Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend die Totalrevision des Strafvollzugsgesetzes und die Abänderung weiterer Gesetze
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Das geltende Strafvollzugsrecht stammt grösstenteils aus dem Jahre 1983 und wurde zu einer Zeit geschaffen, als sich die tatsächlichen Verhältnisse von der heutigen Realität des Strafvollzuges noch sehr unterschieden haben. So waren zum damaligen Zeitpunkt beispielsweise die liechtensteinischen Häftlinge noch im Keller des Regierungsgebäudes untergebracht. Im Vergleich zu den Rechtsgrundlagen aus den 80er Jahren des vorherigen Jahrhunderts mit einem knappen Gesetz von 45 Artikeln und einer Verordnung von 29 Artikeln wird nun eine total revidierte Gesetzesvorlage vorgelegt, welche das Recht des Strafvollzuges wesentlich konsistenter regelt, als dies bisher der Fall war. Das neue Strafvollzugsrecht soll damit mehr Rechtssicherheit sowohl für die Gefangenen als auch für das Strafvollzugspersonal schaffen.
Die vorgeschlagenen neuen Bestimmungen des Strafvollzugsrechts wurden vom österreichischen Strafvollzugsgesetz rezipiert, um ein reibungsloses Zusammenspiel mit den Bestimmungen der Strafprozessordung und dem Strafgesetzbuch zu gewährleisten, welche ebenfalls aus dem österreichischen Recht rezipiert worden sind. Zudem wird so dem engen Zusammenhang mit dem österreichischen Strafvollzugssystem Rechnung getragen werden, da mehrjährige Freiheitsstrafen in der Regel in österreichischen Strafanstalten vollzogen werden. Des Weiteren wird der rechtsstaatliche Gedanke verstärkt umgesetzt, wenn die Normen des Strafvollzuges künftig auf Gesetzesstufe normiert werden. Gleichzeitig werden in der Strafprozessordnung auch die Rechtsvorschriften betreffend die Untersuchungshaft angepasst, wie sie sich in Österreich bewährt haben.
Weiters trägt die Vorlage den Erkenntnissen, welche aus Besuchen und Empfehlungen des Europäischen Komitees zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) bzw. des Menschenrechtskommissars des Europarates resultieren, Rechnung, indem für den Strafvollzug Rechtsgrundlagen geschaffen werden, welche ein modernes Verständnis der Menschenrechte widerspiegeln. Mit dieser Vorlage werden schliesslich die Bestimmungen der §§ 133 ff. der Strafprozessordnung (StPO) betreffend die Behandlung der Untersuchungsgefangenen zeitgemässer gestaltet, um zu vermeiden, dass die Letztgenannten schlechter gestellt würden als Strafgefangene.
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Zuständige Ressorts
Ressort Justiz, Ressort Inneres
Betroffene Stellen
Landesgefängnis, Landespolizei, Landgericht, Staatsanwaltschaft, Beschwerdekommission für Verwaltungsangelegenheiten, Amt für Gesundheitsdienste, Amt für Soziale Dienste, Institutionen im Bereich der Bewährungshilfe
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Vaduz, 24. April 2007
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend die Totalrevision des Strafvollzugsgesetzes und die Abänderung weiterer Gesetze zu unterbreiten.
Die Regierung hat sich im Regierungsprogramm 2005 - 2009 unter anderem auch eine Modernisierung des liechtensteinischen Justizwesens zum Ziel gesetzt. Auf der Grundlage einer modernen Justizpolitik will sich die Regierung dafür einsetzen, dass die Gesetzgebung auf neue internationale Entwicklungen und Herausforderungen in allen Bereichen der Justiz frühzeitig reagiert. Das gilt auch für das Strafvollzugs- und Strafprozessrecht. Die Regierung hat dabei im Regierungsprogramm unter anderem die Modernisierung des Strafvollzuges und des Haftrechts als Schwerpunkte explizit bezeichnet.
Das geltende Strafvollzugsgesetz (StVG), LGBl. 1983 Nr. 53, und die Verordnung zum Strafvollzugsgesetz, LGBl. 1985 Nr. 38, sind seit über zwanzig Jahren in Kraft. Aus dem Jahre 1983 stammt auch der Vertrag zwischen dem Fürstentum
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Liechtenstein und der Republik Österreich über die Unterbringung von Häftlingen, LGBl. 1983 Nr. 39, aufgrund dessen seither Strafgefangene, welche zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt wurden, ihre Strafhaft ganz oder teilweise in österreichischen Justizvollzugsanstalten verbüssen. Ein wesentlicher Grund für diese Überstellungen ist, dass das Landesgefängnis Vaduz nicht die notwendige Infrastruktur für den Vollzug langjähriger Haftstrafen bietet.
Im Jahre 1998 ist Liechtenstein dem Europäischen Übereinkommen über die Überstellung verurteilter Personen, LGBl. 1998 Nr. 23, samt Zusatzprotokoll, LGBl. 2003 Nr. 171, beigetreten, gemäss welchem z.B. Personen mit ausländischer Staatsbürgerschaft, welche zu Freiheitsstrafen verurteilt worden sind, unter bestimmten Voraussetzungen ihre Haft im Heimatstaat verbüssen können.
Ende 2004 hat die Regierung gestützt auf Art. 43 StVG eine Gefängnisordnung, LGBl. 2004 Nr. 310, für das Landesgefängnis Vaduz erlassen. Mit Inkrafttreten der Gefängnisordnung wurden ältere interne Dienstreglemente abgelöst.
In tatsächlicher Hinsicht haben sich die Verhältnisse im liechtensteinischen Strafvollzug durch die Inbetriebnahme des heutigen Polizeigebäudes mit angeschlossenem Untersuchungsgefängnis im Jahre 1991 sehr verändert und sind in der Praxis an die Anforderungen eines modernen Strafvollzuges angenähert worden.
In rechtlicher Hinsicht stammen die massgeblichen Rechtsgrundlagen zum liechtensteinischen Strafvollzugsrecht jedoch nach wie vor vorwiegend aus einer Zeit, als die in Liechtenstein inhaftierten Personen noch in den Kellerräumlichkeiten des Regierungsgebäudes untergebracht waren.