Berichte und Anträge
Regierungskanzlei (RK)
BuA - Nummer
2006 / 129
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Ein­lei­tung
I.Bericht der Regierung
1.Aus­gangs­lage
2.Ver­nehm­las­sung
3.Erläu­te­rungen zu den ein­zelnen Geset­zes­bes­tim­mungen unter Berück­sich­ti­gung der Vernehmlassungsergebnisse
4.Ver­fas­sungs­mäs­sig­keit
3.4 Ein­satz­mittel und Infrastruktur
3.5Spe­zi­fi­sche Bereiche des Bevölkerungsschutzes
3.6Hilfs­pflicht bei aus­ser­or­dent­li­chen Lagen und Requisition
3.7Haf­tung des Landes und der Gemeinden
3.8Ver­si­che­rungs­schutz
3.9Finan­zie­rung (Art. 31 des gel­tenden Gesetzes)
3.10Rechts­mittel / Straf­bes­tim­mungen Schlussbestimmungen
3.4.2Alar­mie­rung
3.4.3Über­mitt­lung von Information
3.4.4Pas­siver Schutz
3.5.2Wirt­schaft­liche Landesversorgung
II.Antrag der Regierung
III.Regie­rungs­vor­lage
 
Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend das Gesetz über den Schutz der Bevölkerung (Totalrevision des Gesetzes vom 25. März 1992 über den Katastrophenschutz)
 
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Mit der Totalrevision des Katastrophenschutzgesetzes in Form einer Neufassung als Gesetz über den Schutz der Bevölkerung (Bevölkerungsschutzgesetz) wird einerseits das Katastrophenschutzgesetz von 1992 ersetzt und andererseits einem nunmehr geänderten Gefährdungspotenzial Rechnung getragen, indem zum einen dem Wandel des sicherheitspolitischen Umfeldes nachgekommen und zum anderen den neuen Anforderungen an einen modernen Bevölkerungsschutz entsprochen wird.
Aus diesem Grund werden die Terminologien und Begriffsbestimmungen den neusten Entwicklungen angepasst. So wird der bisher gebräuchliche Begriff "Katastrophe" durch aktuelle und umfassendere Bezeichnungen wie:
"normale Lage" (Unfall = Bewältigung mit eigenen Mitteln der Gemeinde);
"besondere Lage" (Bewältigung mit Nachbarschaftshilfe); und
"ausserordentliche Lage" (Bewältigung nur mit organisierter Hilfe von aussen)
ersetzt. Mit dieser Anpassung soll der positive Zweck des neuen Gesetzes aufgezeigt werden. Die Übergänge zwischen den verschiedenen Ereignissen sind dabei in der Praxis fliessend und werden von Fall zu Fall anders zu interpretieren sein.
Die Bewältigung verschiedener Ereignisse ist grundsätzlich eine öffentliche Aufgabe. Land und Gemeinden sind deshalb im Verbundsystem für die Sicherheit, die Versorgung und den Schutz ihrer Einwohner und Einwohnerinnen verantwortlich. Aus diesem Grund werden die verschiedenen Aufgaben und Kompetenzen der einzelnen Führungsorganisationen bzw. deren Zusammenwirken (beispielsweise Landesführungsstab, Gemeinden, Landespolizei, Feuerwehr, Bergrettung) im Gesetz festgeschrieben. Erstmalig normiert dieses Gesetz auch die Verpflichtung für die Arbeitgeber, den Mitgliedern von Hilfs- und Rettungsorganisationen unbezahlte Freistellung für ihre Ernstfalleinsätze zu gewähren. Jedes Mitglied einer Hilfs- und Rettungsorganisation hat zudem neu einen gesetzlichen Anspruch auf ausreichenden Versicherungsschutz für den jeweiligen Ernstfalleinsatz.
In Zusammenhang mit dieser Gesetzesrevision wird nicht zuletzt auch das Amt für Zivilschutz und Landesversorgung in Amt für Bevölkerungsschutz umbenannt.
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Zuständiges Ressort
Ressort Inneres
Betroffene Amtsstellen
Amt für Zivilschutz und Landesversorgung
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Vaduz, 14. November 2006
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend das Gesetz über den Schutz der Bevölkerung (Totalrevision des Gesetzes vom 25. März 1992 über den Katastrophenschutz) zu unterbreiten.
1.1Allgemeines
Der grundlegende Wandel des sicherheitspolitischen Umfeldes in den Neunzigerjahren hat die Regierung veranlasst, die sicherheitspolitische Lage einer umfassenden Neubeurteilung zu unterziehen, mit dem Ziel, die sicherheitspolitischen Instrumente den mittlerweile stark veränderten Rahmenbedingungen entsprechend anzupassen.
Österreich hatte nach dem Reaktorunglück von Tschernobyl mit seinen Nachbarstaaten (Deutschland, Schweiz, Italien, Ungarn, ehem. Tschechoslowakei) Verhandlungen über den Abschluss eines Abkommens über gegenseitige Katastrophenhilfe aufgenommen. Ein entsprechendes Ersuchen ging 1991 auch an Liechtenstein. Das Abkommen, welches am 23. September 1994 in Wien unterzeichnet
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wurde, entspricht inhaltlich weitgehend den Abkommen, die Österreich damals mit seinen anderen Nachbarstaaten abgeschlossen hat. Das Abkommen ermöglicht es, bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen im Sinne von ausserordentlichen Lagen rasch und unbürokratisch Hilfe zu leisten. Es erleichtert den Grenzübertritt von Personen der Rettungs- und Hilfsorganisationen und die Ein- und Ausfuhr von Hilfsgütern und Ausrüstungsgegenständen. Die bereits bestehende und gut funktionierende grenzüberschreitende Nachbarschaftshilfe sollte durch das Abkommen nicht berührt oder gar eingeschränkt werden; es ging vor allem darum, eine Basis für die Zusammenarbeit bei schweren Unfällen oder Katastrophen im Sinne von ausserordentlichen Lagen zu schaffen. Einzelne Bestimmungen des Abkommens, welche den Grenzübertritt von Personen und Gütern betreffen, sind von zollvertraglicher Relevanz und wurden daher mit der Schweiz abgestimmt. Die Schweiz hat mit Österreich erst einige Jahre später ein entsprechendes Abkommen abgeschlossen.
Liechtenstein schlug in den neunziger Jahren auch der Schweiz den Abschluss eines Katastrophenhilfeabkommens vor. Die Schweiz sah wegen der offenen Grenze zu Liechtenstein zunächst keine Notwendigkeit einer solchen staatsvertraglichen Regelung. Nachdem die Schweiz aber im Jahr 2000 mit Österreich ein Katastrophenhilfeabkommen abgeschlossen hatte und sich die Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern im Bereich der Katastrophenhilfe und der internationalen Zusammenarbeit verstärkt hatte, schlug die Schweiz ihrerseits Liechtenstein im Jahr 2001 den Abschluss eines Abkommens vor. Das am 2. November 2005 in Bern unterzeichnete Abkommen zwischen Liechtenstein und der Schweiz über die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen im Sinne von ausserordentlichen Lagen orientiert sich an den Abkommen, welche die beiden Länder bereits mit Österreich geschlossen hatten. Es regelt die Rahmenbedingungen für die gegenseitige Hilfe bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen im Sinne von ausserordentlichen Lagen und geht vom Grundsatz der freiwilligen und unentgeltlichen Hilfeleistung aus. Es regelt grenzüberschreitende Einsätze von zivilen oder militärischen Hilfsmannschaften und Material
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sowie die Zusammenarbeit in den Bereichen Warnung, Alarmierung und Verbreitung von Verhaltensanweisungen and die Bevölkerung. Ebenfalls vorgesehen sind Informationsaustausch, Forschungsprogramme, Ausbildungskurse und gemeinsame Übungen. Von besonderer Bedeutung für Liechtenstein ist die vorgesehene Durchführung gemeinsamer Übungen und die Zusammenarbeit im Bereich der Ausbildung. Das Abkommen kann nach Abschluss der innerstaatlichen Genehmigungsverfahren ratifiziert werden und wird am 1. Dezember 2006 in Kraft treten.
Auf der Basis des Vertrages zwischen Liechtenstein, der Schweiz und Österreich über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Sicherheits- und Zollbehörden (LGBl. 2001 Nr. 122) ist für die Landespolizei zudem die Teilnahme am schweizerischen digitalen Funknetzwerk "Polycom" ermöglicht worden. Einige der grenzüberschreitenden Massnahmen, welche dieser Vertrag vorsieht, wären ohne ein einheitliches Funknetz nur sehr beschränkt umsetzbar. Am 18. Oktober 2003 wurde in Vaduz ausserdem zwischen Liechtenstein und der Schweiz eine zwischenstaatliche Vereinbarung unterzeichnet, welche Liechtenstein ermöglicht hat, "Polycom" mittlerweile in Betrieb zu nehmen. "Polycom" nennt sich das 1998 beschlossene gesamtschweizerische Sicherheits- und Rettungsfunknetz, welches in Zukunft die Kommunikation auf operativer Ebene zwischen sämtlichen nationalen und kantonalen Sicherheits- und Rettungsorganisationen in der Schweiz garantieren soll. Der diesbezügliche Finanzbeschluss des Landtages vom 27. November 2003 betreffend die Realisierung eines neuen digitalen Funknetzwerkes "Polycom" für die Landespolizei (LGBl. 2004 Nr. 8) trat am 15. Januar 2004 in Kraft.
Aufgrund von sicherheitspolitischen Lageanalysen zeigt sich für den Bevölkerungsschutz eindeutig, dass die Bedrohung Liechtensteins durch einen bewaffneten Konflikt nicht mehr im Vordergrund steht.
Grundsätzlich hat sich die bisherige Bedrohungslage in den letzten Jahrzehnten wenig verändert; geändert hat sich allerdings in ganz massiver Weise die Wahr-
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nehmung und die Bewertung der verschiedenen Bedrohungen. Horrorszenarien, die noch vor zehn Jahren undenkbar waren, sind am 11. September 2001 traurige Wirklichkeit geworden. Ebenso hat das Gewicht von Gefährdungen in den Bereichen von natur- und zivilisationsbedingten ausserordentlichen Lagen angesichts der Verletzlichkeit einer hoch technisierten und vernetzten Gesellschaft und der hohen Wertdichte enorm zugenommen. Beispielhaft werden folgende Ereignisse, welche sich in den letzten Jahren ereignet haben, aufgezeigt:
 
1995
31. Juli/1. August
Rüfeniedergang Triesenberg/Triesen: Mehrere Häuser in Triesenberg und Triesen werden beschädigt. Evakuierungen waren notwendig und die Aufräumarbeiten dauerten mehrere Wochen.
1999
21./22. Februar
Zwei Grosslawinen im Malbun: Elf Ferienhäuser wurden total zerstört und vier weitere zum Teil zerstört. Wegen der vorsorglichen Evakuierung (zwölf Stunden vor dem Lawinenniedergang) kamen glücklicherweise keine Personen zu Schaden.
  
6.-28. Dezember
Sturm Lothar (Kurt): Er richtete grosse Zerstörungen in der ganzen Schweiz und in Liechtenstein (beispielsweise wurde die Hauptzuleitung zum Umspannwerk Triesen beschädigt) an.
Sendeunterbruch von Radio Liechtenstein über mehrere Stunden wegen Stromausfalles.
2005
22.-26. August
Schwere Überschwemmungen in Balzers und Triesen; aufgrund getroffener Vorsorge-massnahmen (Retorsionsbecken) kamen keine Personen zu Schaden; nur verhältnismässig geringe Schäden an der Infrastruktur.
Mit den modernen Mitteln des Bevölkerungsschutzes haben Land und Gemeinden die Bewältigung von normalen, besonderen und ausserordentlichen Lagen sowie die Begrenzung von Schäden sicher zu stellen. Entscheidend und mitunter lebensrettend ist dabei, dass die notwendige Zusammenarbeit von Behörden und Partnerorganisationen reibungslos funktioniert und dementsprechend eingeübt wird.
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Die Hilfeleistungen müssen vor allem in ausserordentlichen Lagen bestens koordiniert und organisiert werden.
Die sicherheitspolitische Lage in Europa hat sich seit Ende des kalten Krieges grundlegend verändert. Die Bewältigung von Notlagen stellt daher aus heutiger Sicht neben der Terrorismusbekämpfung die grösste Herausforderungen für den Bevölkerungsschutz dar, wobei letzteres vor allem eine polizeiliche Aufgabe darstellt.
Das Gesetz über die Katastrophenhilfe (LGBl Nr. 1992/48 vom 3. Juni 1992) hat sich grundsätzlich bewährt. Es befasste sich aus dem Gesichtspunkt seiner Entstehungszeit aber praktisch ausschliesslich mit dem Vorgehen in Bezug auf landesweite Katastrophen, die "von der Regierung als solche erklärt" wurden. Damit sind die fliessenden Übergänge vom Unfall über einen Grosschadenfall bis hin zur eigentlichen Katastrophe im Sinne von ausserordentlichen Lagen nicht ausreichend klar geregelt worden. Das neue auf die gegebenen Verhältnisse angepasste Gesetz soll diese Mängel beheben.
Die Einsätze der Hilfs- und Rettungsorganisationen in Liechtenstein erfolgen zurzeit ohne hinreichende gesetzliche Grundlage. Dies betrifft vor allem auch das bewährte, traditionelle Vorgehen der Bergrettung, der Wasserrettung und des Lawinendienstes.
Die aktuelle Bedrohungslage für Liechtenstein ist aufgrund der politischen und vor allem wirtschaftlichen Verbundenheit derjenigen der Schweiz sehr ähnlich.
Die wesentlichen Unterschiede zur Schweiz sind vor allem in der dort bestehenden obligatorischen Dienstverpflichtung (Militär und/oder Zivilschutz) begründet. Liechtenstein kennt kein solches Obligatorium und unterhält weder eine Armee noch einen vergleichbaren Zivilschutz. Eine Dienstpflicht, welcher Art auch immer in diesem Sinne, fehlt zur Gänze.
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Die erfolgte politische und strategische Entwicklung seit der Wende von 1989/90 in Europa, die Beurteilung des modernen Bedrohungsspektrums sowie die immer knapper werdenden Ressourcen erfordern eine Neukonzipierung der liechtensteinischen und schweizerischen Sicherheitspolitik. Die diesbezügliche Kernfrage stellt sich dahingehend, wie sich Liechtenstein und die Schweiz im heutigen geostrategischen Umfeld am besten schützen lassen.
LR-Systematik
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Landtagssitzungen
14. Dezember 2006