Bericht und Antrag
der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend die Abänderung des Bankengesetzes sowie des Gesetzes über die Vermittlerämter, des Finalitätsgesetzes, des Versicherungsaufsichtsgesetzes, des Personen- und Gesellschaftsrechts, des EWR-Notifikationsgesetzes, des Vermögensverwaltungsgesetzes, des Gesetzes über Investmentunternehmen, der Strafprozessordnung, des Sorgfaltspflichtgesetzes, des Mehrwert-Steuergesetzes und des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches
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Sowohl die Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über die Märkte für Finanzinstrumente zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates (2. Wertpapierdienstleistungsrichtlinie; MiFID) als auch die Richtlinie 2006/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute (Bankenkoordinierungsrichtlinie) und die Richtlinie 2006/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die angemessene Eigenkapitalausstattung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten (Kapitaladäquanzrichtlinie), beide zusammen als Basel II bekannt, werden je in zwei Teilen umgesetzt. Der jeweils erste Teil wurde bereits in nationales Recht transformiert.
Die Regierung schlägt vor, die Restumsetzungen sowohl der MiFID als auch von Basel II gemeinsam mittels einer einzigen Abänderung des Bankengesetzes (BankG) vorzunehmen, um Widersprüche und Redundanzen zu vermeiden. Solche könnten insbesondere dort vorkommen, wo sich die beiden Restumsetzungs-Pakete materiell überschneiden, z.B. im Rahmen der spezifischen Anforderungen an das Risikomanagement.
Bei der MiFID-Umsetzung fusste der Entscheid, diese in zwei Teilen umzusetzen, auf ökonomischen und Standortattraktivitäts-Gründen. Ziel war es ursprünglich, möglichst rasch die gesetzlichen Grundlagen für eine "Europa-Pass"-fähige (kleine) Wertpapierfirma, deren Fokus auf der Vermögensverwaltung lag, eben ein Vermögensverwaltungsgesetz (VVG), zu schaffen. Davon versprach man sich zum einen, das Berufsbild des liechtensteinischen Treuhänders klarer zu gestalten und es sauber von demjenigen des eigentlichen Vermögensverwalters zu trennen, und zum anderen, dadurch für ausländische Vermögensverwalter attraktiver zu werden. Die Umsetzung der weiteren Bestimmungen der MiFID konnte aufgeschoben werden.
Im Falle von Basel II verlangte schlicht der zeitliche Faktor eine geteilte Umsetzung. Der für die Umsetzung der sehr komplexen Eigenmittel- und Risikovorschriften notwendige Zeitbedarf der Rechtsanwender war schon aufgrund der
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ursprünglich vorliegenden Richtlinienentwürfe als enorm einzustufen. Um die von aussen gesetzten Termine einhalten zu können und insbesondere den besonders betroffenen Banken genügend Zeit zu geben, ihre Systeme anzupassen, entschied sich die Regierung, mit der Umsetzung der Eigenmittel- und Risikovorschriften im BankG und in der Verordnung über die Eigenmittel und Risikoverteilung für Banken, Finanzgesellschaften und Wertpapierfirmen (ERV) schon zu beginnen, noch bevor die Bankenkoordinierungs- und die Kapitaladäquanzrichtlinie ins EWR-Abkommen (EWRA) übernommen worden waren. Denn, dass diese ins EWRA übernommen werden würden, stand ausser Frage.
Nachdem mit dem Erlass des VVG ein erster Teil der MiFID und mit einer ersten Abänderung des BankG sowie dem Erlass der ERV ein erster Teil von Basel II ins nationale Recht transformiert worden ist, gilt es nun, die noch nicht umgesetzten Normen beider Richtlinien(gruppen) zu transformieren, um die vorhandene Lücke zwischen bestehender nationaler und der europäischen Regelung zu schliessen. Auch bei der vorliegenden Umsetzung soll wiederum das Interesse des Finanzplatzes Liechtenstein oberste Priorität geniessen.
Im Rahmen der MiFID-Restumsetzung ins nationale Recht wird in formaler Hinsicht der hierarchische Aufbau der EU-Gesetzgebung adaptiert. Dies mit dem Ziel, die notwendige Flexibilität und Anpassungsfähigkeit zu bewahren. Demnach werden im BankG der rechtliche Rahmen, sprich die Grundsätze sowie ausreichend Verordnungserlasskompetenzen, und in der Bankenverordnung (BankV) sowie in deren Anhängen die Details geregelt.
In materiell-rechtlicher Hinsicht ist hervorzuheben, dass, mangels tatsächlicher Nachfrage, die Finanzgesellschaft als in Liechtenstein begründbare Unternehmensform aus dem BankG eliminiert wird. Der mangelnde Bedarf nach dieser Unternehmensform ist darin begründet, dass die Finanzgesellschaft nichts mehr tun kann, als einer Bank auch erlaubt ist, gleichzeitig aber nicht "Europa-Pass"-fähig ist, wenn sie nicht Tochter einer Bank ist. Örtlich an die Stelle der Finanzgesellschaft als in Liechtenstein begründbare Institutsform tritt neu die Wertpapierfirma, welche jedoch gänzlich andere Befugnisse als die Finanzgesellschaft besitzt. Diese neue Institutsform soll die institutionelle Lücke zwischen Bank und Vermögensverwaltungsgesellschaft schliessen und für spezialisierte Erbringer von Wertpapierdienstleistungen, die insbesondere keine Publikumseinlagen annehmen
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(z.B. reine Emissionshäuser), eine passende Regulierung bieten. Weitere materiell-rechtliche Anpassungen erfolgen durch die umfassende Regulierung der Erbringung der Wertpapierdienstleistungen, der damit verbundenen präziseren und erweiterten Transparenz- und Dokumentationsvorschriften, der Wohlverhaltensregeln, der organisatorischen Anforderungen an Banken und Wertpapierfirmen, der Anforderungen an die Auftragsausführung (best execution) sowie die erstmalige Regelung des Betriebes von geregelten Märkten und multilateralen Handelssystemen. In verfahrensrechtlicher Hinsicht gilt es, die Zuständigkeitsvorschriften im Bereich der Aufsicht auf konsolidierter Basis, die Intensivierung der behördlichen Zusammenarbeit unter EWR-Mitgliedstaaten und zwischen Liechtenstein und Drittstaaten, insbesondere den Informationsaustausch, sowie die Ausweitung der den Aufsichtsbehörden zur Verfügung stehenden Aufsichtmittel hervorzuheben.
Im Rahmen der Basel II-Restumsetzung geht es hauptsächlich um den Ausbau der EWR-Zusammenarbeit unter den zuständigen Behörden, insbesondere im Rahmen der konsolidierten Aufsicht und im Rahmen der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit. Daneben werden in diesem Zusammenhang noch einzelne Präzisierungen, so z.B. hinsichtlich der bereitzustellenden Anfangskapitalien, vorgenommen.
Zuständiges Ressort
Ressort Finanzen
Betroffene Behörde
Finanzmarktaufsicht (FMA)
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Vaduz, __. Mai 2007
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag zu unterbreiten.
Ausgangspunkt der im EU-Finanzmarktrecht festzustellenden Regulierungs-dynamik bildet der Aktionsplan für Finanzdienstleistungen ("Financial Services Action Plan"; FSAP) mit seiner Zielsetzung, einen vollständig integrierten Finanzbinnenmarkt zu realisieren. Dieser soll wie folgt realisiert werden: Erstens soll ein einheitlicher Firmenkundenmarkt für Finanzdienstleistungen errichtet, zweitens sollen offene und sichere Privatkundenmärkte geschaffen und drittens die Aufsichtsregeln modernisiert werden. Diese strategischen Ziele haben die Richtlinien der EU im Bereiche des Finanzmarktrechts, mithin auch die hier umzusetzenden, im Auge. Die genannte Zielsetzung wird im Rahmen des Lamfalussy-Prozesses, der eine EWR-weite Beschleunigung der Vereinheitlichung der Finanzmarktregulierung durch ein vierstufiges Verfahren bezweckt, verfolgt. Auf einer ersten Stufe, der auch die MiFID sowie die Bankenkoordinierungs- und Ka-
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pitaladäquanzrichtlinie angehören, wird der rechtliche Rahmenerlass geschaffen. In der zweiten Stufe werden die detaillierten Durchführungs- bzw. Ausführungsbestimmungen (vgl. vorliegend Durchführungsverordnung und -richtlinie zur MiFID) festgesetzt. Auf der dritten Stufe werden durch der Europäischen Komission nachgelagerte Institutionen (wie z.B. das Committee of European Securities Regulators, CESR) Vorgaben für die einheitliche Anwendung der Vorschriften der ersten und zweiten Stufe entwickelt. Auf der vierten Stufe wird die einheitliche Anwendung der Normen kontrolliert. Der liechtensteinischen Umsetzungsprozess wird sowohl vom Aktionsplan wie auch vom Lamfalussy-Prozess beeinflusst.
Liechtenstein ist gemäss Art. 7 des EWR-Abkommens (EWRA) verpflichtet, die ins EWRA übernommenen Rechtsakte in nationales Recht umzusetzen. Zu diesen ins nationale Recht zu transformierenden Richtlinien werden - nach deren definitiver Übernahme - auch die MiFID inkl. deren Durchführungsrichtlinie (RL 2006/73/EG), die Bankenkoordinierungsrichtlinie sowie die Kapitaladäquanzrichtlinie gehören. Zum heutigen Zeitpunkt sind jedoch, mit Ausnahme der Terminverschiebungsrichtlinie (2006/31/EG), sämtliche vorliegend relevanten Rechtsakte noch nicht definitiv übernommen worden. Es ist allerdings sicher, dass diese Rechtsakte definitiv ins EWRA übernommen werden. Die Übernahme dürfte voraussichtlich aber erst gegen Mitte 2007 erfolgen. Die EWR-Staaten werden - trotz der späten Übernahme - dieselben Termine (für Umsetzung und Inkrafttreten) wie die EU-Staaten einzuhalten haben.
In Kenntnis der geplanten Umsetzungsvorgaben zeitlicher (enge zeitliche Vorgaben) und inhaltlicher (mehrstufiger Regulierungsprozess auf europäischer Ebene) Art stellte sich vorab die Frage nach der geeigneten Form der Umsetzung. Grundsätzlich war dabei zunächst zu evaluieren, ob die Umsetzung beider Regulierungsvorhaben (MiFID und Basel II) in einem neuen oder einem bestehenden Ge-
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setz erfolgen soll. Die Wahl fiel auf ein bestehendes Gesetz, das BankG, bzw. auf bestehende Erlasse (BankG, BankV und Anhänge zur BankV).
Hinsichtlich der Restumsetzung von Basel II wurde so entschieden, weil schon deren 1. Teil in den bankenrechtlichen Erlassen umgesetzt wurde. Den 2. Teil - dieser betrifft einige bereits bestehende Regelungsbereiche im BankG (z.B. Anfangskapital und Mindesteigenmittelvorschriften) - ebenfalls im BankG umzusetzen, stellt demnach eine sinnvolle und sachlogische Lösung (Fortführung der bisherigen Umsetzung) dar. Hinsichtlich der Restumsetzung der MiFID fiel der Entscheid deshalb auf die bankenrechtlichen Erlasse,
weil die liechtensteinische Gesetzgebung traditionellerweise und unter Berücksichtigung der Benutzerfreundlichkeit (erfolgreich) den institutsbezogenen Ansatz bevorzugt und deshalb ein Wertpapierhandelsgesetz einem Bruch mit dieser Tradition gleichgekommen wäre,
weil von den bestehenden Unternehmensformen hauptsächlich die Banken als Wertpapierdienstleistungserbringer betroffen sind und
weil das BankG, die BankV und deren Anhänge vom systematischen Aufbau her eine Integration zulassen.
Aus diesen Gründen werden die Restumsetzungen von MiFID und Basel II in den bankenrechtlichen Erlassen vorgenommen, wobei die Basel II Umsetzung vollumfänglich, die MiFID-Umsetzung im Rahmen der grundlegenden Vorschriften auf Gesetzesstufe (BankG), im Rahmen der Detailregelungen auf Verordnungsstufe (BankV) erfolgen wird. Es gilt dabei insbesondere zu beachten, dass die nationale Rahmengesetzgebung so ausgestaltet wird, dass die darauf basierenden Verordnungsvorschriften auf einer genügenden gesetzlichen Grundlage fussen. Mit der Umsetzung auf verschiedenen Erlassstufen soll das Regulierungssystem der EU bzw. der hierarchische Aufbau des EU-Rechts (vgl. die vorstehende Beschreibung des Lamfalussy-Prozesses, S. 12 f.) in die nationale Gesetzgebung übernommen
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werden, um so auf nationaler Ebene den stufengerechten Handlungsspielraum sicherzustellen, dessen es bedarf, um auf EWR-rechtliche Regelungsänderungen national innert angemessener Frist reagieren zu können. Durch diese Modifikation erfolgt demnach auch eine stufenmässige Angleichung der nationalen Bestimmungen an das Richtlinienrecht.
Die Umsetzung der MiFID und der Durchführungsrichtlinie ins nationale Recht hätte gemäss der RL 2006/31/EG, welche die beiden ursprünglichen Termine zeitlich nach hinten verschiebt, bis 31. Januar 2007 erfolgt sein müssen.
Der genannte Umsetzungszeitpunkt (31. Januar 2007) konnte - wie auch von mehreren EU-Staaten nicht - nicht eingehalten werden. Dies rührt insbesondere daher, dass die Durchführungserlasse (Durchführungsrichtlinie und Durchführungsverordnung (Verordnung (EG) NR. 1287/2006)) erst im September 2006 erlassen worden sind und die Regierung sich entschied, die Umsetzungen von MiFID und Basel II zu vereinigen. Eine erhebliche Anzahl der bankgesetzlichen Normen ist nämlich von beiden Regulierungsprojekten betroffen. Diese Überschneidungen wie auch die Tatsache, dass beide Umsetzungen in relativ kurzen Abständen in Kraft zu treten haben, hätte zu einer doppelten Behandlung derselben Artikel des BankG, allerdings in verschiedenen Lesungsstufen, führen können. Dies galt es tunlichst zu vermeiden.
Die Nichteinhaltung des MiFID-Umsetzungstermins dürfte für die von der Umsetzung Betroffenen jedoch keine negativen Folgen haben, weil die hauptsächlich betroffenen Interessenverbände bereits frühzeitig in den Umsetzungsprozess integriert und über die sie treffenden zusätzlichen Pflichten informiert worden sind. Sie wissen nicht nur seit Oktober 2006, was in etwa auf sie zukommen wird, sondern konnten und können aktiv am legislatorischen Prozess mitwirken. Bereits im Oktober 2006 wurde die Konzeption der MiFID-Umsetzung, strukturell wie auch materiell, anhand der im Entwurf bereits vorliegenden Erlasse (BankG, BankV
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und Anhänge) von der FMA erklärt, im Plenum diskutiert und gutgeheissen. Im Nachgang zu dieser Expertenrunde wurden die Erlassentwürfe sowie das Gesamtkonzept in verschiedenen Workshops und Sitzungen detaillierter diskutiert, um die Praxisnähe und -tauglichkeit und die Aufsichtstauglichkeit der Umsetzung sicherstellen zu können. Im Nachgang dazu erfolgten jeweils entsprechende Anpassungen der Erlassentwürfe. Schliesslich informierte die FMA auch ausserhalb der vorgenannten Zusammenkünfte über den Fortschritt der Umsetzungsarbeiten. Dieses Vorgehen wird auch weiterhin praktiziert werden, insbesondere im Zusammenhang mit den bisher, anlässlich der Workshops eruierten Sofortmassnahmen.
Die RL 2006/31/EG verschiebt auch den Inkrafttretens-Termin bzw. die Anwendbarkeit der transformierten Bestimmungen, nämlich auf den 1. November 2007. Für Liechtenstein gilt, nach Inkrafttreten des Beschlusses des Gemeinsamen EWR-Ausschusses, derselbe Termin für das Inkrafttreten bzw. den Beginn der Anwendung der implementierten Richtlinienbestimmungen. Diesen Termin gilt es denn auch einzuhalten, da ansonsten das Risiko bestünde, dass liechtensteinische Wertpapierdienstleistungserbringer rechtlich in ihrer Tätigkeit im Allgemeinen und im grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr im Speziellen beschränkt, aber auch faktisch behindert werden könnten.
Die Basel II-Vorschriften sehen den 1. Januar 2008 als für das Inkrafttreten massgebendes Datum vor.