Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend die Totalrevision des Offenlegungsgesetzes sowie die Abänderung des Personen- und Gesellschaftsrechts, des Bankengesetzes, des Investmentunternehmensgesetzes, des Vermögensverwaltungsgesetzes und des Finanzmarktaufsichtsgesetzes
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Im Rahmen der Harmonisierung des Europäischen Rechts betreffend die Wertpapierdienstleistungen haben das Europäische Parlament und der Rat im Dezember 2004 die Richtlinie 2004/109/EG betreffend der Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG (nachfolgend "Transparenzrichtlinie") verabschiedet, welche in das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWRA) übernommen wurde (Beschluss Nr. 120/2005 des Gemeinsamen Ausschusses, EWR-Rechtssammlung: Anh. IX - 29g.01).
Aufgrund der Mitgliedschaft Liechtensteins im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) ist diese Richtlinie in liechtensteinisches Recht umzusetzen. Ziel der Transparenzrichtlinie ist die Harmonisierung des Rechtsrahmens und die Vollendung des Binnenmarktes für Wertpapiere auf europäischer Ebene. Gemeinschaftsweit soll dadurch ein transparenter Finanzbinnenmarkt geschaffen und ein gleichwertiger Anlegerschutz erreicht werden.
Die wesentlichen Aspekte bei der Umsetzung der Transparenzrichtlinie sind:
Verbesserung der Qualität und Quantität der Informationen, welche den Anlegern durch Emittenten zur Verfügung zu stellen sind. Dabei steht vor allem die verstärkte Harmonisierung bezüglich der regelmässigen und laufenden Informations- und Offenlegungspflichten seitens der Emittenten im Vordergrund.
Neuregelung der Meldepflichten von Aktionären im Bezug auf die von ihnen gehaltenen bedeutenden Beteiligungen.
Bei der Transparenzrichtlinie handelt es sich um eine Rahmenrichtlinie. Um die Bestimmungen der Transparenzrichtlinie zu präzisieren, ist im Wege des Komitologieverfahrens die Durchführungsrichtlinie 2007/14/EG mit Durchführungsbestimmungen zu bestimmten Vorschriften der Richtlinie 2004/109/EG ("Durchfüh
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rungsrichtlinie zur Transparenzrichtlinie") sowie die Verordnung 1569/2007 über die Einrichtung eines Mechanismus zur Festlegung der Gleichwertigkeit der von Drittstaatemittenten angewandten Rechnungslegungsgrundsätze von der Kommission erlassen worden.
Die Transparenzrichtlinie wird in Liechtenstein durch die Totalrevision des Offenlegungsgesetzes (OffenlegungsG; OffG) sowie durch eine Abänderung des Personen- und Gesellschaftsrechts (PGR), des Bankengesetzes (BankG), des Investmentunternehmensgesetzes (IUG), des Vermögensverwaltungsgesetzes (VVG) und des Finanzmarktaufsichtsgesetzes (FMAG) umgesetzt. Die EG-Verordnung bedarf keiner Umsetzung; sie gilt es unmittelbar anzuwenden.
Zuständiges Ressort
Ressort Finanzen
Betroffene Behörde
Finanzmarktaufsicht (FMA)
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Vaduz, 27. Mai 2008
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend die Totalrevision des Offenlegungsgesetzes, die Abänderung des Personen- und Gesellschaftsrechts, des Bankengesetzes, des Investmentunternehmensgesetzes, des Vermögensverwaltungsgesetzes und des Finanzmarktaufsichtsgesetzes zu unterbreiten.
Ausgangspunkt der im EU-Finanzmarktrecht festzustellenden Regulierungs-dynamik bildet der Aktionsplan für Finanzdienstleistungen ("Financial Services Action Plan"; FSAP) mit seiner Zielsetzung, einen vollständig integrierten Finanzbinnenmarkt zu realisieren, der im EWR für Transparenz hinsichtlich der Finanzdienstleistungen sorgt und das Vertrauen in die Finanzmärkte stärkt. Dieser soll wie folgt realisiert werden: Erstens soll ein einheitlicher Firmenkundenmarkt für Finanzdienstleistungen errichtet, zweitens sollen offene und sichere Privatkundenmärkte geschaffen und drittens die Aufsichtsregeln modernisiert werden.
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Als Bestandteil des FSAP der Europäischen Union (EU) sind die Transparenzrichtlinie und deren Durchführungsrichtlinie stark in das "Gesamtprojekt" der Erneuerung des europäischen Finanzmarktrechts eingebunden.
Die Transparenzrichtlinie aktualisiert das EWR-Recht über Informationen, die Anlegern regelmässig zu übermitteln sind und fasst die Regelungen über Beteiligungsänderungsmeldungen neu. Weiters sieht sie umfassende Regelungen über das anzuwendende Sprachregime, die Informationen von Emittenten mit Sitz in einem Drittstaat und die Behördenkompetenzen vor.
Die Transparenzrichtlinie weist zahlreiche Schnittstellen zu anderen Rechtsakten auf, die bereits in Liechtenstein umgesetzt wurden:
Zur Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinie 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates (MiFID), namentlich mit Bezug auf die Definition "geregelter Markt";
Zur Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG ("Prospektrichtlinie"), namentlich im Hinblick auf den fast deckungsgleichen Geltungsbereich der Transparenzrichtlinie sowie die Einsetzung einer zentralen zuständigen Verwaltungsbehörde und deren Aufsichtsaufgaben;
Zur Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation ("Marktmissbrauchsrichtlinie"), namentlich mit der Verstärkung der Emittentenaufsicht durch die Einführung von Veröffentlichungspflichten für Emittenten.
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Die Transparenzrichtlinie hätte bis zum 20. Januar 2007 umgesetzt werden müssen (vgl. Art. 31 Transparenzrichtlinie). Eine sinnvolle Anpassung des liechtensteinischen Rechts bis zu diesem Zeitpunkt erwies sich allerdings als nicht möglich, da die Durchführungsrichtlinie in diesem Zeitpunkt noch nicht verabschiedet war. Die Durchführungsrichtlinie zur Transparenzrichtlinie wurde erst im März 2007 verabschiedet und im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht.
Ein Vertragsverletzungsverfahren betreffend nicht fristgerechter Umsetzung der Transparenzrichtlinie läuft bereits. Ein Letter of Formal Notice (formelles Mahnschreiben) wurde Liechtenstein am 13. November 2007 zugestellt. Ein solches Schreiben stellt die erste Stufe im formellen Vertragsverletzungsverfahren dar. Liechtenstein beantwortete den Letter of Formal Notice am 19. Februar 2008 und teilte der ESA (EFTA Surveillance Authority) darin mit, dass im Dezember 2007 die Vernehmlassung gestartet worden sei, dass die erste Lesung im Juni 2008 und die 2./3. Lesung im September 2008 geplant sei und dass das Offenlegungsgesetz am 1. Dezember 2008 in Kraft treten sollte.
In Kenntnis der Umsetzungsvorgaben zeitlicher (enge zeitliche Vorgaben) und inhaltlicher (mehrstufiger Regulierungsprozess auf europäischer Ebene) Art stellte sich - wie in anderen Umsetzungsverfahren des EWR-Finanzmarktaufsichtsrechts auch - vorab die Frage nach der geeigneten Form der Transformation. Grundsätzlich war dabei zunächst zu evaluieren, ob die Umsetzung der Transparenzrichtlinie in einem neuen oder einem bestehenden Gesetz erfolgen soll. Die Wahl fiel auf die Umsetzung durch die Revision bestehender Gesetze, insbesondere des aktuellen Offenlegungsgesetzes. Dies bedingt, dass das revidierte Offenlegungsgesetz - neben den Pflichten der Aktionäre und Inhaber von Finanzinstrumenten - zum Sonderrecht für Emittenten von Wertpapieren wird und dass das PGR hinsichtlich der Geschäfts- und Finanzberichterstattung nur noch subsidiär gilt.