Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend die Schaffung eines Geldspielgesetzes (GSG) sowie die Abänderung weiterer Gesetze (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb; Fernabsatzgesetz; Strafgesetzbuch; Steuergesetz; Gewerbegesetz; Konsumentenschutzgesetz; Sorgfaltspflichtgesetz)
6
Das liechtensteinische Recht hat mit den Umwälzungen im Bereich der Glücks- und anderen Geldspiele nicht Schritt gehalten und verunmöglicht so eine kohärente Geldspielpolitik. Heute ermöglichen die rasanten Fortschritte im Bereich der Elektronik, der Informatik und der Datenübertragung eine schnelle und zielgruppenorientierte Massenabwicklung von Geldspielen über neue Vertriebsformen wie elektronische Spielautomaten, mobile und Festnetztelefonie, interaktives Fernsehen und Internet. Und seit der Aufhebung des schweizerischen Spielbankenverbots können die Einwohner Liechtensteins innert kürzester Anfahrtszeit sechs ausländische Spielbanken besuchen (Bad Ragaz, St. Gallen, Pfäffikon, Bregenz, Lindau und Konstanz).
Gestützt auf die internationalen Erfahrungen mit solchem Wandel hat die Regierung eine neue Rechtsordnung mit Modellcharakter entwickelt. In diesem Sinne regelt die Vorlage sämtliche Formen des Spiels um Geld oder geldwerte Vorteile auf einheitlicher Basis, aber nur soweit dies aus sozialpolitischen und polizeilichen Gründen notwendig erscheint. Dabei ist ein Regelungsbedarf nach dem Entwurf immer gegeben, wo solche Spiele gewerbsmässig oder öffentlich durchgeführt werden. Dagegen bleibt etwa der Jass um Geld im kleinen privaten Kreis frei.
Das Gesetz integriert sämtliche Geldspielformen, somit einerseits die in Liechtenstein bereits angebotenen Lotterien (einschliesslich Tombolas), Wetten und Online-Glücksspiele, anderseits auch allfällige neue Angebote wie Spielbanken oder Geschicklichkeits-Geldspiele aller Art. Im Weiteren werden die Gewinnspiele zur Verkaufsförderung im Rahmen einer Änderung des UWG geregelt und bleiben die so genannten Schneeball- und ähnlichen Gewinnerwartungssysteme (Kettenbriefe, Pyramidensysteme, Schenkkreise etc.) verboten.
Dieser vollintegrierte Ansatz erscheint europaweit als Novum. Er legt ein solides Fundament für eine kohärente Geldspielpolitik, die namentlich auch jene verbreiteten Schwierigkeiten von Aufsichtsbehörden mit der Kontrolle "kreativer" neuer Spielformen minimiert, die durch Unschärfen in den Abgrenzungen zwischen verschiedenen Gesetzen möglich werden. Die Vorlage stellt ein modernes Rahmengesetz dar, das einerseits alle wesentlichen Verhaltens-, Organisations- und Kompetenznormen enthält, andererseits die Exekutive zum Erlass der erforderlichen
7
Detailregelungen ermächtigt und ihr dabei den gebotenen Handlungsspielraum eröffnet. Alle bestehenden Gesetze und Verordnungen zum Thema Geldspiele werden durch den neuen Erlass ersetzt.
Inhaltlich orientiert sich das Gesetz an den Lösungen jener europäischen Staaten, welche die vorliegend erfassten Geldspiele besonders wirksam und sachgerecht regulieren, kontrollieren und besteuern. Auch jüngste internationale Standards werden umgesetzt, etwa die von der FATF geforderte Unterstellung aktueller wie künftiger Anbieter von Online-Geldspielen unter die Geldwäscherei-Sorgfaltspflichten. Ganz im Sinne des laufenden Projekts "Futuro" eröffnet das Gesetz Nischen für eine moderate Entfaltung neuer wirtschaftlicher Aktivitäten namentlich für die Bereiche Spielbanken, Geschicklichkeits-Geldspiele und Online-Geldspiele. Dabei wird der Betrieb von Spielbanken und Online-Glücksspielen einer Konzessionspflicht unterstellt. Diese ermöglicht der Regierung, über eine allfällige Marktöffnung behutsam zu entscheiden und die Zulassung neuer Angebote quantitativ wie zeitlich zu limitieren. Die meisten weiteren Geldspielformen unterstehen einer Bewilligungspflicht; dagegen können Tombolas von Vereinen und dergleichen sowie die echten Geschicklichkeits-Geldspiele wie beispielsweise Jass-, Schach- oder Billard-Turniere bewilligungsfrei durchgeführt werden.
Um Angebote mit hohem Standard und hoher Qualität zu gewährleisten, wird die Erteilung von Konzessionen und Bewilligungen zur Durchführung von Geldspielen an sehr strenge Voraussetzungen geknüpft, wie sie auch etwa für schweizerische Spielbanken oder englische Lotterien und Online-Geldspiele gelten. So werden Konzessionen und Bewilligungen nur an Betreiber erteilt, die über genügend Eigenmittel verfügen, einen einwandfreien Leumund nachweisen können und Gewähr für eine einwandfreie Geschäftsführung bieten. Ebenso unterliegen die Durchführung bzw. der Betrieb der Geldspiele allen Beschränkungen, die nach der Praxiserfahrung geboten erscheinen, um einen sicheren und korrekten Spielbetrieb zu gewährleisten, Geldwäscherei und andere Kriminalität fernzuhalten und sozial schädlichen Auswirkungen vorzubeugen. So haben die Bewerber ein Sicherheitskonzept und ein Sozialkonzept zur Genehmigung zu unterbreiten, die Bewerber für eine Spielbanken- oder Online-Geldspiel-Konzession ausserdem ein Sorgfaltspflichtkonzept. Für Kleinveranstalter gelten diese strengen Durchführungsvorschriften spielbezogen nicht oder nur in erheblich abgeschwächtem Masse.
8
Die bewährte Zusammenarbeit mit Swisslos im Bereich der Grosslotterien und Sportwetten soll fortgeführt werden; sie richtet sich in Umsetzung des Zollvertrages weiterhin nach dem schweizerischen Lotteriegesetz, wobei der Vertrag zwischen der Regierung und Swisslos der Anpassung an die geänderten Verhältnisse bedarf.
Die konzessions- und bewilligungspflichtigen Geldspiele unterliegen einer auf dem Bruttospielerlös erhobenen Sonderabgabe ("Geldspielabgabe"), die - zusammen mit den aus der Kooperation mit Swisslos fliessenden Erlösen - zu 80 Prozent an die Landeskasse und zu 20 Prozent in einen von der Regierung zu errichtenden und zu verwaltenden Geldspielfonds fliesst. Die Abgabesätze werden innerhalb des gesetzlichen Rahmens für die einzelnen Spielformen von der Regierung festgelegt. Die Mittel des Geldspielfonds werden für gemeinnützige und wohltätige Zwecke sowie zur Bekämpfung der Spielsucht verwendet.
Die Aufsicht und der Vollzug des Gesetzes obliegen der Regierung und dem Amt für Volkswirtschaft (AVW), betreffs Sorgfaltspflichten nach dem Sorgfaltspflichtgesetz der FMA. Die Regierung erlässt die Durchführungsverordnungen, erteilt und entzieht Konzessionen und Bewilligungen und beaufsichtigt das AVW. Dieses beaufsichtigt die dem Gesetz unterstellten Anbieter, erteilt Bewilligungen überwiegend technischer Natur, veranlagt und bezieht die Abgaben und Gebühren und trifft alle notwendigen Massnahmen. Die Kosten der Aufsicht werden an deren Verursacher überwälzt, namentlich auch in Form einer Aufsichtsabgabe zulasten der Konzessions- und Bewilligungsinhaber. Weil die Regulierung und Kontrolle von Geldspielen ganz besonderen Fachwissens bedarf, das innerhalb der Verwaltung nicht genügend vorhanden ist und mit dem Ziel einer schlanken Verwaltung auch nicht aufgebaut werden soll, richtet die Regierung einen Fachbeirat für Geldspiele als ständige beratende Kommission ohne eigene Aufsichtskompetenzen ein.
Zuständiges Ressort
Ressort Wirtschaft
Betroffene Amtsstellen
Amt für Volkswirtschaft (AVW)
FMA
9
Vaduz, 3. Februar 2010
P
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehend Bericht und Antrag betreffend die Schaffung eines Geldspielgesetzes (GSG) zu unterbreiten.
Die Verfassung des Fürstentums Liechtensteins enthält keine Bestimmungen über Geldspiele. Das Gesetz betreffend die verbotenen Spiele und Wetten vom 14. März 1949 (LGBl. 1949 Nr. 7) setzt das seinerzeit mit dem Zollvertrag übernommene Spielbankenverbot in liechtensteinisches Recht um. Es verbietet
alle Hazard- oder reinen Glücksspiele um Geld oder Geldeswert, bei denen Gewinn oder Verlust überwiegend vom Zufall abhängig sind;
alle an und für sich erlaubten Spiele, wenn der Einsatz bzw. die Gewinn- und Verlustmöglichkeit unverhältnismässig hoch ist;
alle Arten von Spielwetten.
10
Als Beispiele verbotener Trägermedien nennt das Gesetz Karten, Würfel, Lotto, Spielmarken, Schneeballsysteme und Wetten. Die Durchführungsverordnung (LGBl. 1949 Nr. 10) zählt die gemäss Gesetz verbotenen Spiele beispielhaft auf (Pharao, Würfeln, Einundzwanzig, Zicken, Angehen, Bakkarat, Bänkeln, Stosspudelspiel, Lampeln usw.) und nennt explizit auch das Spiel mit Geldspielautomaten.
Des Weiteren regelt eine Verordnung aus dem Jahre 1912 die Aufstellung und den Betrieb von Spiel- und Musikautomaten in öffentlichen Lokalen (LGBl. 1912 Nr. 3). Darin wird in öffentlichen Lokalen das Aufstellen und der Betrieb von Spielautomaten, die Geld oder Waren als Gewinne ausgeben, ausnahmslos untersagt und werden die Musikautomaten einer Bewilligungspflicht unterstellt.
Aufgrund der Aufhebung des Spielbankenverbots in der Schweiz ist das gemäss Schlussprotokoll zum Zollvertrag für Liechtenstein geltende Spielbankenverbot obsolet geworden. Deshalb soll Ziffer 1 zum Schlussprotokoll über eine bilaterale Vereinbarung aufgehoben werden, und deshalb wurde das Spielbankengesetz nicht in die aktuelle Kundmachung der in Liechtenstein anwendbaren schweizerischen Rechtsvorschriften aufgenommen. Hingegen bleiben das Bundesgesetz betreffend die Lotterien und die gewerbsmässigen Wetten vom 8. Juni 1923 sowie die dazugehörige Verordnung auf dem Gebiet des Fürstentums Liechtenstein anwendbar (SR 935.51 und 935.511, siehe LGBl. 2008 Nr. 124, Seite 78), solange Liechtenstein keine eigenständige Regelung erlässt. Das Lotteriegesetz verbietet Lotterien und Wetten grundsätzlich, sieht jedoch Ausnahmen von diesem Verbot vor. So können die Kantone Lotterien zu gemeinnützigen und wohltätigen Zwecken bewilligen, und im Rahmen von Unterhaltungsanlässen betriebene Veranstaltungen (Vereinslotto, Tombola usw.) fallen nicht unter das Verbot.
Auf dieser Grundlage werden in Liechtenstein die Lotteriespiele und Sportwetten von Swisslos mitsamt der Online-Teilnahmemöglichkeiten angeboten; im Gegen-
11
zug erhält Liechtenstein wie die Schweizer Kantone einen Anteil am Reinerlös. Sodann wurde 1995 der Internationalen Lotterie in Liechtenstein Stiftung (ILLF) aufgrund von Ausnahmeregelungen des Lotteriegesetzes die Durchführung der Internetlotterie PLUS Lotto bewilligt. Der Interkantonalen Vereinbarung über die Aufsicht sowie die Bewilligung und Ertragsverwendung von interkantonal oder gesamtschweizerisch durchgeführten Lotterien und Wetten vom 7. Januar 2005 ist Liechtenstein nicht beigetreten.
Durch die Umsetzung der Richtlinie 91/308/EWG des Rates vom 10. Juni 1991 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche (91/308/EWG) zunächst in der Fassung der Richtlinie 2001/97/EG und danach in der Fassung der Richtlinie 2005/60/EG hat Liechtenstein die Spielbanken, nicht aber die Online-Casinos ausdrücklich dem Sorgfaltspflichtgesetz unterstellt.