Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend die Schaffung und Harmonisierung gesetzlicher Grundlagen zur Führung und Transparenz von öffentlichen Unternehmen (Schaffung eines Rahmengesetzes und Abänderung der entsprechenden Spezialgesetze)
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Das vorliegende Gesetzespaket stellt die Fortführung der von der Regierung bereits im Jahr 2007 begonnenen Arbeiten im Bereich der Corporate Governance für öffentliche Unternehmen dar. Anlässlich einer Postulatsbeantwortung wurde diese Thematik im Herbst 2007 bereits umfassend im Landtag diskutiert und der von der Regierung aufgezeigte Weg für die weitere Bearbeitung wurde grundsätzlich bestätigt. Darauf aufbauend hat die Regierung eine Vernehmlassungsvorlage erstellt und diese einem breiten Kreis - in erster Linie den öffentlichen Unternehmen - zur Stellungnahme unterbreitet.
Der vorliegende, umfangreiche Bericht der Regierung resultiert in der Schaffung eines Rahmengesetzes zur Steuerung und Überwachung von öffentlichen Unternehmen, in der Anpassung sämtlicher Spezialgesetze sowie im Vorschlag für nicht verbindliche Empfehlungen zur Führung und Kontrolle von öffentlichen Unternehmen in Liechtenstein (Code). Dabei werden im Rahmengesetz die für sämtliche Unternehmen gültigen Regelungen festgehalten. Die einzelnen Spezialgesetze werden "entschlackt", indem die aus heutiger Sicht nicht mehr zwingend auf Gesetzesstufe zu regelnden Inhalte zur Aufhebung vorgeschlagen werden. Dementsprechend sollen unternehmensindividuelle Detailregelungen auf der Stufe von Statuten und Organisationsreglementen erfolgen.
Die Regierung räumt der Frage der staatlichen Aufsichtsfunktion über öffentliche Unternehmen breiten Raum und hohe Wichtigkeit ein. Wie die Diskussion im Landtag anlässlich der erwähnten Postulatsbeantwortung im Herbst 2007 gezeigt hat, ist es notwendig, in dieser Thematik ein einheitliches Verständnis zwischen dem Landtag als legislativem Organ und der Regierung als Exekutivbehörde herzustellen. Die Regierung kommt diesbezüglich zum Schluss, dass es die verfassungsmässige Aufgabe des Landtags und damit der Geschäftsprüfungskommission ist, die Geschäftstätigkeit der Regierung zu überwachen, was auch beinhaltet, dass der Landtag kontrolliert, wie die Regierung ihre verfassungsmässige Verantwortung in Bezug auf die Oberaufsicht über die öffentlichen Unternehmen wahrnimmt. Die direkte Aufsicht und Steuerung der öffentlichen Unternehmen sieht die Regierung jedoch als eine operative und damit ihre Aufgabe - analog einer Konzernleitung im privatwirtschaftlichen Bereich - an. Dies beinhaltet konsequenterweise auch die Kompetenz zur Wahl resp. Abberufung der strategischen
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Führungsgremien, also der Verwaltungs- und Stiftungsräte der öffentlichen Unternehmen, da diese der Regierung als Oberaufsichtsbehörde direkt verantwortlich sind.
Eine wichtige Frage ist darüber hinaus, wie die Regierung zukünftig ihre "Konzernleitungsfunktion" wahrnehmen soll. Diesbezüglich misst sie dem Instrument der Eigner- resp. Beteiligungsstrategie eine wichtige Rolle zu. Die strategische Ausrichtung öffentlicher Unternehmen muss mit der Regierung als Eignervertretung abgestimmt sein und die jeweiligen Verwaltungs- und Stiftungsräte müssen auf die Umsetzung der gemeinsam definierten strategischen Ziele verpflichtet werden können. Die Regierung muss im Interesse der Unternehmensentwicklung festlegen, was ihre Strategien in Bezug auf die wesentlichen Landesbeteiligungen sind und die Mitglieder der strategischen Führungsebenen der öffentlichen Unternehmen müssen sich der Umsetzung der Eignerstrategie verpflichtet fühlen. Auch wenn der Landtag diverse Aufgaben per Gesetz an selbständige Unternehmen ausgelagert hat, so handelt es sich dennoch um öffentliche Aufgaben mit einem entsprechend hohen Mass an öffentlichem Interesse. Eine von der Regierung formulierte mittelfristige Eignerstrategie schafft für die verantwortlichen Unternehmensorgane Klarheit und Sicherheit zur Erarbeitung einer daraus abgeleiteten Unternehmensstrategie und unterstützt damit eine notwendigerweise breit abgestützte, zielgerichtete Weiterentwicklung der einzelnen Institutionen.
Mit dem vorliegenden Gesetzespaket unternimmt die Regierung einen grossen Schritt in Bezug auf die Führung und Steuerung öffentlicher Unternehmen, welcher sich gerade auch im internationalen Vergleich sehen lassen darf.
Dieses Projekt stiess bereits in der Erarbeitungsphase aufgrund verschiedener Kontakte auf reges Interesse und dürfte nach Einschätzung der Regierung einen positiven Beitrag zum Liechtensteinbild im Sinne eines fortschrittlichen Staates im näheren Ausland leisten.
Zuständiges Ressort
Ressort Präsidium
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Betroffene Stellen
Regierungssekretär, Regierungsressorts, Stabsstelle Finanzen
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Vaduz, 18. August 2009
P
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend die Schaffung und Harmonisierung gesetzlicher Grundlagen zur Führung und Transparenz von öffentlichen Unternehmen an den Landtag zu unterbreiten.
Betrachtet man die heutige Beteiligungslandschaft des Landes, so kann diese durchaus als "Konzern" angesehen werden und das Land mit seinen Allein-, Mehrheits- oder Minderheitsbeteiligungen als Muttergesellschaft. Die rechtliche Grundlage dazu schafft die Verfassung selbst, indem sie in Art. 78 Abs. 4 dem Landtag das Recht einräumt, Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts mit der Besorgung wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Aufgaben zu betrauen. Auf dieser Grundlage ist in den letzten Jahren und Jahrzehnten eine Vielzahl öffentlich-rechtlicher Unternehmen geschaffen worden. Trotz der bewussten Auslagerung öffentlicher Aufgaben von der zentralen Landesverwaltung in eine selbständige oder unselbständige rechtliche Einheit, han-
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delt es sich bei den übertragenen Aufgaben nach wie vor um solche von öffentlichem Interesse, weshalb der Regierung in der Verfassung ausdrücklich die Oberaufsicht zugewiesen wird. In diesem Sinne übt sie - um erneut das privatwirtschaftliche Pendant zu zitieren - die Funktion der Konzernleitung aus.
Nebst den spezialgesetzlich errichteten öffentlich-rechtlichen Unternehmen ist das Land über gesetzliche Ermächtigung auch an privatwirtschaftlich gegründeten Unternehmen beteiligt, wie z.B. an der Telecom Liechtenstein AG oder der Stiftung Liechtensteinischer Entwicklungsdienst. Und schliesslich gibt es Fälle, in welchen sich das Land an der strategischen Führung beteiligt, weil das private Unternehmen eine wichtige Aufgabe im öffentlichen Interesse wahrnimmt und massgeblich durch öffentliche Gelder finanziert wird, wie z.B. die Stiftung Liechtensteinische Alters- und Krankenhilfe (LAK).
Mit Stand Ende 2008 stellte sich das Beteiligungsportefeuille des Landes wie folgt dar:
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Gruppe a: Beherrschung durch Kapitaleinsatz und/oder Einfluss auf strategische Führungsebene
Die folgenden 25 Unternehmen werden durch das Land Liechtenstein - bezogen auf Grundkapital - vollständig oder mehrheitlich beherrscht bzw. im Falle der aufgeführten Stiftungen ist das Land alleiniger oder massgebender Stifter:
Unternehmen - [Landesanteil] - (% Grundkapital, CHF)
Finanzmarktaufsicht [100%] (2 Mio.)
Int. Agentur für Bildungsangelegenheiten AIBA [100%] (-)
Kulturstiftung Liechtenstein [100%] (30 Tsd.)
Liechtenst. Alters- und Hinterlassenen-Versicherung [100%] (-)
Liechtenstein Bus Anstalt [100%] (-)
Liechtenstein Tourismus [100%] (-)
Liechtensteinische Familienausgleichskasse [100%] (-)
Liechtensteinische Gasversorgung [100%] (36.4 Mio.)
Liechtensteinische Invalidenversicherung [100%] (-)
Liechtensteinische Kraftwerke [100%] (12 Mio.)
Liechtensteinische Landesbank AG [58%] (88.5 Mio.)
Liechtensteinische Post AG [75%] (3.75 Mio.)
Liechtensteinische Rundfunkanstalt [100%] (2.5 Mio.)
Stiftung Erwachsenenbildung Liechtenstein [100%] (100 Tsd.)
Stiftung Hochschule Liechtenstein [100%] (-)
Stiftung Image Liechtenstein [66.7%] (100 Tsd.)
Stiftung Kunstmuseum Liechtenstein [100%] (-)
Stiftung Kunstschule Liechtenstein [100%] (-)
Stiftung Liechtensteinische Landesbibliothek [100%] (-)
Stiftung Liechtensteinische Musikschule [100%] (-)
Stiftung Liechtensteinischer Entwicklungsdienst [98%] (50 Tsd.)
Stiftung Liechtensteinisches Landesmuseum [100%] (-)
Stiftung Liechtensteinisches Landesspital [100%] (-)
Stiftung Pensionsversicherung für das Staatspersonal [100%] (-)
Telecom Liechtenstein AG [100%] (40 Mio.)
Bei den erwähnten Institutionen wird das oberste Führungsorgan (Verwaltungsrat, Stiftungsrat, Hochschulrat, Aufsichtsrat) heute gänzlich oder zur Mehrheit durch den Landtag und/oder die Regierung bestimmt.
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Gruppe b: Einflussnahme durch Finanzierung und Beteiligung in der Unternehmensleitung
Auf die folgenden drei Unternehmen nimmt das Land massgebend Einfluss durch einen hohen Anteil an der Finanzierung und gleichzeitig durch Einsitznahme in der strategischen Führungsebene:
Unternehmen - [Landesanteil] - (% Grundkapital, budg. Finanzierung 2009)
Stiftung Liechtensteinische Alters- und Krankenhilfe [50%] (13.4 Mio.)
Genossenschaft Theater am Kirchplatz [0%] (2.4 Mio.)
Stiftung Agrarmarketing Liechtenstein [81.6%] (175 Tsd.)
Bei diesen Unternehmen ist klarzustellen, ob sie zukünftig als öffentliches Unternehmen im Sinne des geplanten Rahmengesetzes gelten sollen oder nicht. Dabei ist in erster Linie vom öffentlichen Interesse an der Aufgabenerfüllung auszugehen.