Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des FürstenTums Liechtenstein
betreffend die Totalrevision des Gesetzes über die Landes- und Gemeindesteuern (Steuergesetz; SteG) sowie die Abänderung weiterer Gesetze
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Ziel der vorgeschlagene Totalrevision des liechtensteinischen Steuerrechts ist die geltende Steuerrechtsordnung unter Berücksichtigung der internationalen Entwicklungen so zu modernisieren, damit Liechtenstein auch in Zukunft über ein national wie international attraktives Steuersystem verfügt sowie den europarechtlichen Vorgaben (insbesondere den Grundfreiheiten und den Regelungen über das Verbot der staatlichen Beihilfen einschliesslich ring-fencing) entspricht.
Für die Besteuerung von natürlichen Personen sieht das Konzept wie bisher eine Kombination aus Vermögens- und Erwerbssteuer vor. Die Vermögensbesteuerung soll künftig mit einem durch den Gesetzgeber periodisch festzulegenden prozentualen Sollertrag auf das Vermögen erfolgen, wodurch die Vermögens- und Erwerbsbesteuerung besser aufeinander abgestimmt und tariflich gleich behandelt werden. Anstelle des bisherigen Vermögensfreibetrages und des Haushaltsabzuges wird neu ein erhöhter Steuerfreibetrag vom Gesamterwerb gewährt. Der bisherige Progressionstarif wird durch einen 7-Stufen Tarif ersetzt, wodurch die steuerliche Transparenz deutlich erhöht wird. Die Dividenden und sonstigen Kapitalerträge wie Zinsen, Pachten, Mieten etc. werden wie bisher nicht als Erwerb besteuert, sondern über die Vermögensbesteuerung erfasst. Auf die Besteuerung von Kapitalgewinnen wird mit Ausnahme von Grundstücksgewinnen verzichtet.
Neu eingeführt wird eine Widmungssteuer für die Übertragung von Vermögen auf juristische Personen oder besondere Vermögenswidmungen, sofern dieses Vermögen nicht mehr der ordentlichen Vermögensbesteuerung unterliegt.
Betreffend die Bestimmungen über die Besteuerung nach Aufwand sowie diejenigen über die Grundstückgewinnsteuer werden nur kleine Änderungen gegenüber den heutigen Bestimmungen vorgeschlagen.
Auf die Erhebung der Nachlass-, Erbanfalls- und Schenkungssteuern soll verzichtet werden. Diese traditionellen Steuerarten verstossen gegen den Grundsatz der einmaligen Besteuerung des Markteinkommens einer Person, da ihnen Transfereinkünfte und keine Markteinkünfte zugrunde liegen. Die Abschaffung dieser Steuerarten steht zudem im Zusammenhang mit der Gleichbehandlung von inländischen und ausländischen Begünstigten bei vermögensverwaltenden juristischen Personen und besonderen Vermögenswidmungen.
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In Liechtenstein steuerpflichtige juristische Personen, die wirtschaftlich tätig sind, unterliegen nach dem Steuerkonzept nur noch der Ertragssteuer; auf die Erhebung der bisherigen Kapitalsteuer wird verzichtet. Der Ertragssteuersatz soll einheitlich mit 12,5 % festgesetzt werden unabhängig von der Ertrags- und Ausschüttungsintensität. Beteiligungserträge und Beteiligungsgewinne sollen steuerfrei und Verlustvorträge zeitlich unbefristet nutzbar sein. Zudem wird der Eigenkapitalzinsabzug eingeführt. Weitere wichtige Neuerungen für die künftige Entwicklung des Wirtschaftstandortes sind die Gruppenbesteuerung für verbundene Unternehmen sowie Bestimmungen für die Behandlung von Patenteinkünften. Die Vorlage enthält zudem Bestimmungen zur steuerlichen Behandlung von nationalen und grenzüberschreitenden Umstrukturierungen.
Das Steuerkonzept sieht die Abschaffung der "Besonderen Gesellschaftssteuern" für Sitzgesellschaften vor, da diese besondere Steuerart die Gefahr einer Verletzung des EWR-Abkommens hinsichtlich des Verbots staatlicher Beihilfen in sich birgt.
Für den Finanzplatz Liechtenstein ist die Erhaltung der Attraktivität als Standort für die Vermögensverwaltung für einzelne oder eine Vielzahl von Anlegern von zentraler Bedeutung. Das Steuerkonzept legt deshalb besonderes Augenmerk auf die Besteuerung vermögensverwaltender Strukturen einschliesslich der Stiftungen, Anstalten und Trusts, die europarechtskonform als Privatvermögensstruktur selbstständig besteuert werden sollen. Ebenso sollen die verschiedenen Formen von Investmentunternehmen einer international kompatiblen, d. h. einer transparenten Besteuerung unterstehen. Private-Equity-Gesellschaften unterliegen in der Rechtsform einer juristischen Person entweder der Ertragsbesteuerung oder werden bei Erfüllung der erforderlichen Voraussetzungen als Privatvermögensgesellschaft besteuert. Personenrechtliche Gemeinschaften werden steuerlich zukünftig generell transparent behandelt.
Die Vorlage sieht die Abschaffung der Couponsteuer vor, ausgenommen hiervon sind Altreserven. Die Besteuerung der Altreserven werden in den Übergangsbestimmungen geregelt.
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Die Bestimmungen über die Gründungsabgabe, die bisher im jährlichen Finanzgesetz geregelt waren, wurden ohne wesentliche Änderungen ins Steuergesetz übernommen.
Neu eingeführt wird die Abgabe auf Versicherungsprämien. Hier handelt es sich um eine Abgabe auf Prämien auf den von ausländischen Versicherungen im Wege des grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehrs in Liechtenstein abgeschlossenen Versicherungsverträgen.
Im Verfahrensrecht wurden ebenfalls verschiedene Anpassungen vorgenommen, jedoch keine wesentlichen materiellen Veränderungen gegenüber der heutigen Praxis vorgesehen.
Das künftige Steueraufkommen und die entsprechenden finanziellen Auswirkungen können naturgemäss nicht genau vorausbestimmt werden. Neben strukturellen Veränderungen durch die Steuerreform sind internationale, finanzpolitische und konjunkturelle Faktoren mitentscheidend. Die möglichen Auswirkungen der Steuergesetzreform wurden anhand von umfangreichen Berechnungsmodellen analysiert. Den Steuerrückgängen aus dem Wegfall von bestimmten Steuerarten und der neuen Tarfierung stehen einmalige Einnahmen aus der Übergangslösung im Bereich der Couponsteuer entgegen. Aufgrund der vorliegenden Schätzungen ergeben sich in den Jahren 2011 und 2012 gegenüber dem Finanzplan Mehreinnahmen von CHF 66 Mio. bzw. CHF 54 Mio. und in den Jahren 2013 und 2014 Mindereinahmen von CHF 4 Mio. bzw. CHF 8 Mio..
Zuständiges Ressort
Ressort Finanzen
Betroffene Amtsstellen
Stabsstelle Finanzen, Stabsstelle EWR, Amt für Handel und Transport, Amt für Gesundheit, Amt für Soziale Dienste, Amt für Volkswirtschaft, Amt für Wohnungswesen, Grundbuch- und Öffentlichkeitsregisteramt, Landwirtschaftsamt, Schulamt, Steuerverwaltung
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Vaduz, 4. Mai 2010
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend die Totalrevision des Gesetzes über die Landes- und Gemeindesteuern (Steuergesetz; SteG) sowie die Abänderung weiterer Gesetze zu unterbreiten.
Die Steuerpolitik und damit das Steuerklima gehören mehr denn je zu den aktuellen politischen Themen in einem Europa, dessen Staatsgrenzen für Güter und Dienstleistungen immer durchlässiger und dessen Menschen und Kapital immer mobiler werden. In den letzten Jahren haben viele Länder innerhalb und ausserhalb Europas, aber auch viele Kantone in der Schweiz, zahlreiche Steuerreformen durchgeführt. Es hat sich in der Praxis gezeigt, wie wichtig Steuerpolitik sowohl für die Belange der Bürgerinnen und Bürger eines Landes als auch für die Wettbewerbsfähigkeit eines Wirtschaftsstandortes ist. Sowohl Wirtschaftsunterneh-
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men wie auch Regionen und Staaten stehen in Konkurrenz um Investitionen, Kapital, Vermögensanlagen und hoch qualifizierte Arbeitskräfte.
Die geltende liechtensteinische Steuerrechtsordnung basiert auf dem Steuergesetz aus dem Jahre 1961, in welches Elemente des Steuergesetzes aus dem Jahre 1923 Eingang gefunden haben. Im Jahre 1990 war eine grundlegende Reform zur Neugestaltung des Steuergesetzes vorgesehen, diese wurde jedoch in einem Referendum vom Stimmvolk abgelehnt. Seit 1960 hat das Steuergesetz verschiedene punktuelle Anpassungen durch einzelne Teilrevisionen erfahren.
Das geltende Steuergesetz entspricht nicht mehr den Anforderungen, die heute an eine einfache, transparente und wettbewerbsfähige Besteuerung von natürlichen Personen und Unternehmen gestellt werden. International ist eine Tendenz zur Senkung der Steuersätze und Steuerbelastung erkennbar. Es gibt einen Trend hin zur grundlegenden Vereinfachung von Steuersystemen und zur Unterscheidung zwischen der steuerlichen Belastung von Vermögenserträgen und Erwerbseinkünften (duale Einkommensbesteuerung). Darüber hinaus versuchen wettbewerbsorientierte Steuerstandorte steuerliche Doppelbelastungen, insbesondere von Unternehmensgewinnen, zu beseitigen. Ferner unterliegen auch die Steuerbemessungsgrundlagen nachhaltigen Veränderungen. Anzumerken ist zudem, dass durch die zahlreichen Steuerreformen in anderen Ländern die konsumorientierte Besteuerung an Bedeutung gewinnt, vor allem aber der Steuerwettbewerb noch intensiver geführt wird und insbesondere in Bezug auf den mobilen Faktor Kapital Steuerentlastungen vorgenommen werden.
Neben der Verbesserung und Modernisierung des geltenden Steuergesetzes ist die Vermeidung einer unterschiedlichen steuerlichen Behandlung von In- und Ausländern sowie die europarechtskonforme Ausgestaltung des Steuergesetzes ein zentrales Element der gegenständlichen Steuerreform.