Berichte und Anträge
Regierungskanzlei (RK)
BuA - Nummer
2010 / 2
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Ein­lei­tung
I.Bericht der Regierung
1.Aus­gangs­lage
2.Erläu­te­rungen zum Freihandelsabkommen
3.Erläu­te­rungen zum Land­wirt­schafts­ab­kommen Schweiz-GCC
4.Ver­nehm­las­sung
5.Ver­fas­sungs­mäs­sig­keit / Rechtliches
6.Volks­wirt­schaft­liche Auswirkungen
7.Per­so­nelle, finan­zi­elle, orga­ni­sa­to­ri­sche und räum­liche Auswirkungen
II.Antrag der Regierung
Grüner Teil
 
Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend das Freihandelsabkommen zwischen den EFTA-Staaten und den Mitgliedstaaten des Kooperationsrates der Arabischen Golfstaaten (GCC) vom 22. Juni 2009 
 
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Die EFTA-Staaten (Island, Liechtenstein, Norwegen und die Schweiz) haben am 22. Juni 2009 in Hamar (Norwegen) ein umfassendes Freihandelsabkommen mit den Mitgliedstaaten des Kooperationsrates der Arabischen Golfstaaten (Gulf Cooperation Council, GCC: Bahrain, Katar, Kuwait, Oman, Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate/VAE) unterzeichnet. Das Abkommen umfasst den Handel mit Industrieprodukten (einschliesslich Fisch und andere Meeresprodukte) und mit verarbeiteten Landwirtschaftsprodukten, den Dienstleistungshandel, das öffentliche Beschaffungswesen und den Wettbewerb. Um den Besonderheiten der Landwirtschaftsmärkte und -politiken der einzelnen EFTA-Staaten Rechnung zu tragen, wird der Handel mit unverarbeiteten Landwirtschaftsprodukten in bilateralen Zusatzabkommen geregelt, die von den einzelnen EFTA-Staaten mit den GCC-Staaten individuell abgeschlossen wurden.
Das Freihandelsabkommen verbessert auf breiter Basis den Marktzugang und die Rechtssicherheit für die liechtensteinische Waren- und Dienstleistungsexporte in die GCC-Staaten. Mit Inkrafttreten des Abkommens fallen die Zölle für Exporte von Industrieerzeugnissen in die GCC-Staaten für mehr als 90 % der Tariflinien weg. Die Zölle für weitere 6 % der Tariflinien werden fünf Jahre nach Inkrafttreten des Abkommens beseitigt. Für den Dienstleistungshandel haben die Vertragsparteien die Marktzugangsverpflichtungen über das WTO-Niveau hinaus verbessert. Für den Zugang zu den öffentlichen Beschaffungsmärkten haben sich die Vertragsparteien auf Verpflichtungen geeinigt, die jenen des plurilateralen WTO-Übereinkommens über das öffentliche Beschaffungswesen entsprechen, bei dem die GCC-Staaten im Gegensatz zu den EFTA-Staaten nicht Vertragsparteien sind. In Bezug auf den Schutz der Rechte an geistigem Eigentum bestätigt das Abkommen das WTO-Schutzniveau und enthält eine Verhandlungsklausel. Betreffend Investitionen ausserhalb des Dienstleistungssektors haben die Vertragsparteien ebenfalls spätere Verhandlungen über den Marktzugang ("pre-establishment") vereinbart.
Das neue Abkommen wird die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaftsakteure der EFTA-Staaten auf den Märkten der GCC-Staaten verbessern und soll Diskriminierungen gegenüber ausländischen Konkurrenten mit bestehenden oder künftigen Präferenzabkommen mit den GCC-Staaten vermeiden. Der GCC-Raum ist für die
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EFTA-Staaten ein wichtiger Exportmarkt mit erheblichem Wachstumspotenzial, welches die Liechtensteiner Wirtschaft dank dem vorliegenden Abkommen vermehrt wird nutzen können. 2008 beliefen sich die Exporte der Zollunion Schweiz-Liechtenstein in die GCC-Staaten auf 5,9 Milliarden Franken, während die Importe mehr als 970 Millionen Franken betrugen. Die liechtensteinischen Direktexporte in die GCC-Staaten betrugen im Jahr 2008 123,2 Millionen Franken, die Direktimporte 2,5 Millionen Franken.1 Gemessen am Handelsvolumen werden die GCC-Staaten nach der Europäischen Union und Japan der drittgrösste Freihandelspartner des Wirtschaftsraums Schweiz-Liechtenstein sein.
Voraussichtlich alle zwei bis drei Jahre findet eine Sitzung des Gemischten Ausschusses in einem Mitgliedstaat des GCC statt, so dass der Liechtensteinischen Mission in Genf Reiseauslagen entstehen. Es ergeben sich keine personellen Konsequenzen.
Es entstehen keine räumlichen oder organisatorischen Auswirkungen.
Zuständiges Ressort
Ressort Äusseres
Betroffene Amtsstellen
Amt für Auswärtige Angelegenheiten
Liechtensteinische Mission in Genf
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Vaduz, 3. Februar 2010
P
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend das Freihandelsabkommen zwischen den EFTA-Staaten und den Mitgliedstaaten des Kooperationsrates der Arabischen Golfstaaten (GCC) vom 22. Juni 2009 zu unterbreiten.



 
1An den schweizerischen Grenzstellen erfasste Einfuhren (Liechtenstein ist Bestimmungsland). Nicht erfasst sind die Importe aus der Schweiz.
 
1.1Würdigung des Freihandelsabkommens
Das am 22. Juni 2009 in Hamar (Norwegen) unterzeichnete Freihandelsabkommen zwischen den EFTA-Staaten und den Mitgliedstaaten des Kooperationsrates der Arabischen Golfstaaten (Gulf Cooperation Council, GCC: Bahrain, Katar, Kuwait, Oman, Saudi-Arabien und Vereinigte Arabische Emirate/VAE) hat einen sektoriell umfassenden Geltungsbereich. Es beinhaltet Liberalisierungsverpflichtungen für den Handel mit Industrieprodukten (unter Einschluss von verarbeiteten Landwirtschaftsprodukten und Fisch), den Handel mit Dienstleistungen und das öffentliche Beschaffungswesen sowie Bestimmungen zum Geistigen Eigen-
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tum und zum Wettbewerb. Das Abkommen verbessert auf breiter Basis den Marktzugang bzw. die Rechtssicherheit für die Liechtensteiner Exportindustrie (Waren und Dienstleistungen, öffentliche Beschaffungsmärkte). In Bezug auf die Investitionen ausserhalb des Dienstleistungssektors wurde für den Marktzugang ("pre-establishment") eine Verhandlungsklausel vereinbart, da die GCC-Staaten gegenwärtig nicht in der Lage sind, diesbezüglich Verpflichtungen einzugehen, die gleichwertig wären mit jenen, welche die EFTA-Staaten offeriert hatten. Wie bei anderen EFTA-Freihandelsabkommen wird der Handel mit unverarbeiteten Landwirtschaftsprodukten in bilateralen Zusatzabkommen zwischen den einzelnen EFTA-Staaten und den GCC-Staaten geregelt. Das Landwirtschaftsabkommen zwischen der Schweiz und den GCC-Staaten findet über die Anlage II des Zollvertrags mit der Schweiz in Liechtenstein ebenfalls Anwendung.
Das Abkommen mit den GCC-Staaten erweitert das Netz von Freihandelsabkommen, das die EFTA-Staaten seit Beginn der 1990er-Jahre mit Drittstaaten ausbauen. Die EFTA-Staaten verfügen gegenwärtig über 16 in Kraft stehende Freihandelsabkommen2 mit Partnern ausserhalb der Europäischen Union. Weitere Freihandelsabkommen haben die EFTA-Staaten mit Kolumbien, mit Albanien und Serbien unterzeichnet. Das Freihandelsabkommen mit Peru wird voraussichtlich Anfang 2010 unterzeichnet werden. Gegenwärtig finden Freihandelsverhandlungen zwischen den EFTA-Staaten und Algerien, Indien, Thailand und der Ukraine statt, weitere Freihandelsabkommen sind mit Hong Kong, Indonesien, Russland und Vietnam in Vorbereitung. Mit Malaysia und Panama soll in -
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einem ersten Schritt eine Zusammenarbeitserklärung abgeschlossen, zu Vietnam soll eine Machbarkeitsstudie im Hinblick auf ein Freihandelsabkommen durchgeführt werden. Die Schweiz hat auf bilateraler Ebene mit Japan ein Abkommen über Freihandel und wirtschaftliche Partnerschaft abgeschlossen, welches am 1. September 2009 in Kraft getreten ist. Dessen Bestimmungen über den Warenverkehr finden über die Anlage II zum Zollvertrag in Liechtenstein Anwendung. Die Schweiz verfolgt ausserdem einen exploratorischen Prozess für ein mögliches bilaterales Freihandelsabkommen mit China, welches über den Zollvertrag auch Liechtenstein einbeziehen würde.
Neben seiner Mitgliedschaft im EWR und in der WTO stellt der Abschluss von Freihandelsabkommen für Liechtenstein als stark exportabhängiges Land mit weltweit diversifizierten Absatzmärkten einen Hauptpfeiler seiner Politik der Marktöffnung und der Verbesserung der Rahmenbedingungen für den internationalen Handel dar. Der spezifische Beitrag der Freihandelsabkommen zu den Zielen der Aussenwirtschaftspolitik Liechtensteins besteht u.a. in der Vermeidung oder der raschen Beseitigung von Diskriminierungen, die sich aus Präferenzabkommen ergeben, welche unsere Handelspartner mit unseren Konkurrenten abgeschlossen haben. Dies lässt sich nur durch den Abschluss von Präferenzabkommen mit diesen Handelspartnern erreichen. Mit dem Abschluss von Freihandelsabkommen zielen die EFTA-Staaten darauf ab, ihren Unternehmen einen Zugang zu den ausländischen Märkten zu verschaffen, der jenem ihrer wichtigsten Konkurrenten (EU, USA und Japan) mindestens gleichwertig ist. Gleichzeitig verbessern diese Abkommen auf breiter Basis die Rahmenbedingungen, die Rechtssicherheit und die Stabilität der Wirtschaftsbeziehungen mit den betroffenen Ländern. Auch dort, wo die Vermeidung von Diskriminierungen nicht im Vordergrund steht, leisten Freihandelsabkommen einen Beitrag zur Diversifikation und zur Dynamisierung der Aussenwirtschaftsbeziehungen.
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Der Kooperationsrat der Arabischen Golfstaaten wurde am 25. Mai 1981 in Riad mit der Unterzeichnung der GCC-Gründungscharta errichtet. Der GCC hat unter anderem zum Ziel, die Koordination und Integration sowie die gegenseitigen Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten zu fördern und einheitliche Rechtsbestimmungen, insbesondere in den Bereichen Wirtschaft, Finanzen, Handel, Zölle, Kommunikation sowie Bildung und Kultur, zu verwirklichen. Die bisher am weitesten reichenden Integrationsschritte des GCC waren die Errichtung einer Freihandelszone im Jahr 1982 sowie deren Ablösung durch eine Zollunion am 1. Januar 2003. Ziel ist die Realisierung eines gemeinsamen Marktes, welcher die Freizügigkeit von Personen sowie den freien Verkehr von Waren, Dienstleistungen und Kapital im ganzen GCC-Raum umfasst. Dieses ursprünglich für Ende 2007 gesteckte Ziel ist noch nicht in allen Teilen erreicht. Für das Jahr 2010 war zudem die Schaffung einer GCC-Währungsunion geplant, welche jedoch durch den Ausstieg der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) im Mai 2009 in Frage gestellt wurde. Oman war bereits im Jahr 2006 aus dem Projekt ausgestiegen. Bahrain, Katar, Kuwait und Saudi-Arabien planen nunmehr eine Währungsunion auf Anfang des Jahres 2013.
Das Freihandelsabkommen der EFTA-Staaten mit den GCC-Staaten geht in verschiedener Hinsicht über das im Rahmen der WTO-Abkommen gewährleistete Niveau des Marktzugangs und der Rechtssicherheit hinaus. Das Abkommen wendet effektive und potenzielle Diskriminierungen ab, die sich aus bestehenden und künftigen Präferenzabkommen der GCC-Staaten mit anderen Ländern ergeben, bzw. verschafft den EFTA-Staaten einen Wettbewerbsvorteil. Dies gilt namentlich gegenüber den Hauptkonkurrenten des EFTA-Wirtschaftsraums, z.B. der EU, welche gegenwärtig über kein Präferenzabkommen mit den GCC-Staaten verfügt. Bislang haben die GCC-Staaten als Gruppe erst mit einem anderen Industrieland (Singapur) ein Freihandelsabkommen abgeschlossen. Die im Jahr 1990 begonnenen und 2002 neu lancierten Freihandelsverhandlungen zwischen
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den GCC-Staaten und der EU sind noch nicht abgeschlossen. Weiter verhandeln die GCC-Staaten gegenwärtig über ein wirtschaftliches Partnerschaftsabkommen mit Japan. Ausserdem haben die GCC-Staaten Verhandlungen über Freihandelsabkommen unter anderem mit Australien, China, Indien und Neuseeland begonnen. Zwei GCC-Staaten (Oman und Bahrain) haben zudem je auf bilateraler Basis ein Freihandelsabkommen mit den USA abgeschlossen. Die VAE verhandeln seit 2005 mit den USA über ein bilaterales Freihandelsabkommen.
Das Freihandelsabkommen mit den GCC-Staaten ist für die EFTA-Staaten nach den Abkommen mit Mexiko (in Kraft seit 1. Juli 2001), Singapur (1. Januar 2003), Chile (1. Dezember 2004), Südkorea (1. September 2006), der SACU3 (1. Mai 2008), Kanada (1. Juli 2009) und Kolumbien (unterzeichnet am 25. November 2008) das achte Freihandelsabkommen mit einem Partner ausserhalb Europas und des Mittelmeerraums und das sechste mit umfassendem Geltungsbereich. Für die GCC-Staaten ist das Freihandelsabkommen mit den EFTA-Staaten das erste Freihandelsabkommen mit europäischen Partnern. Gemessen am Handelsvolumen werden die GCC-Staaten nach der Europäischen Union und Japan der derzeit drittgrösste Freihandelspartner des Wirtschaftsraums Schweiz-Liechtenstein.



 
2Ägypten (LGBl. 2008 Nr. 261, LR 0.632.311.491), Chile (LGBl. 2005 Nr. 42, LR 0.632.311.451), Israel (LGBl. 1996 Nr. 162, LR 0.632.311.341), Jordanien (LGBl. 2002 Nr. 111, LR 0.632.314.341), Kanada (LGBl. 2009 Nr. 174, LR 0.632.311.411), Kroatien (LGBl. 2002 Nr. 112, LR 0.632.311.291), Libanon (LGBl. 2006 Nr. 236, LR 0.632.311.481), Marokko (LGBl. 1999 Nr. 215, LR 0.632.311.381), Mazedonien (LGBl. 2002 Nr. 60, LR 0.632.311.281), Mexiko (LGBl. 2001 Nr. 163, LR 0.632.311.421), PLO/Palästinensische Behörde (LGBl. 1999 Nr. 172, LR 0.632.311.901), Republik Korea (LGBl. 2006 Nr. 174, LR 0.632.311.461), Singapur (LGBl. 2003 Nr. 30, LR 0.632.311.411), Südafrikanische Zollunion (SACU: Südafrika, Botsuana, Lesotho, Namibia, Swasiland) (LGBl. 2008 Nr. 96, LR 0.632.311.801) Tunesien (LGBl. 2006 Nr. 191, LR 0.632.311.471), Türkei (LGBl. 1992 Nr. 88, LR 0.632.311.301).
 
3Southern African Customs Union: Botswana, Lesotho, Namibia, Südafrika und Swasiland
 
LR-Systematik
0..6
0..63
0..63.2
LGBl-Nummern
2014 / 161
Landtagssitzungen
17. März 2010
Stichwörter
Ara­bi­sche Golf­staaten, Koope­ra­ti­onsrat, EFTA-Freihandelsabkommen
EFTA-Frei­han­dels­ab­kommen mit Ara­bi­schen Golfstaaten
Frei­han­dels­ab­kommen, Ara­bi­sche Golf­staaten, Kooperationsrat