Berichte und Anträge
Regierungskanzlei (RK)
BuA - Nummer
2006 / 22
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Ein­lei­tung
I.Bericht der Regierung
1.Aus­gangs­lage
2.Grund­züge der Gesetzesvorlage
3.Ver­nehm­las­sungs­er­gebnis
4.Erläu­te­rungen unter Berück­sich­ti­gung der Vernehmlassung
5.Ver­fas­sungs­mäs­sig­keit
6.Per­so­nelle und finan­zi­elle Auswirkungen
7.Räum­liche und orga­ni­sa­to­ri­sche Auswirkungen
II.Antrag der Regierung
III.Regie­rungs­vor­lage
 
Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend die Abänderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes (Anerkennung schweizerischer Konkursverfahren über Versicherungsunternehmen)
 
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Das Bundesamt für Privatversicherungen (BPV), als zuständige Aufsichtsbehörde über die Versicherungsunternehmen in der Schweiz, hat im Jahre 2004 beschlossen, dass die schweizerischen Versicherungsunternehmen, welche Vermögenswerte, die der Bedeckung von versicherungstechnischen Rückstellungen dienen, bei ausländischen Depotverwahrstellen angelegt haben, bis zum 31.12.2004 diese Depotwerte auf eine von der Eidgenössischen Bankenkommission (EBK) bewilligte Bank in der Schweiz zurücktransferieren müssen. Dieser Entscheid wurde insbesondere damit begründet, dass nicht sichergestellt werden könne, dass ein am Sitz eines schweizerischen Versicherungsunternehmens ordnungsgemäss eröffneter Konkurs im Ausland tatsächlich anerkannt wird. Die Ansprüche der Versicherungsnehmer einer schweizerischen Versicherungsunternehmung wären daher in einem solchen Fall nicht gewährleistet. Eine Ausnahmeregelung wurde nur den Ländern zugestanden, welche nachweisen konnten, dass ein in der Schweiz eröffneter Konkurs über ein schweizerisches Versicherungsunternehmen im Inland vollumfänglich anerkannt wird und jegliche Spezialexekution ausgeschlossen ist. Dieser Nachweis konnte von Liechtenstein aufgrund der geltenden Konkursordnung (Art. 5 Abs. 2 KO) nicht erbracht werden. Verhandlungen der Finanzmarktaufsicht (FMA) mit dem BPV über eine mögliche Lösung im Rahmen des Abkommens vom 19. Dezember 1996 zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und der Schweizerischen Eidgenossenschaft betreffend die Direktversicherung sind ergebnislos verlaufen.
Im Verhältnis zu den anderen EWR-Staaten wurde durch die Umsetzung der Richtlinie 2001/17/EG über die Sanierung und Liquidation von Versicherungsunternehmen vom 19. März 2001 durch Ergänzung des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VersAG) erreicht, dass die Entscheidungen eines EWR-Mitgliedstaates über Sanierungsmassnahmen und die Eröffnung eines Verfahrens zur Liquidation eines Versicherungsunternehmens in jedem anderen Mitgliedstaat anerkannt werden. Das heisst, zwischen den EWR-Mitgliedstaaten ist die Voraussetzung, welche das BPV von Liechtenstein verlangt, um die Depotwerte von schweizerischen Versicherungsunternehmen bei liechtensteinischen Depotstellen belassen zu können, erfüllt.
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Nachdem andere Lösungen nicht in Frage kommen und liechtensteinische Banken als Depotverwahrstellen von schweizerischen Versicherungsunternehmen vom Entscheid des BPV betroffen sind, soll mit der vorliegenden Revision der Geltungsbereich der Bestimmungen betreffend Anerkennung ausländischer Konkursverfahren von Versicherungsunternehmen im VersAG (Art. 59k ff.) auch auf die Schweiz ausgedehnt werden. Damit können liechtensteinische Banken weiterhin als Depotverwahrstellen von schweizerischen Versicherungsunternehmen fungieren.
Zuständiges Ressort
Ressort Wirtschaft
Betroffene Institution
Finanzmarktaufsicht (FMA)
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Vaduz, 14. März 2006
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend die Abänderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes zu unterbreiten.
1.Ausgangslage
Mit Rundschreiben vom 16. Januar 2004 hat das Bundesamt für Privatversicherungen (BPV) sämtliche Lebens-, Schaden- sowie Krankenversicherungsgesellschaften in der Schweiz informiert, dass Werte des gebundenen Vermögens oder des Sicherungsfonds, die zu diesem Zeitpunkt im Ausland verwahrt waren, bis 31.12.2004 auf eine von der EBK bewilligte Bank zurück zu transferieren sind. Dies mit der Begründung, dass nicht sichergestellt sei, dass ein schweizerischer Konkurs und schweizerische Vollstreckungsmassnahmen im Ausland anerkannt werden. Dadurch bestehe die Gefahr, dass Vermögenswerte bei ausländischen Depotverwahrstellen nicht in die Schweiz zurücktransferiert werden können und mit Forderungen im Ausland verrechnet werden. Die Ansprüche von Versicherungsnehmern schweizerischer Versicherungsunternehmen wären daher in einem solchen Fall nicht sichergestellt. Eine Ausnahmeregelung besteht für Belgien und Luxemburg. Ein am Sitz eines schweizerischen Versicherungsunter-
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nehmens ordnungsgemäss nach schweizerischem Recht eröffneter Konkurs wird in diesen Ländern anerkannt. Die Schweizer Konkursverwaltung könnte in der Folge vor den belgischen und luxemburgischen Zivilgerichten auf Herausgabe der Wertpapiere gegenüber dem Verwahrer klagen. Die Anerkennung des schweizerischen Konkurses hat in diesen Ländern die Folge, dass sämtliche Spezialexekutionen ausgeschlossen sind. Eine Einzelvollstreckung in die beim belgischen oder luxemburgischen Verwahrer liegenden Wertschriften ist demzufolge nicht möglich. Die Verwertung der Wertpapiere im Schweizer Konkurs ist schliesslich nur dann sichergestellt, wenn der Verwahrer für allfällige Gegenansprüche kein vorrangiges Verwertungsrecht (insbesondere Retentions- oder Verrechnungsrechte) geltend machen kann. Hierzu bedarf es einer expliziten Verzichtserklärung.
Die Rechtslage in Liechtenstein präsentiert sich derzeit wie folgt: Gemäss den getroffenen Rechtsabklärungen ist nach Art. 5 Abs. 2 der liechtensteinischen Konkursordnung (KO, LGBl. 1973 Nr. 45/2) das im Inland befindliche bewegliche Vermögen eines Gemeinschuldners, über dessen Vermögen der Konkurs im Ausland eröffnet worden ist, der ausländischen Konkursbehörde auf deren Verlangen auszufolgen. Das Vermögen darf erst nach Befriedigung der bis zum Einlangen des Ersuchens erworbenen Aussonderungs- und Absonderungsrechte ausgefolgt werden. Die Ausfolgung ist abzulehnen, insoweit der ausländische Staat nicht Gegenseitigkeit gewährt.
Der Fürstliche Oberste Gerichtshof hielt in seiner Entscheidung vom 6. Mai 2003 zu 2 Cg 2001.68 fest, dass Liechtenstein mit dieser Bestimmung auch einem ausländischen Konkurs Rechtsfolgen im Inland zugesteht. Eine Ausnahme besteht nur, wenn der betreffende ausländische Staat keine Gegenseitigkeit gewährt. Die Notwendigkeit der Gegenseitigkeit bedingt jedoch nicht die Existenz eines entsprechenden Abkommens mit dem betreffenden Staat. Gemäss ständiger Praxis des Fürstlichen Landgerichtes wird den Ersuchen der schweizerischen Konkursämter auf Sperrung von Konten des Gemeinschuldners sowie Ausfolgung des beweglichen Vermögens nachgekommen. Die schweizerischen Konkursbehörden
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ihrerseits begründen das Bestehen der Gegenseitigkeit mit Verweis auf Art. 166 des schweizerischen IPRG.
Das BPV wurde daraufhin ersucht, Liechtenstein ebenfalls eine Ausnahmeregelung zuzugestehen mit der Begründung, dass schweizerische Konkurse in Liechtenstein grundsätzlich anerkannt werden. Das BPV hat daraufhin von Liechtenstein ein Rechtsgutachten von einer unabhängigen Fachperson oder von einer fachlich für das Konkurswesen zuständigen Behörde verlangt, welches bestätigt, dass ein schweizerischer Konkurs in Liechtenstein vollumfänglich anerkannt wird und jegliche Spezialexekution in die in Liechtenstein deponierten Werte des Sondervermögens ausgeschlossen ist. Begründet wurde dies insbesondere damit, dass Art. 5 Abs. 2 KO dahingehend interpretiert werden könnte, dass vorweg liechtensteinische Aussonderungsrechte zu befriedigen sind, bevor ein Vermögen der ausländischen Konkursbehörde ausgefolgt wird. Liechtenstein wurde im Zuge dessen eine Fristverlängerung zur Rückführung dieser Vermögenswerte bis 31. März 2005 gewährt. Das Ressort Justiz kam am 11. März 2005 zum Schluss, dass ein Rechtsgutachten mit dem vom BPV geforderten Inhalt nicht ohne Weiteres abgegeben werden kann, da gestützt auf Art. 5 Abs. 2 KO Auslandkonkurse nur dann anzuerkennen und inländisches Vermögen nur dann an die ausländische Konkursbehörde auszufolgen ist, wenn:
dem nicht Aus- oder Absonderungsansprüche Dritter entgegenstehen,
nicht ein Inlandkonkurs eröffnet wurde, und
der betreffende ausländische Staat Gegenrecht gewährt.
Ein Ausschluss von Spezialexekutionen nach Konkurseröffnung ist nach liechtensteinischem Recht grundsätzlich gegeben. Gemäss Art. 19 Abs. 1 KO können Rechtsstreitigkeiten, welche die Geltendmachung oder Sicherstellung von Ansprüchen auf das zur Konkursmasse gehörige Vermögen bezwecken, gegen den Gemeinschuldner weder anhängig gemacht noch fortgesetzt werden. Die Geltendmachung von Aussonderungsgütern wird dabei nicht als Spezialexekution in
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das Vermögen des Gemeinschuldners zu verstehen sein, da sie als konkursfremdes Eigentum nicht zum Vermögen des Gemeinschuldners gehören und damit nicht Teil der Konkursmasse sind. Die Frage nach den Absonderungsansprüchen ist jedoch schwieriger zu beantworten. Beispielsweise bilden die Vermögenswerte zur Deckung der versicherungstechnischen Rückstellungen im liechtensteinischen Konkurs eine Sondermasse nach Art. 45 KO (Art. 59a Abs. 1 VersAG). Grundsätzlich aber sind mit Absonderungsrechten dingliche Rechte (meist Pfandrechte) an Teilen der Konkursmasse gemeint.
Die Eröffnung eines Inlandkonkurses kann nicht ohne Weiteres ausgeschlossen werden. In solchen Fällen würde das ausländische Konkursverfahren gemäss Art. 5 Abs. 2 Ziff. 2 KO in Liechtenstein nicht anerkannt.
Zur Frage des Gegenrechts zwischen Liechtenstein und der Schweiz wird ausgeführt, dass dieses aufgrund der jüngeren OGH-Judikatur sowie ständiger Praxis des Landgerichtes im Ergebnis zu bejahen ist.
Die Abklärungen ergaben, dass wohl legislative Massnahmen nötig wären, um eine solche Rechtslage zu schaffen, die eine vollumfängliche Anerkennung schweizerischer Konkurse sowie den Ausschluss jeglicher Spezialexekution gegen die in Liechtenstein deponierten Werte des Sondervermögens vorsieht.
Nachdem das BPV eine klare Rechtslage als unverzichtbar erachtete, hat in der Folge das Ressort Wirtschaft mit Schreiben vom 30. Juni 2005 dem BPV vorgeschlagen, eine Lösung im Rahmen des bilateralen Abkommens vom 19. Dezember 1996 zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und der Schweizerischen Eidgenossenschaft betreffend die Direktversicherung (LGBl. 1998 Nr. 129) zu prüfen.
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Dieser Vorschlag wurde vom BPV aufgenommen und eine Fristverlängerung für die allfällige Rückführung der Vermögenswerte bis Ende 2005 zugesichert. Der Bankenverband wurde über die Situation und die Entwicklung informiert. Das BPV stellte fest, dass die Aufnahme von konkursrechtlichen Bestimmungen den Rahmen des Direktversicherungsabkommens sprengen würde. Zudem wurde bestätigt, dass das BPV nicht kompetent sei, einer Regelung zuzustimmen, die das schweizerische Schuldbetreibungs- und Konkursrecht tangiere. Die FMA hat das Ressort Wirtschaft am 5. Dezember 2005 dahingehend informiert, dass keine Lösung auf bilateralem Wege möglich sei.
Nach diversen direkten Kontakten mit dem BPV hat das Ressort Wirtschaft in einem Schreiben vom 15. Dezember 2005 diesem - unter Vorbehalt der Zustimmung des Landtages - in Aussicht gestellt, eine Gesetzesrevision umgehend an die Hand zu nehmen, um damit den gesicherten Rechtsstand herzustellen. Hierfür hat das BPV einer (letztmaligen) Fristverlängerung zur Rückführung der in Liechtenstein gelegenen Depotwerte schweizerischer Versicherungsunternehmen bis zum 1. Juli 2006 zugestimmt. Bis dahin muss Liechtenstein das nationale Recht entsprechend angepasst haben. Dies soll mit dieser Vorlage geschehen.
LR-Systematik
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LGBl-Nummern
2006 / 123
Landtagssitzungen
20. April 2006
Stichwörter
Ver­si­che­rungs­auf­sichts­ge­setz, Abän­de­rung (Aner­ken­nung CH-Kon­kurs­ver­fahren über Versicherungsunternehmen)