Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend
die Schaffung eines
Gesetzes über die zusätzliche Beaufsichtigung
von Unternehmen eines Finanzkonglomerats
(Finanzkonglomeratsgesetz; FKG)
sowie
die Abänderung
des versicherungsauFsichtsgesetzes
und des Finanzmarktaufsichtsgesetz
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Für einen vollständig integrierten europäischen Finanzbinnenmarkt sind zusätzliche Aufsichtsvorschriften für Finanzkonglomerate notwendig, welche Lücken in den geltenden branchenbezogenen Rechtsvorschriften schliessen und weitere aufsichtsrelevante Risiken abdecken sollen. Die zusätzliche Beaufsichtigung von Banken, Versicherungsunternehmen und Wertpapierfirmen soll alle Finanzkonglomerate erfassen, die in beträchtlichem Umfang branchenübergreifend tätig sind. Die Konglomeratsaufsicht stellt damit eine wichtige Weiterentwicklung der sektoralen Aufsicht dar, wie sie namentlich in der Banken- und der Versicherungsaufsichtsgesetzgebung, einschliesslich der Aufsicht auf konsolidierter Basis, angelegt ist.
Die Regierung schlägt im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie 2002/87/EG vom 16. Dezember 2002 über die zusätzliche Beaufsichtigung der Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen und Wertpapierfirmen eines Finanzkonglomerats vor, mit der Schaffung eines Finanzkonglomeratsgesetzes die bisherige Branchenaufsicht zu ergänzen.
Ziel der vorliegenden Gesetzesvorlage ist die Umsetzung der Konglomeratsrichtlinie ins liechtensteinische Recht. Die Konglomeratsaufsicht gilt für Banken, Wertpapierfirmen, Vermögensverwaltungsgesellschaften, Verwaltungsgesellschaften von Investmentunternehmen und Versicherungsunternehmen. Sie tritt ergänzend zu der jeweiligen Branchenaufsicht hinzu.
Die zusätzliche Beaufsichtigung bezieht sich auf eine Gruppe von Unternehmen, die aus einem Mutterunternehmen, seinen Tochterunternehmen und den Unternehmen besteht, an denen das Mutterunternehmen (oder seine Tochterunternehmen) eine Beteiligung halten; als Gruppe werden auch Unternehmen betrachtet, die untereinander durch eine Beziehung verbunden sind, welche zu konsolidierter Rechnungslegung verpflichtet. Um in die zusätzliche Beaufsichtigung zu fallen, muss die Unternehmensgruppe ein Finanzkonglomerat darstellen, d.h. sie muss schwergewichtig in der Finanzbranche tätig sein. Das Gesetz umschreibt die einzelnen Kriterien und Voraussetzungen, wann ein solches Finanzkonglomerat vorliegt; insbesondere werden auch Schwellenwerte festgelegt, die vorhanden sein müssen, damit ein aufsichtspflichtiges Finanzkonglomerat gegeben ist.
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Das Gesetz bezweckt eine Überwachung der Finanzlage von Finanzkonglomeraten. Dabei geht es in erster Linie um die Überwachung einer angemessenen Eigenmittelausstattung. Es ist sicherzustellen, dass auf Finanzkonglomeratsebene stets Eigenmittel in bestimmter Höhe vorhanden sind. Alsdann gilt es, Risikokonzentrationen innerhalb des Finanzkonglomerats zu vermeiden und gruppeninterne Transaktionen zu beaufsichtigen.
Durch die Bestellung eines Koordinators als für die zusätzliche Beaufsichtigung zuständige Behörde wird die Zusammenarbeit zwischen den betroffenen Aufsichtsbehörden erleichtert und dabei geklärt werden, welche Aufgabe jeder von ihnen hinsichtlich der zusätzlichen Beaufsichtigung zukommt.
Als zuständige Behörde für die zusätzliche Aufsicht auf Finanzkonglomeratsebene ist die Finanzmarktaufsicht (FMA) vorgesehen.
Wie eine erste Bestandesaufnahme der FMA ergeben hat, gibt es kein liechtensteinisches Finanzkonglomerat. Damit werden auf die FMA insbesondere keine Aufgaben als Koordinator zukommen. Wohl gehören sieben Versicherungsunternehmen und zwei Banken zu einem ausländischen Finanzkonglomerat. Die Umsetzung der Konglomeratsaufsicht und die damit verbundene zusätzliche Beaufsichtigung auf Konglomeratsebene wird allerdings keine grossen Auswirkungen auf die liechtensteinischen Finanzintermediäre und die FMA haben.
Zuständige Ressorts
Ressort Finanzen
Ressort Wirtschaft
Betroffene Behörde
Finanzmarktaufsicht Liechtenstein (FMA)
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Vaduz, 29. Mai 2007
P
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend die Schaffung eines Gesetzes über die zusätzliche Beaufsichtigung von Unternehmen eines Finanzkonglomerats (Finanzkonglomeratsgesetz; FKG) sowie die Abänderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes und des Finanzmarktaufsichtsgesetzes zu unterbreiten.
Mit ihrem Aktionsplan für Finanzdienstleistungen ("Financial Services Action Plan"; FSAP) will die Europäische Union (EU) einen vollständig integrierten Finanzbinnenmarkt erreichen. Die strategischen Ziele sind die Errichtung eines einheitlichen Firmenkundenmarktes für Finanzdienstleistungen, die Schaffung offener und sicherer Privatkundenmärkte sowie die Modernisierung der Aufsichtsregeln. Dabei sind zusätzliche Aufsichtsvorschriften für Finanzkonglomerate vorgelegt worden, welche Lücken in den geltenden branchenbezogenen Rechtsvorschriften schliessen und weitere aufsichtsrelevante Risiken abdecken sollen. Dadurch soll für Finanzgruppen mit branchenübergreifenden Finanztätigkeiten eine solide zusätzliche Beaufsichtigung gewährleistet werden.
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Die zusätzliche Beaufsichtigung von Banken, Versicherungsunternehmen und Wertpapierfirmen eines Finanzkonglomerats hat alle Konglomerate zu erfassen, die in beträchtlichem Umfang branchenübergreifend tätig sind. Die bezüglichen Anwendungsvoraussetzungen werden durch das Gesetz festgelegt. Die zusätzliche Beaufsichtigung hat sich auf alle in den Branchenvorschriften genannten Finanztätigkeiten zu erstrecken und alle Unternehmen zu erfassen, einschliesslich der Vermögensverwaltungsgesellschaften, die hauptsächlich diesen Tätigkeiten nachgehen.
Die Konglomeratsaufsicht stellt eine wichtige Weiterentwicklung der sektoralen Aufsicht dar, wie sie namentlich in der Banken- und der Versicherungsaufsichtsgesetzgebung, einschliesslich der Aufsicht auf konsolidierter Basis, angelegt ist. Indessen strebt die Konglomeratsaufsicht keine Vollintegration der Überwachung und der Aufsichtsregeln an; auch bringt sie keine Vereinheitlichung der materiellen Aufsichtsrechte mit sich, und sie lässt die einzelstaatlichen Behördenzuständigkeiten unberührt. Allerdings wird mit der Schaffung und Statuierung eines für die Aufsicht zuständigen Koordinators bei grenzüberschreitenden Konglomeraten ("Lead supervisor") ein Weg beschritten, der über die traditionelle einzelstaatliche Aufsicht hinaus führt. Aufgabe des Koordinators ist die Abstimmung und Durchführung der zusätzlichen Beaufsichtigung.
Der Kreis der Unternehmen, die einer zusätzlichen Beaufsichtigung unterliegen, ist weit gezogen. Zunächst untersteht einer zusätzlichen Aufsicht jedes beaufsichtige Unternehmen an der Spitze eines Finanzkonglomerats. Als beaufsichtigtes Unternehmen in diesem Sinne kommen eine Bank, eine Wertpapierfirma, eine Vermögensverwaltungsgesellschaft, eine Verwaltungsgesellschaft eines Investmentunternehmens oder ein Versicherungsunternehmen in Betracht. Sodann fällt in den Anwendungsbereich der zusätzlichen Beaufsichtigung jedes (beaufsichtigte) Unternehmen, dessen Mutterunternehmen eine gemischte Finanzholdinggesellschaft mit Sitz in einem Vertragsstaat des EWR-Abkommens ist. Schliesslich
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untersteht jedes beaufsichtigte Unternehmen der Konglomeratsaufsicht, das mit einem anderen Unternehmen der Finanzbranche in einer Beziehung steht, welche im Verbund dieser Unternehmen zu konsolidierter Rechnungslegung verpflichtet.
In sachlicher Hinsicht will die zusätzliche Beaufsichtigung in erster Linie eine angemessene Kapitalausstattung der beaufsichtigten Unternehmen sicherstellen. Zu diesem Zweck haben die Unternehmen angemessene Kapitalstrategien auf Finanzkonglomeratsebene zu entwickeln und zu beachten. Finanzkonglomerate haben Eigenmittel in bestimmter Höhe auszuweisen.
Um die bisherige Branchenaufsicht in Richtung einer Finanzkonglomeratsaufsicht zu entwickeln, haben das Europäische Parlament und der Rat am 16. Dezember 2002 eine Richtlinie über die zusätzliche Beaufsichtigung der Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen und Wertpapierfirmen eines Finanzkonglomerats sowie zur Änderung diverser früherer Richtlinien erlassen (im Folgenden Konglomeratsrichtlinie), die mit dem vorliegenden Entwurf ins liechtensteinische Recht umgesetzt werden soll.
Die Regierung schlägt vor, für die zusätzliche Beaufsichtigung von Unternehmen eines Finanzkonglomerats ein besonderes, neues Gesetz zu schaffen. Zwar wäre es denkbar, die schon bisher bestehenden Branchengesetze - namentlich das Bankengesetz und das Versicherungsaufsichtsgesetz - mit entsprechenden neuen Vorschriften zu versehen. Der Übersichtlichkeit halber sowie gestützt auf die Tatsache, dass die Konglomeratsaufsicht per definitionem branchenübergreifend ist, wird der Vorschlag zu einem neuen Gesetz unterbreitet. Auf Ebene der Verordnungen und der sonstigen Vollzugserlasse besteht dann entsprechender Anpassungsbedarf.