Berichte und Anträge
Regierungskanzlei (RK)
BuA - Nummer
2006 / 53
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Ein­lei­tung
I.Bericht der Regierung
1.Aus­gangs­lage
2.Ver­nehm­las­sung
3.Inter­na­tio­nale Grundlagen
4.Rechts­ver­gleich
5.Schwer­punkte der Vorlage
6.Opfer­hilfe und Strafprozessordnung
7.Erläu­te­rungen zu den ein­zelnen Bes­tim­mungen der Regie­rungs­vor­lage (RV)
(Unmit­tel­bare) Opfer (Abs. 1)
Ange­hö­rige des Opfers (Abs. 2)
Hel­fe­rInnen (Abs. 3)
Opfer­hilfe auch bei man­gelnder Ver­folg­bar­keit der Tat und bei Fahr­läs­sig­keits­de­likten (Abs. 4)
Zu Art. 2 (Tatort, Sub­si­dia­rität, Mit­wir­kungs­pflicht des Opfers und Einkommensgrenze)
Aus­land­staten (Abs. 2)
Tat­be­ge­hung an Bord liech­tens­tei­ni­scher Schiffe oder Luft­fahr­zeuge (Abs. 3)
Sub­si­dia­rität (Abs. 4)
Mit­wir­kungs­pflicht des Opfers (Abs. 5)
Ein­kom­mens­grenze (Abs. 6)
Zu Art. 3 (OHG-Grenz­wert und anre­chen­bares Einkommen)
Grenz­wert (Abs. 1)
Anre­chen­bares Ein­kommen (Abs. 2)
Zu Art. 4 (Infor­ma­tion über die Opfer­hilfe und Meldung)
Infor­ma­tions- bzw. Mel­de­pflicht (Abs. 1)
Zustän­dig­keit (Abs. 2)
Ver­tre­tungs­be­hörden im Aus­land (Abs. 3)
Mel­dung (Abs. 4)
Zu Art. 5 (Verfahrenshilfe)
Unent­gelt­lich­keit des Ver­fah­rens nach dem OHG (Abs. 1)
Unent­gelt­lich­keit der Fol­ge­ver­fahren (Abs. 2)
Bei­ge­bung eines unent­gelt­li­chen Rechts­bei­stands (Abs. 3)
Zu Art. 6 (Über­gang von Ansprü­chen auf den Staat)
Legalzes­sion (Abs. 1)
Vor­rang der staat­li­chen Ansprüche (Abs. 2)
Regress (Abs. 3)
Zu Art. 7 (Ein­rich­tung der Opfer­hil­fes­telle und Zusammenarbeit)
Zu Art. 8 (Auf­gaben der Opferhilfestelle)
Arten der Hil­fes­tel­lung (Abs. 1 und 2)
Unauf­schieb­bare Hilfe (Abs. 3)
Bera­tung und Beglei­tung (Abs. 4)
Öffent­lich­keits­ar­beit (Abs. 5)
Berichts­pflicht (Abs. 6)
Zu Art. 9 (Inan­spruch­nahme und Kontaktaufnahme)
Keine Befri­stung der Hilfe der Bera­tungss­telle (Abs. 1)
Nach­ge­hende Betreuung (Abs. 2)
Zu Art. 10 (Unent­gelt­liche Lei­stungen und Kos­ten­bei­träge für Hil­fe­lei­stungen Dritter)
Unent­gelt­liche Lei­stungen (Abs. 1)
Län­ger­fris­tige Hilfe Dritter; Kos­ten­bei­träge (Abs. 2)
Abgren­zung zur Ent­schä­di­gung (Abs. 3)
Zu Art. 11 (Akteneinsicht)
Akten­ein­sicht (Abs. 1)
Ver­wei­ge­rung der Akten­ein­sicht (Abs. 2)
Zu Art. 12 (Verschwiegenheitspflicht)
Ver­schwie­gen­heits­pflicht wäh­rend auf­rechter Tätig­keit für die Opfer­hil­fes­telle (Abs. 1)
Ver­schwie­gen­heits­pflicht nach Been­di­gung der Mit­ar­beit in der Opfer­hil­fes­telle (Abs. 2)
Ent­bin­dung von der Ver­schwie­gen­heits­pflicht (Abs. 3)
Ver­schwie­gen­heit bei ernst­li­cher Gefähr­dung Min­der­jäh­riger (Abs. 4)
Ver­let­zung der Ver­schwie­gen­heits­pflicht (Abs. 5)
Zu Art. 13 (Anspruch auf Schadenersatz)
Nicht­vererb­li­cher Anspruch auf Ersatz von ide­ellen Schäden (Abs. 4)
Pla­fo­nie­rung des Scha­den­er­satzes und Zinsen (Abs. 5)
Zu Art. 14 (Bemes­sung und Beschrän­kung des Ersatzes von Vermögensschäden)
Bemes­sung des Aus­masses der Ent­schä­di­gung mit Hilfe des Grenz­werts (Abs. 1)
Anrech­nung der Lei­stungen Dritter (Abs. 2)
Begren­zung des Ersatzes von Ver­mö­gensschäden (Abs. 3)
Zu Art. 15 (Vor­schuss für den Ersatz von Vermögensschäden)
Voraus­set­zungen (Abs. 1)
Rück­er­stat­tung des Vor­schusses (Abs. 2)
Aus­nahmen von der Rück­er­stat­tungs­pflicht (Abs. 3)
Zu Art. 16 (Bemes­sung und Beschrän­kung des Ersatzes von ide­ellen Schäden)
Bemes­sungs­grund­lage für ide­elle Schäden (Abs. 1)
Ober­grenzen für ide­elle Schäden (Abs. 2)
Berück­sich­ti­gung der Lei­stungen Dritter (Abs. 3)
Zu Art. 17 (Her­ab­set­zung und Aus­schluss des Schadenersatzes)
Voraus­set­zungen der Her­ab­set­zung (Abs. 1)
Her­ab­set­zung bei Wohn­sitz im Aus­land (Abs. 2)
Zu Art. 18 (Ent­schei­dung über Anträge auf Schadenersatz)
Zu Art. 19 (Antrags­ver­fahren und Verwirkung)
Anträge auf Scha­den­er­satz (Abs. 1)
Vor­prü­fung durch die Opfer­hil­fes­telle (Abs. 2)
Frist zur Gel­tend­ma­chung von Ansprü­chen (Abs. 3)
Ver­län­ge­rung der Ver­wir­kungs­frist (Abs. 4 )
Berück­sich­ti­gung von Straf­ver­fahren beim Fris­ten­lauf (Abs. 5)
Zu Art. 20 (Rechtsmittel)
Zu Art. 21 (Verfahren)
Zu Art. 22 (Teuerungsanpassung)
Zu Art. 23 (Durchführungsverordnung)
Zu Art. 24 (Übergangsbestimmung)
II.Ver­fas­sungs­mäs­sig­keit
III.Per­so­nelle und finan­zi­elle Auswirkungen
IV.Antrag der Regierung
V.Regie­rungs­vor­lage
 
Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend die Schaffung eines Gesetzes über  die Hilfe an Opfer von Straftaten (Opferhilfegesetz, OHG)
 
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Die bedauerliche Erfahrung, Opfer einer Straftat geworden zu sein, kann leider nicht ungeschehen gemacht werden. Die betroffenen Personen sollen jedoch bei der Bewältigung der zahlreichen und vielfältigen Probleme, mit denen sie infolge einer Straftat konfrontiert sind, bestmöglich unterstützt werden und Anspruch auf staatliche Hilfe haben. Den Auftakt für die Erarbeitung eines liechtensteinischen Opferhilfegesetzes bildete eine parlamentarische Motion, die vom Landtag in der Sitzung vom 12. Dezember 2001 einstimmig an die Regierung überwiesen wurde.
Die mit der Motion geforderte wirksame staatliche Hilfeleistung zu gewährleisten, ist das Ziel der gegenständlichen Regierungsvorlage. Dies soll auf der Basis der zwei Säulen Beratung einerseits und der finanziellen Hilfe andererseits erreicht werden.
Die sachgerechte Betreuung von Opfern und deren Angehörigen ist erstes und wichtigstes Ziel der Opferhilfe. Zu diesem Zweck wird eine Opferhilfestelle geschaffen. Sie soll die im Einzelfall notwendige Hilfe in medizinischer, psychologischer, sozialer, materieller und rechtlicher Hinsicht leisten bzw. organisieren und koordinieren sowie über die Opferhilfe informieren. Es ist einerseits rund um die Uhr unaufschiebbare Soforthilfe zu gewährleisten und andererseits auch für längerfristige Hilfe zu sorgen.
Im Bereich der finanziellen Hilfe sieht die Regierungsvorlage sowohl eine umfassende Verfahrenshilfe als auch Schadenersatzansprüche gegenüber dem Staat vor. Die Verfahrenshilfe umfasst die Befreiung des Opfers von den eigentlichen Verfahrenskosten, wie Gerichtsgebühren oder Gutachtenskosten sowie - je nach Vermögenslage - die Beigebung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes. Damit soll dem Opfer geholfen werden, seine Ansprüche gegen den Täter/die Täterin oder bspw. gegen eine Versicherung geltend zu machen. Daneben soll es dem Opfer ermöglicht werden, vom Staat den Ersatz für den erlittenen materiellen sowie ideellen Schaden zu erhalten, sofern es von den primär Leistungspflichtigen (Täter/Täterin, Versicherung) nicht oder nicht genügend entschädigt wird. Die Opferhilfe durch den Staat tritt insofern hinter die Leistungen Dritter zurück und ergänzt damit im Sinne eines subsidiären Auffangnetzes den Schutz, der dem Opfer vom geltenden Recht bereits geboten wird.
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Die Regierungsvorlage orientiert sich am schweizerischen Recht. Die Anliegen der parlamentarischen Motion aus dem Jahre 2001 werden vollumfänglich erfüllt. Schliesslich wäre mit der Gesetzwerdung auch die Voraussetzung gegeben, das von Liechtenstein am 7. April 2005 unterzeichnete Europäische Übereinkommen über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten zu ratifizieren. Dies hätte eine Besserstellung jener Liechtensteinerinnen und Liechtensteiner zur Folge, die in einem Vertragsstaat Opfer eines Gewaltverbrechens werden.
Zuständige Ressorts
Ressort Justiz, Ressort Soziales
Betroffene Stellen
Amt für Soziale Dienste, Landespolizei, Landgericht, Staatsanwaltschaft, Liechtensteinische Vertretungen im Ausland, bereits bisher im Opferhilfebereich tätige Nichtregierungsorganisationen
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Vaduz, 23. Mai 2006
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend die Schaffung eines Gesetzes über die Hilfe an Opfer von Straftaten (Opferhilfegesetz - OHG) zu unterbreiten.
1.1Anlass - Motion aus dem Jahre 2001
In den letzten Jahren ist es im Fürstentum Liechtenstein zu einer deutlichen Sensibilisierung gegenüber Opferschutzaspekten gekommen. Erste Schritte zu einer Verbesserung der Situation von Opfern wurden durch die Revision des Sexualstrafrechts (LGBl. 2001 Nr. 16), gefolgt von der Abänderung der Strafprozessordnung im Bereich des prozessualen Opferschutzes, LGBl. 2004 Nr. 236, unternommen.
Den Auftakt für die Erarbeitung eines liechtensteinischen Opferhilfegesetzes bildete eine parlamentarische Motion der Abgeordneten Walter Vogt, Ivo Klein, Walter Hartmann, Hugo Quaderer, Otto Büchel, Donath Oehri, Erich Sprenger, Peter Sprenger, Ingrid Hassler-Gerner, Dorothee Laternser und Peter Wolff. Die
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Motion wurde in der Landtagssitzung vom 12. Dezember 2001 mit folgendem Wortlaut einhellig an die Regierung überwiesen.
"Der Landtag wolle beschliessen:
1. Die Regierung wird beauftragt, dem Landtag baldmöglichst einen Gesetzgebungsvorschlag zur Schaffung eines Opferhilfegesetzes vorzulegen.
2. Im Rahmen des Gesetzgebungsvorschlages zur Schaffung eines Opferhilfegesetzes sind die folgenden Grundsätze zu berücksichtigen:
a) Den Opfern von Straftaten (Personen die durch eine Straftat in ihrer körperlichen, sexuellen oder psychischen Integrität unmittelbar beeinträchtigt worden sind sowie deren Ehegatten, Kinder, Eltern sowie andere Personen, die ihnen in ähnlicher Weise nahe stehen) soll wirksame Hilfe (Beratung und Entschädigung) geleistet werden.
b) Es ist eine selbständige öffentliche oder private Beratungsstelle einzurichten, die dem Opfer medizinische, psychologische, soziale, materielle und juristische Hilfe leistet und vermittelt und die über die Hilfe an Opfer informiert. Die Beratungsstelle muss so organisiert sein, dass sie jederzeit Soforthilfe leisten kann.
Die Leistungen der Beratungsstelle und die Soforthilfe Dritter sind unentgeltlich. Die Beratungsstelle übernimmt weitere Kosten, wie Arzt-, Anwalts- und Verfahrenskosten, soweit dies aufgrund der persönlichen Verhältnisse des Opfers angezeigt ist.
c) Das Opfer hat Anspruch auf eine Entschädigung für den durch die Straftat erlittenen finanziellen Schaden. Die Entschädigung ist einkommensabhängig (je grösser das Einkommen, desto kleiner die Entschädigung) zu gestalten.
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Leistungen, die das Opfer als Schadenersatz erhalten hat, werden von der Entschädigung abgezogen."
Als Begründung führten die Motionäre an, dass Menschen, die durch eine Straftat zu Opfern geworden sind - beziehungsweise bei Tötungsdelikten die Hinterbliebenen - meist wenig gesellschaftliche Unterstützung bei der Verarbeitung des traumatischen Erlebnisses finden würden. Die in der Begründung weiters geforderten speziellen Schutzmassnahmen für misshandelte und missbrauchte Kinder sind bereits durch die oben erwähnte Novellierung der Strafprozessordnung (Opferschutz) umgesetzt.
LR-Systematik
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312
LGBl-Nummern
2007 / 228
Landtagssitzungen
23. Juni 2006
Stichwörter
OHG, Opferhilfegesetz
Opfer­hil­fe­ge­setz, OHG, Gesetz
Straf­taten, Opferhilfe