Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend Das Fakultativprotokoll vom 18. Dezember 2002 zum Übereinkommen vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (OP-CAT)
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Das Fakultativprotokoll zum Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (im Folgenden: Fakultativprotokoll) wurde von der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 18. Dezember 2002 verabschiedet. Es ist am 22. Juni 2006 in Kraft getreten. Es hat den Zweck, den Schutz von Personen, denen die Freiheit entzogen ist, zu verstärken. Dies soll primär durch Besuche von nationalen und internationalen Gremien an Orten, an denen Personen die Freiheit entzogen ist, erreicht werden. Mit dem Fakultativprotokoll wird auf internationaler Ebene als neues Organ der Unterausschuss zur Verhinderung von Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung geschaffen. Dieser Unterausschuss wird dem Ausschuss gegen Folter (im Folgenden: Unterausschuss), der unter dem Übereinkommen selbst geschaffen wurde, angegliedert. Der Unterausschuss kann Besuche an allen Orten durchführen, die der Hoheitsgewalt oder Kontrolle der Vertragsstaaten unterstehen und an denen sich Personen befinden oder befinden könnten, denen die Freiheit entzogen ist. Die Vertragsstaaten ihrerseits verpflichten sich, dem Unterausschuss uneingeschränkten Zugang zu allen Orten der Freiheitsentziehung und zu deren Einrichtungen und Dienststellen zu gewähren. Des Weiteren müssen sie dem Unterausschuss alle einschlägigen Informationen zur Verfügung stellen, welche die Behandlung von Personen, denen die Freiheit entzogen ist, und deren Haftbedingungen betreffen. Nach seinem Besuch unterbreitet der Unterausschuss dem jeweiligen Staat vertraulich seine Feststellungen und Empfehlungen. Zusätzlich gehen die Vertragsstaaten des Fakultativprotokolls die Verpflichtung ein, auf innerstaatlicher Ebene (mindestens) einen Präventionsmechanismus zu errichten, der im Wesentlichen über die gleichen Befugnisse wie der Unterausschuss verfügt. Ihre Jahresberichte sind durch den Vertragsstaat zu veröffentlichen und zu verbreiten. Das Fakultativprotokoll stellt somit eine wichtige Ergänzung zum Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe dar, da es zwei wirkungsvolle Säulen, eine internationale und eine innerstaatliche, für ein weltweites System zur Verhütung von Folter schafft.
Liechtenstein hat sich im Rahmen der Vereinten Nationen wiederholt für die Stärkung des Folterverbots ausgesprochen und sich auch um die Verabschiedung des Fakultativprotokolls bemüht. Es entspricht der politischen Tradition unseres Lan-
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des, sich gegen Folter einzusetzen. Mit der Ratifikation des Fakultativprotokolls kann Liechtenstein ein klares Zeichen von Kontinuität in seinem langjährigen Engagement für die Wahrung der Menschenrechte setzen.
Bisher haben 51 Staaten das Fakultativprotokoll unterzeichnet und 22 Staaten haben es ratifiziert (Stand 16. August 2006). Liechtenstein hat das Fakultativprotokoll zum Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe am 24. Juni 2005 aus Anlass des Internationalen Tages gegen die Folter in New York unterzeichnet.
Liechtenstein wird innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten des Fakultativprotokolls, also bis etwa Ende 2007, ein landesinternes Organ bestimmen müssen, welches als so genannter "nationaler Präventionsmechanismus" tätig wird. Die Voraussetzungen dazu sollen im Rahmen der derzeit in Behandlung befindlichen Revision des Strafprozessrechts geschaffen werden. Im Übrigen entstehen keine direkten personellen und finanziellen Verpflichtungen.
Zuständige Ressorts
Ressort Äusseres, Ressort Justiz, Ressort Inneres
Betroffene Amtsstellen
Amt für Auswärtige Angelegenheiten, Landespolizei
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Vaduz, 23. August 2006
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend das Fakultativprotokoll vom 18. Dezember 2002 zum Übereinkommen vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe zu unterbreiten.
Aus der Erkenntnis, dass Folter einen besonders schwerwiegenden Angriff auf die Menschenwürde und die Menschenrechte darstellt und die auf nationaler und internationaler Ebene zum damaligen Zeitpunkt vorhandenen Schutzsysteme nicht genügten, um die Folter einzudämmen oder gar auszumerzen, forderte die UNO-Generalversammlung die Menschenrechtskommission des Wirtschafts- und Sozialrates am 8. Dezember 1977 auf, ein Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (Convention against Torture and other Cruel, Inhuman or Degrading Treatment or Punishment, CAT) auszuarbeiten. Am 10. Dezember 1984 konnte das Übereinkommen
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durch die UNO-Generalversammlung verabschiedet werden. In Liechtenstein ist das Übereinkommen am 2. Dezember 1990 in Kraft getreten (LGBl. 1991 Nr. 59). Darin verpflichten sich die Vertragsstaaten, dem Ausschuss gegen Folter regelmässig einen Bericht über die zur Erfüllung des Übereinkommens getroffenen Massnahmen vorzulegen (Staatenberichtsverfahren). Liechtenstein hat bisher zwei solche Berichte eingereicht. Des Weiteren regelt das Übereinkommen ein fakultatives Individualbeschwerdeverfahren, dem sich auch Liechtenstein unterworfen hat. Das Übereinkommen sieht jedoch keinen institutionalisierten Besuchsmechanismus vor. Beim Übereinkommen gegen Folter handelt es sich somit um ein Instrument, mit dem die Verletzung einer Bestimmung sanktioniert wird, nachdem sie erfolgt ist. Es werden keine Massnahmen zur Prävention festgelegt. Genau diese Lücke soll mit dem Fakultativprotokoll zum Übereinkommen beseitigt werden.
Die dem Fakultativprotokoll zu Grunde liegende Idee entstand 1979 und geht auf eine Initiative des Genfer Juristen und Bankiers Jean-Jacques Gautier zurück, der das "Comité contre la torture" gründete (Ausschuss gegen Folter, heute "Association pour la prévention de la torture", APT, Vereinigung zur Verhütung von Folter). Jean-Jacques Gautier wollte die Folter mit einer wirkungsvollen internationalen Institution weltweit beseitigen. Diese Vision wurde von der Schweiz unterstützt, indem sie die Erarbeitung eines Fakultativprotokolls vorschlug. Ab 1992 wurde an der Formulierung des Fakultativprotokolls gearbeitet. Die Arbeiten in der Menschenrechtskommission waren vorübergehend bis 2001 blockiert, hauptsächlich weil es unterschiedliche Auffassungen über die Schaffung eines Aufsichtsgremiums gab. Schliesslich wurde 2002 eine Kompromisslösung gefunden, der sich alle Staaten anschlossen: Das System zur Verhütung der Folter beruht gemäss diesem Kompromiss auf zwei Säulen, nämlich auf einem internationalen Gremium (dem so genannten Unterausschuss des Ausschusses gegen Folter), und auf einem innerstaatlichen Gremium zur Verhütung von Folter. Die letzten Verhandlungen, welche zum Abschluss des Protokolls führten, erfolgten im Dritten Hauptausschuss der Generalversammlung unter liechtensteinischem Vorsitz. Das
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Fakultativprotokoll wurde am 18. Dezember 2002 von der Generalversammlung mit 127 gegen 4 Stimmen bei 42 Enthaltungen angenommen. Das Protokoll ist am 22. Juni 2006 in Kraft getreten, 30 Tage nach der Ratifikation durch den zwanzigsten Staat. Bis zum 9. August 2006 wurde es von 51 Staaten unterzeichnet und von 22 Staaten ratifiziert. Liechtenstein hat das Fakultativprotokoll am 24. Juni 2005 aus Anlass des Internationalen Tages gegen die Folter in New York unterzeichnet.