzielle und personelle Auswirkungen
Die Regierungsvorlage hat weder finanzielle noch personelle Auswirkungen.
Räumliche und organisatorische Auswirkungen
Die Regierungsvorlage hat weder räumliche noch organisatorische Auswirkungen.
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Vaduz, 23. August 2005
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend die Totalrevision des Gewerbegesetzes zu unterbreiten.
Gemäss Art. 36 der Liechtensteinischen Verfassung sind Handel und Gewerbe innerhalb der gesetzlichen Schranken frei. Dies bedeutet, dass die liechtensteinische Rechtsordnung keine absolute Gewerbefreiheit kennt. Art. 36 der Verfassung gewährleistet die Handels- und Gewerbefreiheit (HGF) innerhalb der gesetzlichen Schranken und stellt sie somit unter einen einfachen Gesetzesvorbehalt.
Wichtig ist der Hinweis, dass Art. 36 der Verfassung neben den klassischen Tätigkeitsfeldern der handwerklichen Produktion auch Tätigkeiten aus dem industriellen Bereich, der Urproduktion und des gesamten Dienstleistungssektors schützt. Die Handels- und Gewerbefreiheit bezieht sich also nicht nur auf das sog.
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produzierende Gewerbe, sondern erfasst auch die Berufe und Tätigkeiten des Dienstleistungssektors und des primären Sektors. Insofern garantiert die Handels- und Gewerbefreiheit im gesamten Bereich der Wirtschaft die Freiheit der Wahl, des Zugangs und der Ausübung des jeweiligen Berufs.
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Die Einschränkung der Handels- und Gewerbefreiheit durch Gesetz ist grundsätzlich möglich. Allerdings muss eine solche Beschränkung bestimmte Voraussetzungen erfüllen. "Eine gesetzliche Grundlage alleine ist keine hinreichende Voraussetzung für eine verfassungslegitime Einschränkung der Handels- und Gewerbefreiheit; vielmehr bedarf es eines hinreichenden öffentlichen Interesses, der Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit und der Respektierung des Kerngehalts des Grundrechts."
3 Der Eingriff in die Handels- und Gewerbefreiheit ist dann verhältnismässig, wenn er geeignet, erforderlich und zumutbar ist, d.h. wenn die Beschränkung nicht mit anderen, milderen Mitteln erreicht werden kann. Der Kerninhalt der Handels- und Gewerbefreiheit ist nach der Rechtssprechung des Staatsgerichtshofes z.B. dann verletzt, wenn das Prinzip der Handels- und Gewerbefreiheit an Gehalt verliert. Dies ist etwa dann der Fall, wenn ein gesamter Berufsstand oder zumindest ein Teil davon in seiner Tätigkeit beschnitten oder die Tätigkeit überhaupt verboten würde.
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2 | Wolfram Höfling, Die liechtensteinische Grundrechtsordnung; Liechtenstein Politische Schriften, Band 20, S.186 |
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3 | Wolfram Höfling, S. 198 |
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4 | Wolfram Höfling, S. 200 |
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