Berichte und Anträge
Regierungskanzlei (RK)
BuA - Nummer
2008 / 79
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Ein­lei­tung
I.Bericht der Regierung
1.Anlass und Ausgangslage
2.Schwer­punkte der Assoziierungsprotokolle
3.Inhalte des Schengen- und Dublin- Besitz­standes im Ein­zelnen und seine Aus­wir­kungen auf Liechtenstein
4.Ver­fas­sungs­mäs­sig­keit / Rechtliches
5.Per­so­nelle, finan­zi­elle, orga­ni­sa­to­ri­sche und räum­liche Auswirkungen
II.ANTRAG DER REGIERUNG
III.Regie­rungs­vor­lage
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Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend die Protokolle zur Assoziierung Liechtensteins an die Systeme von "Schengen" und Dublin  
 
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Mit dieser Vorlage beantragt die Regierung die Genehmigung der Vertragstexte zur Assoziierung Liechtensteins an "Schengen" und "Dublin". Das Assoziierungsprotokoll zu "Schengen" beinhaltet die Assoziierung Liechtensteins zum so genannten Schengen-Acquis, wodurch Liechtenstein an einer Grenzöffnung für den Personenverkehr sowie an einer verstärkten Zusammenarbeit im Visumsbereich sowie in den Bereichen Polizei und Justiz teilhaben wird. Mit dem Assoziierungsprotokoll zu "Dublin" wird Liechtenstein an der europäischen Zusammenarbeit im Asylbereich beteiligt. Mit Dänemark wurde aufgrund seiner Sonderstellung ein weiteres Abkommen abgeschlossen.
Die Assoziierung Liechtensteins erfolgt in Form von Protokollen zu den schweizerischen Assoziierungsabkommen. Die liechtensteinische Stellung unterscheidet sich dadurch aber nicht von derjenigen der anderen assoziierten Staaten Norwegen, Island und Schweiz. Die Protokolle sehen eine institutionelle und inhaltliche Gleichstellung Liechtensteins mit diesen Staaten vor.
Liechtenstein kann sich bei der Weiterentwicklung des Schengen- und Dublin-Besitzstandes im Rahmen von Mitwirkungs-, aber nicht Mitentscheidungsrechten beteiligen. Für die Übernahme von neuen Schengen-/Dublin-relevanten Rechtsakten und Massnahmen wurde Liechtenstein eine maximale Frist von 18 Monaten zugestanden.
Im Bereich der Rechtshilfe wird die Schengen-Assoziierung für Liechtenstein verschiedene Auswirkungen haben, insbesondere hinsichtlich der Rechtshilfe im Fiskalbereich. In Steuerbetrugsfällen - sowohl bei indirekten als auch bei direkten Steuern - wird Liechtenstein künftig auf der Basis des Schengen-Besitzstands Rechtshilfe leisten. Falls neues Schengen-Recht das Gewähren von Rechtshilfe bei Steuerhinterziehung im Fall von direkten Steuern verlangen würde, müsste Liechtenstein dieses aufgrund einer besonderen Bestimmung im Assoziierungsprotokoll nicht übernehmen. Damit konnte das liechtensteinische Bankkundengeheimnis im Rahmen von "Schengen" abgesichert werden. Eine Nicht-Übernahme von Weiterentwicklungen in anderen Bereichen würde demgegenüber zur Beendigung der Assoziierung führen.
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Wichtigstes Element der polizeilichen Zusammenarbeit ist das Schengener Informationssystem (SIS) als gemeinsames elektronisches Fahndungssystem für die Personen- und Sachfahndung. Die Regierung plant einen direkten Anschluss an das verbesserte und erweiterte Nachfolgesystem SIS II, dessen Einführung von Seiten der EU im Herbst 2009 vorgesehen ist. Als Kontakt- und Vermittlungsstelle ist ein sog. SIRENE-Büro einzurichten, welches für den Austausch von Informationen über SIS-Ausschreibungen und für die Einhaltung der weiteren polizeilichen Bestimmungen des Schengen-Besitzstands zuständig ist.
Die Fingerabdruckdatenbank Eurodac und der für den Datenaustausch benötigte Kanal (Dublinet) bilden den operativen Kern von Dublin. Der Dublin-Besitzstand legt denjenigen Staat fest, der für die Prüfung eines in einem Mitgliedsstaat gestellten Asylantrags zuständig ist. Damit wird einerseits jedem Asylsuchenden die Durchführung eines Asylverfahrens garantiert und andererseits verhindert, dass ein Asylbewerber in mehreren Mitgliedsstaaten Asylanträge stellt.
Der zu übernehmende Rechtsbestand hat bedeutende rechtliche, finanzielle, organisatorische und personelle Auswirkungen. Die Rechtshilfebestimmungen sind weitgehend direkt anwendbar. Angepasst werden müssen das Polizeigesetz, das Waffengesetz, das Asylgesetz und das Datenschutzgesetz. Das neue Ausländergesetz wird Schengen-konform ausgestaltet. Die notwendigen Gesetzesanpassungen liegen bereits vor.
Der Beitritt zu "Schengen" und "Dublin" erfordert vor allem im Zuständigkeitsbereich der Landespolizei und des Ausländer- und Passamts finanzielle und personelle Ressourcen. Im Polizeibereich betrifft dies die Einrichtung eines sog. SIRENE-Büros und den Anschluss an das Schengener Informationssystem (SIS). Beim Ausländer- und Passamt sind infolge der Anbindung an die europäischen Datensysteme Eurodac und Dublinet ebenfalls Investitionen zu tätigen und die notwendigen personellen Kapazitäten bereit zu stellen. Weiterer Personalbedarf besteht beim Amt für Personal und Organisation (Informatik) und bei der Stabsstelle für Datenschutz. Es sind insgesamt 8.5 neue ständige Stellen vorzusehen. Für das Jahr 2008 wird ausserdem ein Nachtragskredit von 3.23 Mio. Franken beantragt.
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Mit einer raschen Ratifikation der am 28. Februar 2008 in Brüssel unterzeichneten Vertragstexte kann Liechtenstein eine wichtige Voraussetzung für das Inkrafttreten und Inkraftsetzen der Assoziierung schaffen. Ziel sollte sein, dass zwischen dem schweizerischen Beitritt, der voraussichtlich Ende 2008 wirksam wird, und dem liechtensteinischen Beitritt möglichst wenig Zeit vergeht.
Zuständige Ressorts
Ressorts Äusseres, Präsidium, Inneres und Justiz
Betroffene Amtsstellen
Mission des Fürstentums Liechtenstein bei der Europäischen Union in Brüssel, Amt für Auswärtige Angelegenheiten, Ausländer- und Passamt, Landespolizei, Staatsanwaltschaft, Gerichte, Stabsstelle Datenschutz, Amt für Personal und Organisation, Motorfahrzeugkontrolle.
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Vaduz, den 3. Juni 2008
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend die Protokolle zur Assoziierung Liechtensteins an die Systeme von "Schengen" und "Dublin" zu unterbreiten.
1.1Allgemeines
Nach Abschluss der Verhandlungen über eine Beteiligung Liechtensteins an den Systemen von "Schengen" und "Dublin" wurden am 21. Juni 2006 die entsprechenden Vertragstexte paraphiert. Die Unterzeichnung fand schliesslich am 28. Februar 2008 statt. Die unterzeichneten Texte umfassen die beiden Assoziierungsprotokolle zu "Schengen" und "Dublin" sowie das Protokoll betreffend die Einbindung Dänemarks. Das Assoziierungsprotokoll zu "Schengen" beinhaltet die Assoziierung Liechtensteins zum so genannten Schengen-Acquis, wodurch Liechtenstein mit dem Beitritt zum Assoziierungsabkommen der Schweiz an der Grenzöffnung für den Personenverkehr und an einer engeren Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich teilhaben wird. Mit dem Beitritt zum Dublin--
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Assoziierungsabkommen der Schweiz wird Liechtenstein an der gemeinsamen europäischen Asylpolitik beteiligt.
Im Laufe der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts wurde in der Europäischen Gemeinschaft eine Diskussion über die Bedeutung des Begriffs Personenverkehrsfreizügigkeit eingeleitet. Da ein gemeinsames Vorgehen sämtlicher EG-Staaten nicht realisierbar erschien, beschlossen Frankreich, Deutschland, Belgien, Luxemburg und die Niederlande, untereinander einen Raum ohne Grenzen, den so genannten Schengen-Raum, zu schaffen, benannt nach dem kleinen Ort in Luxemburg, in dem 1985 das Schengener Übereinkommen und 1990 das Schengener Durchführungsübereinkommen unterzeichnet wurden.
Als das Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ)1 1995 in Kraft gesetzt wurde, konnten die Binnengrenzen zwischen den bereits sieben Unterzeichnerstaaten (fünf Gründerstaaten sowie Spanien und Portugal) aufgehoben und eine einzige Aussengrenze geschaffen werden, an der Einreisekontrollen nach einheitlichen Verfahren stattfinden. Es wurden gemeinsame Vorschriften hinsichtlich der Erteilung von Kurzzeit-Visa, des Asylrechts (dazu später unter "Dublin") und der Kontrolle an den Aussengrenzen erlassen, um den freien Personenverkehr zwischen den Unterzeichnerstaaten ohne Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung zu ermöglichen. Nach 1995 sind Italien, Griechenland, Österreich, Dänemark, Finnland und Schweden dem Schengen-System beigetreten. Seit Ende 2007 nehmen neun der zehn im Jahr 2004 der EU beigetretenen Staaten ebenfalls an der Schengen-Zusammenarbeit teil2. Drei neue EU-Mitgliedsstaaten (Zypern, Rumänien, Bulgarien) befinden sich noch im Übernahmeprozess. Abgesehen von der Sonderstellung Dänemarks nehmen nur das Vereinigte Königreich und Irland nicht an der Schengen-Zusammenarbeit teil bzw. tun dies auf Antrag nur punktuell. Für die EU-Mitgliedsländer Dänemark, Irland und das Vereinigte Königreich
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sind Sonderregelungen vorgesehen. Dänemark wendet den Schengener Besitzstand voll an, aber es hat bei der Unterzeichnung des Schengener Abkommens einen Vorbehalt hinsichtlich der Umsetzung und Anwendung künftiger Entscheidungen auf der Grundlage des Abkommens geltend gemacht. Es entscheidet von Fall zu Fall, ob es sich an der Weiterentwicklung des Schengener Besitzstands auf völkerrechtlicher Grundlage anschliesst und das ohne seine Beteiligung zustande gekommene Gemeinschaftsrecht als nationales Recht anwenden will. Dänemark ist allerdings an bestimmte Massnahmen im Bereich der gemeinsamen Politik der Visa-Erteilung gebunden. Irland und das Vereinigte Königreich sind keine Parteien des Schengener Abkommens. Sie können den Schengen-Besitzstand mit Billigung des EU-Rates ganz oder teilweise übernehmen und sich an seiner Weiterentwicklung beteiligen. Sie erteilen keine Schengen-Visa. Beide Staaten wenden das Schengener Abkommen nur teilweise an. Der EU-Ministerrat billigte einen entsprechenden Antrag dieser Staaten zur verstärkten Zusammenarbeit von Polizei und Justiz in Strafsachen, bei der Drogenbekämpfung und bei dem Schengener Informationssystem (SIS). Allerdings erfolgte kein Wegfall der Grenzkontrollen.
Obwohl "Schengen" ursprünglich nur für EG- bzw. EU- Mitgliedstaaten konzipiert war, wurde bereits 1996 mit den EWR/EFTA-Staaten Norwegen und Island ein Schengen-Kooperationsabkommen geschlossen (welches jedoch nie in Kraft trat). Dies geschah vor dem Hintergrund, dass die beiden Staaten zusammen mit Dänemark, Finnland und Schweden die Nordische Passunion bildeten, aufgrund welcher die Grenzkontrollen zwischen diesen Staaten bereits aufgehoben waren. Diese langjährige Zusammenarbeit sollte auch nach dem Beitritt der drei letztgenannten Staaten zu Schengen fortgesetzt werden.
Durch den Vertrag von Amsterdam vom 2. Oktober 1997 wurde die Schengen-Zusammenarbeit mit Wirkung ab 1. Mai 1999 in den rechtlichen und institutionellen Rahmen der Europäischen Union einbezogen. Der Schengen-Acquis (Schengener Abkommen und die auf dieser Grundlage erlassenen Regelungen) und seine Weiterentwicklungen wurden dadurch in weiten Bereichen in die Kompetenz der
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Europäischen Gemeinschaft (1. Säule) überführt. Die restlichen Bereiche fanden Eingang in den Politikbereich Justiz und Innere Sicherheit (3. Säule), welchem der Europäische Rat 1999 in Tampere (Finnland) neue Impulse gab. Im Rahmen dieser Umgestaltung wurde auch ein neues Kooperationsabkommen mit Island und Norwegen geschlossen.
Die bereits in den Schengener Übereinkommen vorgesehenen Regeln betreffend die Zuständigkeit für Asylgesuche wurden schon früh auf eine separate Rechtsgrundlage gestellt, welche die diesbezüglichen Schengen-Regeln ersetzte. Das so genannte Dubliner Übereinkommen () vom 15. Juni 1990 legt die Regeln zur Bestimmung desjenigen Staates fest, der für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft gestellten Asylantrages zuständig ist. Einerseits soll erreicht werden, dass jedem Ausländer, der auf dem Gebiet der Vertragsstaaten des Dubliner Übereinkommens einen Asylantrag stellt, die Durchführung eines Asylverfahrens garantiert wird. Andererseits soll aber auch verhindert werden, dass ein Asylbewerber mehr als ein Verfahren im Hoheitsgebiet der Vertragsstaaten betreiben kann. Für den dafür notwendigen Informationsaustausch wurde ein europäisches automatisiertes System zum Vergleich der Fingerabdrücke von Asylbewerbern geschaffen: das System EURODAC. Das Dubliner Übereinkommen wurde 1990 von den damals 12 EG-Mitgliedstaaten unterzeichnet und ist am 1. September 1997 in Kraft getreten. Es ist innerhalb der Europäischen Union inzwischen durch die so genannte Dublin II-Verordnung ersetzt worden. Aufgrund der Ausgliederung dieser Materie aus dem Schengen-Acquis werden auch die Assoziationen zu Dublin formell eigenständig geregelt.
Diese anfänglich nur Mitgliedstaaten der Gemeinschaft offen stehende Zusammenarbeit wurde, wie erwähnt, aufgrund der bestehenden Nordischen Passunion zwischen Dänemark, Schweden, Finnland, Norwegen und Island beim Beitritt der drei erstgenannten Länder zu Schengen um die beiden EWR-/EFTA-Staaten erweitert. Deren Assoziierungsabkommen dienten als Grundlage für das Assoziierungsabkommen, welches die Schweiz abgeschlossen hat, insbesondere in institu-
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tioneller Hinsicht. Die Abkommen setzen sog. Gemischte Ausschüsse aus Vertretern Islands, Norwegens und der EU-Mitgliedsstaaten sowie der Kommission ein und erlauben eine Beteiligung der assoziierten Staaten bei der Ausarbeitung neuer Rechtsinstrumente - nicht aber bei der Beschlussfassung dazu- im Zusammenhang mit der Weiterentwicklung des Schengen-Acquis. Für die Annahme und Umsetzung neu erlassener Rechtsakte bestehen je nach assoziiertem Staat unterschiedliche Fristen, die auf die verfassungsrechtlichen Erfordernisse dieser Staaten Rücksicht nehmen.



 
1Siehe Beilage 8 (Auszüge).
 
2Die Binnengrenzkontrollen an den Flughäfen wurden erst Ende März 2008 aufgehoben.
 
LR-Systematik
6
61
612
0..3
0..1
0..15
0..15.2
0..1
0..15
0..15.2
LGBl-Nummern
2011 / 142
2011 / 132
2011 / 131
2008 / 219
Landtagssitzungen
27. Juni 2008
26. Juni 2008
Stichwörter
Abkommen von Schengen und Dublin, Assoziierung
Amt für Per­sonal und Orga­ni­sa­tion (Infor­matik), Personalbedarf
Asso­zi­ie­rungs­pro­to­koll, Dublin
Asso­zi­ie­rungs­pro­to­koll, Schengen
Asy­lan­trag
Bank­kun­den­ge­heimnis
Dub­linet
Ergän­zungs­kredit
Eurodac
Finanz­be­schluss
Nach­trags­kredit
Rechts­hilfe, Fiskalbereich
Schengen Infor­ma­ti­ons­system (SIS),
Schengen, Asso­zi­ie­rung, Personalbedarf
Schengen-Asso­zi­ie­rung, Rechts­hilfe, für
Schen­gener Infor­ma­ti­ons­system, SIS II
SIRENE-Büro, Schengen
Stab­ss­telle für Datenschutz
Steu­er­be­trug, Rechtshilfe
Steu­er­hin­ter­zie­hung