Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend die Änderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozessordnung, des Betäubungsmittelgesetzes und des Rechtshilfegesetzes
5
Die II. EU-Geldwäscherei-Richtlinie wurde im August 2003 mit Beschluss des Gemeinsamen EWR-Ausschusses in das EWR-Abkommen übernommen. Dieser Beschluss ist am 1. Juni 2004 in Kraft getreten. Der Landtag hatte ihm in seiner Sitzung vom 17./18. Dezember 2003 seine Zustimmung erteilt. Die Vorgaben der Richtlinie entsprachen schon zum Zeitpunkt ihrer Übernahme in weiten Teilen dem geltenden Recht oder wurden bereits durch die Totalrevision des Sorgfaltspflichtgesetzes (LGBl. 2005 Nr. 3) umgesetzt. Einige Bestimmungen gehen jedoch über geltendes Recht hinaus und machen eine Anpassung des Strafgesetzbuches und des Rechtshilfegesetzes notwendig. Es geht insbesondere um
die Schaffung des neuen Tatbestandes des Förderungsmissbrauchs nach § 153a StGB;
die Aufnahme schwerer Fälle des Mehrwertsteuerbetruges in den Vortatenkatalog des Tatbestandes der Geldwäscherei nach § 165 StGB;
und die Ermöglichung der (kleinen) Rechtshilfe für schwere Fälle von Mehrwertsteuerbetrug und von qualifizierten Zollübertretungen durch Abänderung des Art. 51 RHG.
Bezüglich der Aufnahme schwerer Fälle des Mehrwertsteuerbetruges in den Vortatenkatalog der Geldwäschereibestimmung des § 165 StGB und die Ermöglichung der (kleinen) Rechtshilfe für schwere Fälle von Mehrwertsteuerbetrug und von qualifizierten Zollübertretungen durch Abänderung des Art. 51 RHG gilt festzuhalten, dass dies ausschliesslich für Delikte zu Lasten des EU-Haushalts gilt, d.h. die Rechtshilfefähigkeit bei Mehrwertsteuerbetrug und bei qualifizierten Zollübertretungen entsteht nur, wenn die Tathandlungen eine Schädigung des EU-Haushalts zum Inhalt haben.
Am 20. Juni 2003 hat die Financial Action Task Force (FATF) ihre revidierten 40 Empfehlungen veröffentlicht. Die Empfehlungen 1-3 und 36-39 betreffen das materielle und formelle Strafrecht und die Rechtshilfe. Die FATF-Empfehlung 1 verweist auf das Palermo-Übereinkommen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität, das Liechtenstein am 12. Dezember 2000 unterzeichnet hat. Dieses so genannte Palermo-Übereinkommen enthält ebenso wie das Zusatzprotokoll zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels, insbe-
6
sondere des Frauen- und Kinderhandels, und das Zusatzprotokoll gegen Schlepperei von Migranten auf dem Land-, See- und Luftweg Vorgaben im Bereich der Geldwäsche. Liechtenstein hat diese beiden Protokolle am 14. März 2001 unterzeichnet.
Damit ergibt sich eine enge thematische Verwandtschaft zur II. EU-Geldwäscherei-Richtlinie. Im Bericht und Antrag wird daher eine Reihe von Änderungen des Strafgesetzbuches zur Erfüllung der Vorgaben der FATF-Empfehlungen und zur Vorbereitung der Ratifizierung der drei genannten völkerrechtlichen Instrumente vorgeschlagen. Es sind dies insbesondere
die Abänderung des Tatbestandes des Menschenhandels (bisher § 217 StGB, neu § 104a StGB);
die Aufnahme des § 278 StGB und von Art. 23 Abs. 1 und 2 ANAG in den Vortatenkatalog des Tatbestandes der Geldwäscherei nach § 165 StGB;
die Schaffung des neuen Tatbestandes des grenzüberschreitenden Prostitutionshandels nach § 217 neu StGB;
die Abänderung des Tatbestandes der Bandenbildung nach § 278 StGB, der neu "Kriminelle Vereinigung" heisst, und schliesslich
die Abänderung des Tatbestandes der kriminellen Organisation nach § 278a StGB.
Zuständige Ressorts
Ressort Justiz, Ressort Finanzen, Ressort Äusseres
Betroffene Amtsstellen und Institutionen
Landgericht, Staatsanwaltschaft, Stabsstelle Financial Intelligence Unit, Amt für Auswärtige Angelegenheiten
7
Vaduz, 13. Februar 2007
P
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend die Änderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozessordnung, des Betäubungsmittelgesetzes und des Rechtshilfegesetzes zu unterbreiten.
Das wesentliche Anliegen dieser Vorlage besteht darin, das liechtensteinische (materielle) Geldwäschereistrafrecht an drei internationale Vorgaben der jüngeren Zeit anzupassen und die Voraussetzungen für die Ratifizierung des so genannten "Palermo-Übereinkommens" der UNO gegen transnationale organisierte Kriminalität sowie von zwei dazu verabschiedeten Zusatzprotokollen zu schaffen.
Zum einen wurde durch den Beschluss des Gemeinsamen EWR-Ausschusses Nr. 98/2003 vom 11. August 2003 die Richtlinie 2001/97/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Dezember 2001 zur Änderung der Richtlinie
8
91/308/EWG des Rates zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche (
im Folgenden: II. Geldwäscherei-Richtlinie) in das EWR-Abkommen übernommen.
Zum anderen hat Liechtenstein am 12. Dezember 2000 das von der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 15. November 2000 mit Resolution 55/25 verabschiedete Übereinkommen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität (im Folgenden: "Palermo-Übereinkommen") unterzeichnet. Das Übereinkommen wurde von 147 Staaten unterzeichnet. 131 Staaten sind Vertragsparteien. Am 14. März 2001 hat Liechtenstein überdies zwei Zusatzprotokolle zu diesem Übereinkommen unterzeichnet, nämlich das Protokoll zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels, insbesondere des Frauen- und Kinderhandels (117 Unterzeichnerstaaten, 111 Vertragsparteien), und das Protokoll gegen Schlepperei von Migranten auf dem Land-, See- und Luftweg (112 Unterzeichnerstaaten, 105 Vertragsparteien). Art. 6 dieses Übereinkommens enthält eine Geldwäschereibestimmung, die auch für die Straftatbestände nach den Zusatzprotokollen gilt.
Schliesslich hat die Financial Action Task Force (FATF) ihre "40 Empfehlungen" aus 1996 revidiert und am 20. Juni 2003 als die "Revidierten 40 Empfehlungen (2003)" veröffentlicht (im Folgenden: revidierte 40 FATF-Empfehlungen).
Das geltende liechtensteinische Strafrecht entspricht den sich aus diesen internationalen Instrumenten ergebenden Anforderungen schon weitgehend. Punktuell besteht aber noch Umsetzungsbedarf. Der Bericht und Antrag dokumentiert sowohl die bereits erfolgten Umsetzungsschritte und schlägt die zusätzlichen erforderlichen Rechtsanpassungen vor.