Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend die Abänderung des Gesetzes über den Erwerb und Verlust des Landesbürgerrechtes in Bezug auf Integration, Findelkinder, Staatenlose und erweiterte Verleihungsvoraussetzungen und - Hindernisse (Landesbürgerrechtsgesetz; BüG) sowie die Abänderung weiterer Gesetze (Gemeindegesetz)
Einerseits beinhaltet diese Gesetzesvorlage schwerpunktmässig die aufgrund einer Motion aus dem Jahre 2006 geforderten notwendigen integrativen Bestimmungen, wie die Beherrschung der deutschen Sprache und Kenntnisse der Rechtsordnung sowie der Staatskunde inkl. positiv abgelegter Prüfung. Mit dem vorliegenden Massnahmenpaket sollen sich Ausländer leichter, rascher und besser in die liechtensteinische Gesellschaft unter Teilnahme am wirtschaftlichen, kulturellen und gesellschaftlichen Leben unter Beibehaltung der eigenen Identität gut eingliedern können.
Andererseits geht dieser Gesetzesvorschlag der Regierung auf eine Initiative aus dem Jahre 1999 zurück, mit welcher die Regierung eingeladen wurde, ein erleichtertes Verfahren für Staatenlose zu überprüfen. In Bezug auf die Problematik von Staatenlosen gab es bereits in früheren Jahren entsprechende parlamentarische Vorstösse, welche jedoch aus verschiedenen nationalen und internationalen Gründen noch nicht realisiert werden konnten. Der vorliegende Regierungsvorschlag betreffend die erleichterte Einbürgerung von Staatenlosen orientiert sich zum einen im wesentlichen an jener Lösung, wie sie von den Initianten dargelegt wurde und zum anderen am Übereinkommen über die Verringerung der Fälle von Staatenlosigkeit vom 30. August 1961 und am Übereinkommen über die Rechtsstellung der Staatenlosen vom 28. September 1954.
Darüber hinaus sind zum einen aufgrund der unterschiedlichen teils auch negativen Erfahrungen in der Praxis der letzten Jahre und zum anderen im Zuge der eingegangenen Stellungnahmen zum Vernehmlassungsbericht sowie der nochmaligen Überarbeitung dieser Gesetzesvorlage weitere Anpassungen vorgenommen und Bestimmungen eingefügt worden, um einerseits mit erweiterten Verleihungsvoraussetzungen und -hindernissen eine objektivere Einbürgerungspraxis zu ermöglichen und andererseits einen flexibleren Handlungsspielraum für die gesetzesanwendenden Behörden zu schaffen. Insgesamt umfasst diese Gesetzesvorlage also im Wesentlichen folgende Bereiche:
Einführung von Integrationsmassnahmen;
Schaffung erweiterter Verleihungsvoraussetzungen und -hindernisse;
Einführung des Erwerbs durch unbekannte Abstammung (Findelkind);
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Einführung des Erwerbs infolge Staatenlosigkeit;
Anpassung der Wohnsitzerfordernisse zum einen an die Integrationsmassnahmen und zum anderen an die umliegenden Nachbarstaaten;
Gegliederte Übersicht durch Einteilung in Kapitel; und
Vereinheitlichung der Verfahrensschritte.
Zudem erachtet es die Regierung, deren Eintreten für den Schutz der Menschenrechte einer der erklärten Schwerpunkte ihrer Aussenpolitik ist, für wichtig, dass noch bestehende Lücken bezüglich der liechtensteinischen Mitgliedschaft bei internationalen Übereinkommen im Bereich des Rechts betreffend Staatenlosigkeit und Findelkinder geschlossen werden, weshalb als Vorbereitung für den geplanten Beitritt zum Übereinkommen über die Verringerung der Fälle von Staatenlosigkeit vom 30. August 1961 (New Yorker Konvention) und zum Übereinkommen über die Rechtsstellung der Staatenlosen vom 28. September 1954, die Staatenlosen und Findelkinder in diese Gesetzesvorlage aufgenommen worden sind.
Abschliessend ist festzuhalten, dass diese Vorlage aus sachbezogenen Gründen mit dem neuen Gesetz über die Ausländerinnen und Ausländer ohne EWR- oder Schweizer Staatsangehörigkeit insbesondere im integrativen Bereich abgestimmt, gemeinsam dem Landtag zur Behandlung unterbreitet wird.
Zuständiges Ressort
Ressort Inneres, Ressort Präsidium, Ressort Familie und Chancengleichheit
Betroffene Amtsstellen
Zivilstandsamt
Ausländer-und Passamt
Stabsstelle für Chancengleichheit
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Vaduz, 3. Juni 2008
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag den nachstehenden Bericht und Antrag betreffend die Abänderung des Gesetzes über den Erwerb und Verlust des Landesbürgerrechtes in Bezug auf Integration, Findelkinder, Staatenlose und erweiterte Verleihungsvoraussetzungen und -hindernisse, (Landesbürgerrechtsgesetz; BüG) sowie damit zusammenhängend die Abänderung weiterer Gesetze (Gemeindegesetz) zu unterbreiten.
Am 22. November 1999 reichten die Abgeordneten Paul Vogt und Egon Matt im Landtag eine Initiative zur Abänderung des Landesbürgerrechtes (erleichtertes Verfahren für Staatenlose) ein. Mit dieser Initiative wurde die Regierung eingeladen, die erleichterte Einbürgerung von Staatenlosen zu überprüfen und dem Landtag allenfalls eine entsprechende Abänderung des Gesetzes über den Erwerb und Verlust des Landesbürgerrechtes zu unterbreiten. Diese Initiative wurde wie folgt begründet:
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"Für die in Liechtenstein lebenden Staatenlosen ist die Möglichkeit einer schnellen erleichterten Einbürgerung besonders wichtig. Zwar trifft es zu, dass die Staatenlosigkeit nicht einen eigentlichen völkerrechtswidrigen Zustand darstellt, doch ist ebenso unbestritten, dass Staatenlosigkeit nach Möglichkeit vermieden oder beseitigt werden soll. Insbesondere das UNO-Abkommen über die Rechte des Kindes vom 20. November 1989 verpflichtet die Unterzeichnerstaaten ausdrücklich zur Vermeidung der Staatenlosigkeit von Kindern. Bezeichnenderweise hat Liechtenstein bei der Unterzeichnung dieses Abkommens einen entsprechenden Vorbehalt anbringen müssen. Nach Auffassung der Freien Liste geht es nicht an, die erleichterte Einbürgerung für alteingesessene Ausländer vorzusehen, ohne gleichzeitig eine befriedigende Lösung für die Staatenlosen zu schaffen. Die vorliegende parlamentarische Gesetzesinitiative wird deshalb zum jetzigen Zeitpunkt eingebracht, um eine parallele Behandlung mit der Vorlage über die erleichterte Einbürgerung alteingesessener Ausländer zu ermöglichen."
Der Landtag hat in seiner öffentlichen Sitzung vom 15. Dezember 1999 die Initiative vom 22. November 1999 zwecks Stellungnahme zu den in der Eintretensdebatte aufgeworfenen Fragen an die Regierung überwiesen, nachdem in der Landtagsdebatte vom 15. Dezember 1999 zahlreiche nicht ad-hoc zu lösende Fragen aufgeworfen wurden.
In Bezug auf die Problematik von Staatenlosen gab es danach mehrere entsprechende parlamentarische Vorstösse, welche jedoch aus verschiedenen Gründen bis heute noch nicht realisiert werden konnten. Eine der Ursachen für das Entstehen von Staatenlosigkeit ist wie bei mehrfacher Staatsbürgerschaft im Umstand zu sehen, dass das Völkerrecht die einzelnen Staaten nicht verpflichtet, ihre Staatsangehörigkeitsgesetze aufeinander abzustimmen. Die Regelung der Staatsangehörigkeit ist eine den Einzelstaaten vorbehaltene Domäne.
In Europa hat der Kampf gegen das Auftreten von Staatenlosigkeit bereits langjährige Tradition. Deshalb stellt die Vermeidung bzw. Verminderung der Fälle
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von Staatenlosigkeit auch einen international anerkannten Grundsatz im Staatsangehörigkeitsrecht dar, weshalb auch die Regierung unter diesem Gesichtspunkt beabsichtigt, dem Übereinkommen zur Verminderung der Staatenlosigkeit vom 30. August 1961 (New Yorker Konvention) beizutreten. Nach Art. 1 Abs. 1 dieser Konvention sind die nationalen Bürgerrechtsgesetze so auszugestalten, dass ein an sich staatenlos geborenes Kind entweder ex lege durch Geburt, das heisst also automatisch die Staatsbürgerschaft erlangt, oder aber zumindest auf Antrag durch Einbürgerung die Staatsbürgerschaft erhalten kann. So regelt diese Vorlage in § 5b angelehnt an die New Yorker Konvention, dass einem Staatenlosen ein Rechtsanspruch auf Einbürgerung zugestanden wird, wenn er im Inland geboren und seit seiner Geburt staatenlos ist.