Bericht und Antrag der Regierung
an den
Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend die Abänderung des Marktmissbrauchsgesetzes
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Die Regierung schlägt vor, den Geltungsbereich des Gesetzes gegen Marktmissbrauch im Handel mit Finanzinstrumenten (Marktmissbrauchsgesetz; MG) zu erweitern. Diese Erweiterung ist erforderlich, um den inländischen Behörden eine umfassende Aufklärung marktmissbräuchlichen Fehlverhaltens und damit dessen aktivere Bekämpfung zu ermöglichen.
Liechtenstein verfügt weder über einen geregelten noch über einen sonstigen Markt bzw. Handelsplatz. Im Rahmen der aufsichtsrechtlichen Bekämpfung von Marktmissbrauch steht daher die Amtshilfe im Vordergrund. Die Amtshilfe-Regelung muss - Schritt haltend mit der zunehmenden Globalisierung des Handels mit Finanzinstrumenten sowie im Interesse der Handelsfähigkeit und der internationalen Anerkennung des Finanzplatzes Liechtenstein - effizient und umfassend ausgestaltet sein. Dies verlangt eine Erweiterung des aktuellen Geltungsbereiches des Marktmissbrauchsgesetzes auf Finanzinstrumente, die nicht an einem geregelten Markt im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) kotiert sind. Obwohl diese Intention bereits anlässlich der Diskussionen im Zusammenhang mit der Schaffung des Marktmissbrauchsgesetzes bestand, so auch mehrere Male Eingang in den Bericht und Antrag Nr. 75/2006 gefunden hat, fand sie keinen ausreichenden gesetzgeberischen Niederschlag im Marktmissbrauchsgesetz. Dies wurde jüngst durch den Verwaltungsgerichtshof bestätigt, indem dieser feststellte, dass bei Finanzinstrumenten, welche nicht an einem geregelten Markt in einem EWR-Mitgliedstaat zugelassen sind (Drittstaaten-Titel), keine Amtshilfe gestützt auf das Marktmissbrauchsgesetz geleistet werden könne. Auf reine Drittstaaten-Titel würden die Amtshilfebestimmungen des Marktmissbrauchsgesetz keine Anwendung finden.
Was die strafrechtliche Bekämpfung von Marktmissbrauch anlangt, bewirkt die Erweiterung des Geltungsbereichs, dass die Straftatbestände des Insidergeschäfts und der Marktmanipulation auch auf marktmissbräuchliches Fehlverhalten mit Finanzinstrumenten, die nicht an einem geregelten Markt im EWR kotiert sind, anwendbar sind. Damit wird der Anwendungsbereich dieser beiden Straftatbestände demjenigen des ehemaligen Insiderstraftatbestandes (alter § 122a StGB) angeglichen, welcher nicht auf EWR-Titel beschränkt war.
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Neben der Amtshilfe und der umfassenden Strafbarkeit von Insidergeschäften und Marktmanipulation ist als weiteres Mittel zur aktiven Missbrauchsbekämpfung eine Pflicht zur Meldung von Verdachtsfällen an die Stabsstelle Financial Intelligence Unit notwendig.
Zuständiges Ressort
Ressort Finanzen
Betroffene Behörde
Finanzmarktaufsicht (FMA)
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Vaduz, 13. Mai 2008
P
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend die Abänderung des Marktmissbrauchsgesetzes an den Landtag zu unterbreiten.
Das Marktmissbrauchsgesetz wurde in Umsetzung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch) sowie der diesbezüglichen Durchführungsrichtlinien (RL 2003/124/EG, RL 2003/125/EG und RL 2004/72/EG) am 1. Februar 2007 in Kraft gesetzt. Das Marktmissbrauchsgesetz bezweckt die Bekämpfung des Marktmissbrauchs, die Sicherstellung der Integrität der Finanzmärkte und des Vertrauens der Öffentlichkeit in Finanzinstrumente (Art. 1 MG).
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Die Richtlinie 2003/6/EG regelt den Handel mit Finanzinstrumenten, die zum Handel an einem geregelten Markt innerhalb des EWR zugelassen sind oder für die zumindest ein Antrag auf Zulassung an einem geregelten Markt innerhalb des EWR gestellt worden ist (nachfolgend: EWR-Titel). Der von der Richtlinie 2003/6/EG definierte Anwendungsbereich fand Aufnahme in das Marktmissbrauchsgesetz (siehe Art. 2 MG). Durch die Übernahme dieses Geltungsbereichs sollte gewährleistet werden, dass gewisse in der Marktmissbrauchsrichtlinie vorgesehene, den Finanzintermediären anheim fallende Pflichten, wie z.B. die Melde- und Veröffentlichungspflichten hinsichtlich eigener Geschäfte oder die Pflichten im Zusammenhang mit der Erstellung von Finanzanalysen, nur bezüglich EWR-Titel zu erfüllen sind. Eine Ausdehnung des Geltungsbereiches und damit der Anwendbarkeit dieser Pflichten auf Finanzinstrumente, welche ausserhalb eines "geregelten Marktes"
1 im EWR gehandelt werden (nachfolgend: Drittstaaten-Titel), hätte einen erheblichen Mehraufwand für die Finanzintermediäre mit sich gebracht.
Die Übernahme des Geltungsbereichs der Richtlinie wirkte sich jedoch nicht nur dahingehend aus, dass den Finanzintermediären gewisse Pflichten zu Recht nicht erwuchsen. Sie hatte auch zur Folge, dass die Möglichkeit der Amtshilfeleistung nach dem Marktmissbrauchsgesetz durch die FMA wie auch die Strafbarkeit wegen Insidergeschäften oder Marktmanipulation einzig auf Geschäfte mit EWR-Titel beschränkt blieb. Gleichermassen ist die Pflicht zur Meldung an die Stabsstelle Financial Intelligence Unit (FIU) auf die vorgenannten Geschäfte begrenzt. Art. 2 MG, welcher den Geltungsbereich regelt, hat sich als zu eingeschränkt erwiesen.
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1 | Geregelte Märkte existieren nur innerhalb des EWR. Die Europäische Kommission veröffentlicht einmal pro Jahr eine Liste der (europäischen) geregelten Märkte. |
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