Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend die Totalrevision des Gesetzes vom 8. Mai 1991 über die Massnahmen im Wirtschaftsverkehr mit fremden Staaten
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Internationale Sanktionen haben in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen, mit direktem Einfluss auf Liechtenstein und dessen Finanzplatz. Als UNO-Mitglied ist Liechtenstein völkerrechtlich verpflichtet, Sanktionen der Vereinten Nationen umzusetzen. Die Einhaltung dieser Sanktionen wird von der internationalen Gemeinschaft und einer Vielzahl Nicht-Regierungs-Organisationen überwacht bzw. begleitet. Mangelhafte Umsetzung birgt grosse Reputationsrisiken für die betreffenden Staaten und insbesondere auch für deren Finanzplätze.
Aus Anlass seiner UNO-Mitgliedschaft hat Liechtenstein zur innerstaatlichen Umsetzung der vom Sicherheitsrat erlassenen nichtmilitärischen Massnahmen das Gesetz vom 8. Mai 1991 über Massnahmen im Wirtschaftsverkehr mit fremden Staaten (Wirtschaftsmassnahmengesetz) geschaffen. Auf dessen Grundlage setzt Liechtenstein gleichfalls die Sanktionen um, welche die EU im Rahmen ihrer Gemeinsamen Aussen- und Sicherheitspolitik erlässt und mit welchen sich Liechtenstein im Rahmen des Politischen Dialogs zwischen der EU und den EWR-/EFTA-Staaten und auf der Grundlage seiner aussenpolitischen Prioritäten assoziiert.
Um dem Wandel der letzten Jahre im Bereich der internationalen Sanktionen gerecht zu werden, ist nach Ansicht der Regierung die Totalrevision des Wirtschaftsmassnahmengesetzes angezeigt. Mit dem vorliegenden Entwurf eines neuen Sanktionengesetzes, des Gesetzes zur Durchsetzung internationaler Sanktionen (ISG), wird nunmehr der Anwendungsbereich desselben auf die Durchsetzung internationaler Sanktionen im Sinne einer Anpassung an die bisherige Praxis eingegrenzt. Des Weiteren werden die bisher fehlenden notwendigen Grundlagen zur Datenbearbeitung geschaffen, um den Erfordernissen des Datenschutzes gerecht zu werden. Ferner wird im ISG die in einzelnen Verordnungen unterschiedlich geregelte Zusammenarbeit mit den ausländischen Behörden sowie den Vereinten Nationen und deren Gremien unter die gleichen Rahmenbedingungen gestellt. Schliesslich wird der Strafrahmen für Widerhandlungen gegen Massnahmen angehoben, u.a. um eine verbesserte Präventivwirkung zu erzielen.
Mit dem Inkrafttreten des ISG wird das bisherige Wirtschaftsmassnahmengesetz aufgehoben und durch das neu geschaffene Gesetz ersetzt. Das Sanktionengesetz ist - wie das Wirtschaftsmassnahmengesetz - als Rahmengesetz konzipiert. Die
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geltenden Verordnungen zur Durchsetzung bestehender Sanktionen sind entsprechend an die neue Gesetzesgrundlage anzupassen. Die Verordnung vom 9. September 1999 über die Vermittlung von Kriegsmaterial (Kriegsmaterialsvermittlungsverordnung, KMVV)
1, mit welcher die Verpflichtungen Liechtensteins zur Umsetzung des Chemiewaffenübereinkommens
2 sowie des Anti-Personenminen-Übereinkommens
3 umgesetzt werden und die sich auf das Wirtschaftsmassnahmengesetz stützt, ist mit dessen Aufhebung auf eine neue rechtliche Grundlage zu stellen. Die Schaffung eines eigenen Gesetzes zur Regelung der Vermittlung von Kriegsmaterial wird dem Landtag in einer separaten Vorlage unterbreitet.
Zuständige Ressorts
Ressort Präsidium, Ressort Finanzen, Ressort Äusseres, Ressort Justiz
Betroffene Stellen
Amt für Auswärtige Angelegenheiten, Ausländer- und Passamt, Stabsstelle Financial Intelligence Unit, Finanzmarktaufsicht, Grundbuch- und Öffentlichkeitsregisteramt, Rechtsdienst der Regierung, Staatsanwaltschaft
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Vaduz, 12. August 2008
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend die Totalrevision des Gesetzes vom 8. Mai 1991 über die Massnahmen im Wirtschaftsverkehr mit fremden Staaten zu unterbreiten.
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1 | LGBl. 1999 Nr. 185. |
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2 | Übereinkommen vom 13. Januar 1993 über das Verbot der Entwicklung, Herstellung, Lagerung und des Einsatzes chemischer Waffen und über die Vernichtung solcher Waffen, LGBl. 1999 Nr. 235. |
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3 | Überkommen vom 18. September 1997 über das Verbot des Einsatzes, der Lagerung, der Herstellung und der Weitergabe von Anti-Personenmienen und über deren Vernichtung, LGBl. 1999 Nr. 229. |
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Liechtenstein hat im Rahmen seiner UNO-Mitgliedschaft zur innerstaatlichen Umsetzung der vom Sicherheitsrat erlassenen nichtmilitärischen Massnahmen das Gesetz vom 8. Mai 1991 über Massnahmen im Wirtschaftsverkehr mit fremden Staaten
4 geschaffen.
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Der Sicherheitsrat kann im Fall einer Bedrohung oder eines Bruchs des Friedens oder einer Angriffshandlung nach Art. 41 der Charta der Vereinten Nationen vom 26. Juni 1945
5 Sanktionen nichtmilitärischer Art beschliessen. Derartige Sanktionen der Vereinten Nationen werden gegen Rechtsbrecher oder Friedensstörer zur Durchsetzung des Völkerrechts, insbesondere fundamentaler Menschenrechte, ergriffen. In erster Linie handelt es sich um Wirtschaftssanktionen, also um diskriminierende Beschränkungen der Ein- oder Ausfuhr von Waren, Technologie, von Kapital oder Dienstleistungen gegenüber einem Land, einer Gruppe von Ländern oder - insbesondere im Bereich der Beschränkungen von Kapital - Personen mit dem Ziel, die Sanktionsadressaten aus politischen Gründen zu einem bestimmten Verhalten zu bewegen
6. Zu den Sanktionen nichtmilitärischer Art zählen aber auch weitere Massnahmen wie Einreisebeschränkungen oder Einschränkungen im wissenschaftlichen, technologischen und kulturellen Austausch, welche das gleiche Ziel verfolgen.
Seit dem Ende des "Kalten Krieges" und dem Ende der Blockade im Sicherheitsrat durch Drohungen mit dem Veto hat die Zahl von Sanktionsbeschlüssen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen deutlich zugenommen. Dabei gehen die Entwicklungen in Richtung der so genannten "smart sanctions" bzw. "targeted sanctions", d.h. hin zu konkreten, an natürliche oder juristische Personen gerichteten Massnahmen, welche die Zivilbevölkerung verschonen und die Entscheidungsträger des betroffenen Landes oder bestimmte Personengruppen, insbesondere auch terroristische Gruppierungen, zu einem bestimmten Verhalten bewegen sollen. Der Fokus ist diesbezüglich auf Finanzsanktionen und Ein- und Durchreiseverbote gerichtet. Prominenteste Beispiele sind die vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen erlassenen Resolutionen 1267 (1999) vom 15. Oktober 1999 (Usama Bin Laden, Al Qaida und Taliban) und 1483 (2003) vom 22. Mai 2003
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(Irak). Im Vergleich zu diesen neueren Entwicklungen waren die internationalen Sanktionsbeschlüsse älterer Generation hauptsächlich auf Rüstungsembargos beschränkt oder beinhalteten wie im Fall Irak ein umfassendes Handelsembargo, verbunden mit einer nachträglichen teilweisen Lockerung betreffend humanitäre Hilfe.
Auf Grundlage des Wirtschaftsmassnahmengesetzes setzt Liechtenstein gleichfalls die Sanktionen um, welche die EU im Rahmen ihrer Gemeinsamen Aussen- und Sicherheitspolitik erlässt und mit welchen sich Liechtenstein im Rahmen des Politischen Dialogs zwischen der EU und den EWR-/EFTA-Staaten und auf der Grundlage seiner aussenpolitischen Prioritäten assoziiert. Es besteht jedoch im Gegensatz zu den Sanktionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen keine völkerrechtliche Verpflichtung zur Umsetzung. Liechtenstein hat sich bisher den EU-Sanktionen unter Berücksichtigung seiner aussenpolitischen Prioritäten (insbesondere Einhaltung der Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit) angeschlossen.
Es ist darauf hinzuweisen, dass die rechtliche Umsetzung von Sanktionen des Sicherheitsrates und der EU durch die Schweiz, den Güterhandel sowie die Einreisebeschränkungen betreffend, in Liechtenstein aufgrund des Zollvertrags und der Fremdenpolizeilichen Vereinbarungen gleichfalls zur Anwendung gelangt
7. Aussenpolitische Erwägungen als auch der Umstand, dass die Sanktionen des Sicherheitsrates wie auch der EU Bereiche ausserhalb des Güter- und Personenverkehrs -
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und damit im autonomen Regelungsbereich Liechtensteins (z.B. Finanzsanktionen) betreffen, erfordern eine eigene Rechtsgrundlage zur Durchsetzung internationaler Sanktionen. Die Schweiz hat zur Durchsetzung internationaler Sanktionen nichtmilitärischer Art am 22. März 2002 ein entsprechendes Gesetz (Bundesgesetz über die Durchsetzung von internationalen Sanktionen; Embargogesetz, EmbG; SR 946.231) verabschiedet und am 1. Januar 2003 in Kraft gesetzt. Aufgrund des Zollvertrages und der damit verbundenen Nähe stützt sich der vorliegende Gesetzesentwurf auf die schweizerische Gesetzgebung.
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4 | LGBl. 1991 Nr. 41. |
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5 | LGBl. 1990 Nr. 65. |
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6 | Vgl. K. Ipsen, Völkerrecht, 4. Aufl., München 1999, S. 593. |
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7 | Gemäss Art. 4, 7 und 10 des Vertrages vom 29. März 1923 zwischen der Schweiz und Liechtenstein über den Anschluss des Fürstentums Liechtenstein an das Schweizerische Zollgebiet (Zollvertrag, ZV; LR 0.631.112) werden die aufgrund des Zollvertrages im Fürstentum Liechtenstein anwendbaren schweizerischen Rechtsvorschriften in Anlage I zum ZV publiziert. Demnach ist das Kriegsmaterialgesetz (KMG, SR 514.51) vom 13. Dezember 1996 in Liechtenstein anwendbar, unbeschadet der Verpflichtungen des Fürstentums Liechtenstein aufgrund seiner UNO-Mitgliedschaft (Art. 25), mit der Einschränkung, dass der Verfall nach Art. 38 und 39 zugunsten des Fürstentums Liechtenstein stattfindet und mit Ausnahme von Art. 4, 16a und 16b (Handel im Ausland), Art. 30 Abs. 2 erster Satz und Art. 32 sowie der Bestimmungen betreffend die Vermittlungstätigkeit, die Übertragung von Immaterialgütern, einschliesslich Know-how, und die Einräumung von Rechten daran. Das Güterkontrollgesetz (GKG, SR 946.202) vom 13. Dezember 1996 ist ebenfalls in Liechtenstein anwendbar, mit Ausnahme der Bestimmungen betreffend die Vermittlungstätigkeit. Schliesslich ist auch das Embargogesetz (EmbG, SR 946.231) vom 22. März 2002 in Liechtenstein anwendbar, soweit der grenzüberschreitende Handel betroffen ist. |
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