Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend die Schaffung eines Tierschutzgesetzes, die Abänderung des Gesetzes über das Halten von Hunden und die Abänderung der Strafprozessordnung
Das liechtensteinische Tierschutzgesetz stammt aus dem Jahr 1989 und ist somit mehr als 20 Jahre alt. Inhaltlich erfuhr das Gesetz zwischenzeitlich nur einmal eine Anpassung, indem das Institut des Tierschutzbeauftragten eingefügt und die Regierung als Strafbehörde bezeichnet wurde, soweit nicht Tierquälerei vorliegt, ergänzt um die entsprechenden Anpassungen im Verfahrensrecht.
Das Tierschutzrecht im internationalen Umfeld erfuhr hingegen in den letzten Jahren wesentliche Anpassungen. So trat in Österreich am 1. Januar 2005 ein bundesweites Tierschutzgesetz in Kraft, in Deutschland wurde das Tierschutzgesetz im Jahr 2006 neu gefasst und in der benachbarten Schweiz trat die total revidierte Tierschutzgesetzgebung am 1. September 2008 in Kraft.
Das liechtensteinische Tierschutzgesetz orientiert sich traditionell an der schweizerischen Tierschutzgesetzgebung. Dieses Vorgehen wird mit folgender Begründung beibehalten: In rechtlicher Hinsicht stellt zumindest ein Teil der schweizerisches Tierschutzgesetzgebung Zollvertragsmaterie dar. Weiters ist hervorzuheben, dass die Wahl des schweizerischen Tierschutzgesetzes als Rezeptionsgrundlage die Rechtsfortentwicklung und Rechtsprechung in Liechtenstein erleichtert, da auf die schweizerische Literatur und Judikatur zurückgegriffen werden kann. Schliesslich ist eine unterschiedliche Ländergesetzgebung in diesem Rechtsbereich aus Wettbewerbsgründen zu vermeiden. Die landwirtschaftliche Nutztierhaltung ist nämlich auf den schweizerischen Markt ausgerichtet und somit abhängig von den zumindest vergleichbaren Tierschutzanforderungen.
Einen Schwerpunkt der Vorlage bildet die Erweiterung der Zweckbestimmung um den Schutz der Würde des Tieres, verstanden als den Eigenwert eines Tieres, der im Umgang mit ihm beachtet werden muss. Damit verbunden sind die Erweiterung der Grundsatzanforderungen beim Umgang mit Tieren und das über die schweizerische Rezeptionsvorlage hinausgehende Verbot der ungerechtfertigten Tötung eines Tieres. Neu erhält die Regierung die Möglichkeit, die Aus- und Weiterbildung von Personen, die mit Tieren umgehen, zu fördern. Im Zusammenhang damit wird sie ermächtigt, Anforderungen an die Aus- und Weiterbildung der Tierhalter sowie derjenigen Personen, die Tierhalter ausbilden, festzulegen. Zudem soll sie künftig die Anforderungen an die Aus- und
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Weiterbildung des Tiertransport- und Schlachtpersonals regeln. Bestimmungen zur Tierzucht sollen künftig verhindern, dass Zucht- und Reproduktionsmethoden bei Elterntieren und Nachkommen Schäden oder Verhaltensstörungen verursachen. Für Züchtung, Haltung und Verwendung von gentechnisch veränderten Tieren wird eine Bewilligungspflicht eingeführt. Damit soll ebenso wie mit den Bestimmungen betreffend die Tierversuche dieses schwierige Kapitel nicht einfach ausgeklammert, sondern geregelt werden. Des Weiteren dürfen künftig Schmerz verursachende Eingriffe nur unter allgemeiner oder örtlicher Schmerzausschaltung von fachkundigen Personen und solchen mit spezifischer Sachkenntnis vorgenommen werden.
Im Kapitel über die Organisation und Durchführung des Gesetzes werden neu die notwendigen Bestimmungen zur Datenbearbeitung durch das mit dem Vollzug beauftragte Amt für Lebensmittelkontrolle und Veterinärwesen aufgenommen und dessen Zusammenarbeit mit ausländischen Behörden und Institutionen geregelt.
Darüber hinaus wird dem Amt für Lebensmittelkontrolle und Veterinärwesen die Möglichkeit eingeräumt, in bestimmten Fällen für seine Tätigkeit Gebühren einzuheben.
Mit einer Bestimmung zum Investitionsschutz soll schliesslich den legitimen Interessen der landwirtschaftlichen Nutztierhalter Rechnung getragen werden.
Im Gesetz über das Halten von Hunden wird die Regierung abweichend von der schweizerischen Rezeptionsvorlage beauftragt und nicht nur ermächtigt, die Aus- und Weiterbildung von zukünftigen Hundehaltern sowie derjenigen Personen, die Hunde ausbilden, zu regeln. Die Regelung findet sich im Hundegesetz als Lex specialis, während die Schweiz, die derzeit noch kein bundesweit einheitliches Hundegesetz kennt, die analoge Regelung im Tierschutzgesetz verankert hat. Weiters werden das Erwerben und Halten von Hunden ohne erforderliche Ausbildung pönalisiert und der Strafrahmen bei Übertretungen gegen die Vorschriften der Hundezucht wird erhöht.
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Zuständiges Ressort
Ressort Gesundheit
Betroffene Amtsstelle
Amt für Lebensmittelkotrolle und Veterinärwesen (ALKVW)
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Vaduz, 30. März 2010
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend die Neuschaffung des Tierschutzgesetzes, die Abänderung des Gesetzes über das Halten von Hunden und die Abänderung der Strafprozessordnung an den Landtag zu unterbreiten.
In der Schweiz sind am 1. September 2008 das Tierschutzgesetz vom 16. September 2005 und die Tierschutzverordnung vom 23. April 2008 in Kraft getreten. Angesichts des auch im europäischen Umfeld erfolgten Ausbaus des ethischen Tierschutzes, der in Österreich durch den Erlass eines bundeseinheitlichen Tierschutzgesetzes im Jahr 2005 und in Deutschland durch die Neufassung des Tierschutzgesetzes im Jahr 2006 zum Ausdruck kommt, scheint es geboten, auch in Liechtenstein den Tierschutz in Bezug auf das Verhalten des Menschen gegenüber dem Tier sowie mit Blick auf die Durchführung des Gesetzes zu modernisieren.
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Einen weiteren Aspekt bildet die Auslobung der tiergerechten Produktion in Übereinstimmung mit den schweizerischen Tierschutznormen bei der Produktvermarktung. Angesichts der starken Ausrichtung der liechtensteinischen Landwirtschaft auf den schweizerischen Absatzmarkt sind gleiche Produktionsnormen und damit auch gleiche Tierschutzanforderungen essentiell. Seitens der Produzenten besteht die Forderung nach gleichen Wettbewerbsbedingungen. Durch den Einbezug Liechtensteins in das Landwirtschaftsabkommen Schweiz-EG
1 ist Liechtenstein u.a. zur Anwendung einer der schweizerischen Gesetzgebung äquivalenten Tierschutzgesetzgebung verpflichtet. Angesichts dessen besteht die völkerrechtlich bedingte Verpflichtung zur Gesetzgebung bei gleichzeitig weitgehender Beschränkung des Gestaltungsspielraums, insbesondere im Hinblick auf die Bestimmungen betreffend die der Lebensmittelgewinnung dienenden Tiere.
Zweifellos räumt die Bevölkerung dem Tierschutz heute einen hohen Stellenwert ein. Dies kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass bei den von Tieren
stammenden Produkten Tierschutz auch dann akzeptiert und als
Qualitätsmerkmal wahrgenommen wird, wenn er mit Mehrausgaben verbunden ist. Darüber hinausgehend ist es eine Selbstverständlichkeit, dass die Tiere nicht mehr nur um des Menschen Willen (anthropozentrischer Tierschutz), sondern um ihrer selbst willen geschützt werden. Diese Grundhaltung ist Ausdruck eines ethischen Tierschutzes, welcher der Tierwelt und dem einzelnen Tier eine
eigenständige Existenzberechtigung zugesteht.
Im schweizerischen Tierschutzgesetz findet sich wegen des Fehlens eines
bundesweit einheitlichen Hundegesetzes in der Schweiz mit der Ermächtigung
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des Bundesrates, Anforderungen an die Aus- und Weiterbildung der Tierhalter sowie der Personen, die Tiere ausbilden, festzulegen, auch die Grundlage für den Sachkundenachweis. Diesen haben zukünftige Hundehalter zu erbringen, die bis anhin noch nie einen Hund gehalten haben. In Liechtenstein soll aus
rechtssystematischen Gründen, nämlich Schutzbestimmungen im
Tierschutzgesetz zu regeln und Polizeibestimmungen in der nachgeordneten Spezialgesetzgebung einzufügen, das Gesetz über das Halten von Hunden
ergänzt und die Regierung dort ermächtigt werden. In weiterer Folge ist die
Ergänzung der Hundeverordnung betreffend den Erwerb von Grundkenntnissen in der Hundehaltung und dem Umgang mit Hunden möglich.
Ziel ist es, das neue Tierschutzgesetz zeitgleich mit dem abgeänderten Gesetz über das Halten von Hunden im Herbst 2010 in Kraft zu setzen.
Im Wissen um die vielseitigen Interessen in Tierschutzbelangen hat die Regierung im Vorfeld eine Arbeitsgruppe zur Revision des Tierschutzgesetzes bestellt.
Dieser Arbeitsgruppe gehörten neben dem Tierschutzbeauftragten Vertreter der Vereinigung Bäuerlicher Organisationen, des Tierschutzvereins Liechtenstein, des Vereins Liechtensteiner Tierärzte, des Ressorts Gesundheit und des Amtes für Lebensmittelkontrolle und Veterinärwesen, welches den Vorsitz stellte, an. Die Arbeitsgruppe erstellte im vergangenen Herbst während mehreren Sitzungen einvernehmlich die Grundzüge der vorliegenden Regierungsvorlage.
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1 | Zusatzabkommen vom 27. September 2007 zwischen dem Fürstentum Liechtenstein, der schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über die Einbeziehung des Fürstentums Liechtenstein in das Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der schweizerischen Eidgenossenschaft über den Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen, LGBl. 2007 Nr. 257. |
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