Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend die Abänderung des Strafgesetzbuches (Cyber Crime)
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Liechtenstein hat das Übereinkommen vom 23. November 2001 über die Computerkriminalität (Cyber Crime Convention, CCC) einschliesslich des Zusatzprotokolls vom 28. Januar 2003 anlässlich der Jubiläumsfeier Liechtensteins beim Europarat (30 Jahre Mitgliedschaft) am 17. November 2008 in Strassburg unterzeichnet. Das Übereinkommen samt Zusatzprotokoll ist ein Übereinkommen des Europarates zur Bekämpfung der Kriminalität im Zusammenhang mit den neuen Informationstechnologien. Es strebt eine Harmonisierung der nationalen Gesetzgebungen in Bezug auf die zu ahndenden Vergehen, die Definition der Untersuchungs- und Strafverfolgungsverfahren sowie die Errichtung eines schnellen und effektiven Systems der internationalen Zusammenarbeit an. Das Übereinkommen ist das erste internationale Rechtsinstrument zur Bekämpfung der Computer- und Internetkriminalität. Es ist zudem direkt relevant für die verbesserte Zusammenarbeit im Rahmen der Bekämpfung des Terrorismus. Das Zusatzprotokoll weitet den Geltungsbereich des Übereinkommens auf Straftaten rassistischer oder fremdenfeindlicher Art aus und stellt damit ein wichtiges internationales Instrument im Kampf gegen Rassismus dar.
Das Übereinkommen ist am 1. Juli 2004 in Kraft getreten und zählt 23 Vertragsparteien; das Zusatzprotokoll ist seit dem 1. März 2006 in Kraft und zählt 13 Vertragsparteien. Österreich hat, wie Liechtenstein und die Schweiz, das Übereinkommen einschliesslich Zusatzprotokoll bereits unterzeichnet, jedoch noch nicht ratifiziert. Die notwendigen Anpassungen der Rechtslage wurden in Österreich allerdings bereits vorgenommen. Das österreichische Strafgesetzbuch stellt die Rezeptionsvorlage für das liechtensteinische Strafgesetzbuch dar. Deshalb, und zur Wegbereitung für die Umsetzung des Übereinkommens, ist im Sinne der Vermeidung eines weiteren Regelungsgefälles gegenüber der österreichischen Rezeptionsvorlage eine Revision des liechtensteinischen Strafgesetzbuches angezeigt. Den Bestimmungen des Zusatzprotokolls genügt die liechtensteinische Rechtslage bereits. Weitere Massnahmen zur vollständigen Umsetzung der Konvention sind im Ressort Justiz in Vorbereitung, namentlich hinsichtlich Straftaten in Bezug auf Kinderpornographie sowie bezüglich der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von juristischen Personen sowie verfahrensrechtliche Anpassungen (StPO). Diese Vorlagen werden in einem separaten Strafrechtspaket umgesetzt, da die relevanten Bestimmungen in Österreich derzeit teilweise überarbeitet
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werden. Nach Abschluss dieser Revision werden die nötigen Umsetzungsarbeiten in Liechtenstein in Angriff genommen.
Neu zu schaffen sind die Bestimmungen betreffend den widerrechtlichen Zugriff auf ein Computersystem, zur Störung der Funktionsfähigkeit eines Computersystems, zum Missbrauch von Computerprogrammen oder Zugangsdaten sowie zur Datenfälschung. Ebenfalls neu einzufügen sind zwei Legaldefinitionen, einerseits die Legaldefinition des Begriffes "Computersystem", andererseits die Legaldefinition des Begriffes "Daten". Lediglich Anpassungsbedarf gibt es hinsichtlich der bereits bestehenden §§ 126 (Datenbeschädigung), 147 (Schwerer Betrug), 148a (Computerbetrug bzw. Betrügerischer Datenverarbeitungsmissbrauch), 166 (Begehung im Familienkreis), 167 (Tätige Reue im Abschnitt Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen) sowie 226 (Tätige Reue im Abschnitt Strafbare Handlungen gegen die Zuverlässigkeit von Urkunden und Beweiszeichen).
Zuständiges Ressort
Ressort Justiz
Betroffene Stellen
Staatsanwaltschaft
Landespolizei
Landgericht
Amt für Auswärtige Angelegenheiten
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Vaduz, 10. März 2009
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend die Abänderung des Strafgesetzbuches (Cyber Crime) an den Landtag zu unterbreiten.
Computerkriminalität definiert sich als Straftat, die mit der Nutzung von Computertechnologien verbunden ist.
Die Begriffe "Computerkriminalität", "Computerstraftaten", "High-Tech-Kriminalität" und "Cyberkriminalität" sind insofern gleichbedeutend, als sie a) die Nutzung von Informations- und Kommunikationsnetzen ohne geographische Begrenzung und b) die Übertragung von nicht erfassbaren und kurzlebigen Daten bezeichnen.
Die Entwicklung im Bereich der Computerkriminalität ist rasant. Der Missbrauch des Internets, insbesondere durch die organisierte Kriminalität, ist bereits stark verbreitet und nimmt weiter kontinuierlich zu. Handlungsbedarf besteht zwei-
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fellos, da sich viele neue Phänomene aus dem Bereich der Informations- und Kommunikationskriminalität (Mediendelikte) nur noch schwerlich unter die bestehenden Strafvorschriften des nationalen Rechts subsumieren lassen. Gesetzeslücken sowie eine unklare und teils widersprüchliche Rechtslage stellen Behörden und Internetanbieter beim Kampf gegen die Computerkriminalität oft vor Probleme.
Die jüngsten Entwicklungen zeigen deutlich, dass die Gefahren der Computerkriminalität stetig zunehmen. Das aktuellste Beispiel ist die Weiterentwicklung von "Bot"-Netzwerken. "Bots" sind Programme, die sich unbemerkt auf den Computer eines Opfers herunterladen und selbständig auf dem Gerät installieren. Die "gehackten" Rechner können in der Folge per Fernzugriff gesteuert werden und für kriminelle Aktivitäten wie beispielsweise dem Versenden von "Spam" missbraucht werden.
Der Europarat hat diese Ausgangslage zum Anlass genommen, ein entsprechendes Übereinkommen auszuarbeiten. Das Übereinkommen vom 23. November 2001 über die Computerkriminalität
1 ist die erste internationale Vereinbarung über mittels Internet oder sonstiger Computernetze begangene Straftaten. Es betrifft vor allem Verletzungen des Urheberrechts, Betrug per Computer, Kinderpornographie und Verstösse gegen die Sicherheit von elektronischen Netzen. Das Übereinkommen enthält auch eine Reihe von Ermächtigungen und Verfahrensvorschriften wie beispielsweise die Ermächtigung zur Suche in Computernetzen oder zum Abfangen von Nachrichten. Hauptzweck ist laut der Präambel die Verfolgung einer gemeinsamen Strafrechtspolitik zum Schutz der Gesellschaft vor Straftaten per Computer (sog. Cyber Crimes), und zwar insbesondere durch entsprechende gesetzliche Regelungen und die Förderung der internationalen -
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Zusammenarbeit. Das Übereinkommen ist das Ergebnis vierjähriger Arbeiten von Europaratsexperten, wobei auch Japan, Kanada, die USA und andere Länder, die nicht Mitglied des Europarats sind, mitgewirkt haben. Ergänzend dazu gibt es ein Zusatzprotokoll
2, das die Veröffentlichung rassistischer oder fremdenfeindlicher Propaganda in Computernetzen unter Strafe stellt.
Die Cyber Crime-Konvention wurde bisher von 46 Staaten unterzeichnet
3 und von 23 Staaten ratifiziert
4. Es stellt eines der bedeutenden internationalen Strafrechtsübereinkommen dar. Dem Zusatzprotokoll gehören 13 Vertragsparteien an. Beide Rechtsinstrumente stehen auch Nichtmitgliedstaaten des Europarats zum Beitritt offen. So sind z.B. die USA bereits Vertragspartei des Übereinkommens. Liechtenstein hat das Übereinkommen sowie das Zusatzprotokoll am 17. November 2008 unterzeichnet.
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1 | Übereinkommen über Computerkriminalität vom 23. November 2001 - Cyber Crime Convention (CCC), ETS Nr. 185. |
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2 | Zusatzprotokoll vom 28. Januar 2003 zum Übereinkommen über Computerkriminalität betreffend die Kriminalisierung mittels Computersystemen begangener Handlungen rassistischer und fremdenfeindlicher Art, ETS Nr. 189. |
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3 | Z.B. Liechtenstein, Deutschland, Österreich, die Schweiz, Japan und Kanada. |
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4 | Z.B. Vereinigte Staaten von Amerika, Norwegen, die Niederlande, die Ukraine, Italien, Frankreich, Dänemark und sämtliche Länder des osteuropäischen Raumes. |
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