Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend die Schaffung eines Gesetzes über den Umgang mit genetisch veränderten, pathogenen oder gebietsfremden Organismen (Organismengesetz; ORGG)
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Der Landtag stimmte am 25. April 2008 der Übernahme der Richtlinie 2001/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. März 2001 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt und zur Aufhebung der Richtlinie 90/220/EWG des Rates in das EWR-Abkommen zu (Bericht und Antrag Nr. 19/2008). Die neue Richtlinie regelt das Verfahren für die Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt bedeutend transparenter und wirksamer als die Vorgängerrichtlinie, dies insbesondere auch in Bezug auf Aspekte des Umweltschutzes und der Öffentlichkeitsbeteiligung.
Die neue EU-Richtlinie erfordert verschiedene Änderungen des liechtensteinischen Gesetzes über den Umgang mit gentechnisch veränderten oder pathogenen Organismen. Die Anpassungen umfassen im Wesentlichen die Aufhebung des Verbots von Freisetzungsversuchen mit genetisch veränderten Organismen respektive den Erlass entsprechender Verfahrensbestimmungen im Einklang mit der Richtlinie. Zudem kann das im bestehenden Gesetz festgelegte Bewilligungsverfahren für das Inverkehrbringen von im EWR-Raum bereits zugelassenen genetisch veränderten Organismen nicht mehr aufrecht erhalten werden.
Im Zuge der Überprüfung der notwendigen Anpassungen hat sich gezeigt, dass eine Totalrevision des heute geltenden Gesetzes respektive die Schaffung eines neuen, umfassenden Gesetzes über den Umgang mit genetisch veränderten, pathogenen oder gebietsfremden Organismen (Organismengesetz) angezeigt ist. Gründe hierfür sind der Rechtsanpassungsbedarf zur Umsetzung der Richtlinie 2001/18/EG, die weiterführende Harmonisierung des liechtensteinischen Umweltrechtes mit jenem der Schweiz, wie dies insbesondere mit der Schaffung des Umweltschutzgesetzes erfolgte, sowie die aktuellen rechtlichen Entwicklungen, welche sich aus der zunehmenden Problematik in Zusammenhang mit gebietsfremden Organismen ergeben.
Als Rezeptionsgrundlagen für das neue Organismengesetz wurden das schweizerische Gentechnikgesetz, die spezifischen Bestimmungen im schweizerischen Umweltschutzgesetz zum Umgang mit pathogenen oder gebietsfremden Organismen sowie die Verordnungen, welche aufgrund dieser beiden Bundesgesetze erlassen wurden, herangezogen. Diese Regelungswerke weisen dasselbe Schutz-
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niveau wie das geltende liechtensteinische Gesetz auf und sind mit den EU-Regelungen zum Umgang mit genetisch veränderten Organismen grundsätzlich vergleichbar.
In der Regierungsvorlage werden neben allgemeinen Bestimmungen je ein Kapitel zu genetisch veränderten, zu pathogenen und zu gebietsfremden Organismen aufgeführt. In diesen Kapiteln werden die spezifischen Gegebenheiten für den Umgang mit den jeweiligen Organismengruppen systematisch und übersichtlich zusammengestellt. Gleichzeitig kann damit den speziellen EWR-bedingten Bestimmungen für den Umgang mit genetisch veränderten Organismen Rechnung getragen werden.
Hinsichtlich dem Inverkehrbringen und der Zulassung von Organismen ist Liechtenstein weitgehend an das Staatsvertragsrecht gebunden, auf das in den entsprechenden Abschnitten verwiesen wird. Was den Umgang mit zugelassenen Organismen insbesondere im Bereich der landwirtschaftlichen Produktion anbelangt, kann Liechtenstein im Rahmen der begrenzten Möglichkeiten des EWR-Rechtes und des Zollvertrages aber eigenständige Bestimmungen erlassen. Deshalb wurden einige grundsätzliche Bestimmungen zur Trennung des Warenflusses und zum Schutz der landwirtschaftlichen Produktion ohne genetisch veränderte Organismen in die Gesetzesvorlage integriert. Diesbezüglich besteht für Liechtenstein gegenüber der Schweiz eine spezifische Situation, da dort ein Moratorium für Lebensmittel aus nicht gentechnikfreier Landwirtschaft besteht. Demnach dürfen genetisch veränderte Pflanzen in der Landwirtschaft nicht angebaut und genetisch veränderte Tiere für die Produktion von Lebensmitteln und landwirtschaftlichen Erzeugnissen nicht in Verkehr gebracht werden. Dies ist für Liechtenstein aufgrund des EWR-Rechtes nicht möglich, weshalb im Organismengesetz eine gesetzliche Grundlage zum Erlass einer Koexistenzverordnung zu schaffen ist. Damit sollen die Auflagen und Voraussetzungen für den Anbau genetisch veränderter Pflanzen in der Landwirtschaft geregelt werden. Dabei ist den ausgesprochen kleinräumigen Verhältnissen in Liechtenstein, der starken Parzellierung des landwirtschaftlich nutzbaren Bodens und dem hohen Anteil der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung nach den Regeln des Biolandbaus sowie der integrierten Produktion Rechnung zu tragen.
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Zuständiges Ressort
Ressort Umwelt, Raum, Land- und Waldwirtschaft
Betroffene Amtsstellen
Amt für Umweltschutz
Landwirtschaftsamt
Amt für Wald, Natur und Landschaft
Amt für Lebensmittelkontrolle und Veterinärwesen
Amt für Gesundheit
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Vaduz, 01. Juni 2010
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend die Schaffung eines Gesetzes zum Umgang mit genetisch veränderten, pathogenen oder gebietsfremden Organismen zu unterbreiten.
Mit Beschluss des Gemeinsamen EWR-Ausschusses Nr. 127/2007 vom 28. September 2007 wurde die Richtlinie 2001/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. März 2001 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt und zur Aufhebung der Richtlinie 90/220/EWG des Rates (nachstehend "Freisetzungsrichtlinie") in das EWR-Abkommen übernommen. Die Übernahme dieser Richtlinie bedingt eine Anpassung des liechtensteinischen Gesetzes über den Umgang mit gentechnisch veränderten oder pathogenen Organismen (fl-GTG)
1, sodass ihre Übernahme mit Bericht und Antrag
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Nr. 19/2008 der Regierung dem Landtag zur Zustimmung vorgelegt wurde. Diese erfolgte am 25. April 2008.
Wie bereits im Bericht und Antrag Nr. 19/2008 aufgezeigt, ersetzt die Freisetzungsrichtlinie die Richtlinie 90/220/EWG, welche ebenfalls das Verfahren zur Zulassung von Freisetzungen genetisch veränderter Organismen in die Umwelt regelte. Die Freisetzungsrichtlinie 2001/18/EG regelt jedoch das Verfahren im Sinne des Umweltschutzes transparenter und wirksamer. Wesentliches Element des Verfahrens ist die zwingende Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung, welche vom Anmelder zur Zulassung sowohl für Freisetzungsversuche als auch für das erstmalige Inverkehrbringen von genetisch veränderten Organismen durchzuführen ist. Die Bestimmungen zu dieser Umweltverträglichkeitsprüfung sind detailliert in den Anhängen der Richtlinie angeführt. Im Falle von Freisetzungsversuchen handelt es sich um ein Zulassungsverfahren vor den jeweils zuständigen nationalen Behörden, während im Falle des Inverkehrbringens ein gemeinschaftliches Zulassungsverfahren vorgesehen ist. Die Kriterien zur Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung durch die zuständigen Behörden werden in Anhang II der Freisetzungsrichtlinie genau festgelegt. Ferner schreibt die Freisetzungsrichtlinie gegenüber der Richtlinie 90/220/EWG zwingend die Anhörung der Öffentlichkeit im Anmeldeverfahren für Freisetzungsversuche wie auch für das erstmalige Inverkehrbringen vor. Schliesslich wurden mit der neuen Freisetzungsrichtlinie der Anwendungsbereich sowie die Begriffs- und Verfahrensbestimmungen für Freisetzungsversuche und für das erstmalige Inverkehrbringen klarer ausgestaltet.
Neben der Freisetzungsrichtlinie sind bei der Schaffung eines neuen Organismengesetzes zwei weitere Verordnungen zu beachten, die zusammen mit der Freisetzungsrichtlinie 2001/18/EG der Harmonisierung der bereits geltenden Rechtsvorschriften über die Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung dienen:
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Die Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. September 2003 über genetisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel regelt das Inverkehrbringen genetisch veränderter Organismen sowie von Lebens- und Futtermitteln, die genetisch veränderte Organismen enthalten, in einem einheitlichen Zulassungsverfahren. Derartige Lebens- und Futtermittel sind als genetisch veränderte Organismen zu kennzeichnen, damit der Verbraucher entsprechend informiert ist und eine freie Produktwahl treffen kann. Ausserdem gelten für diese Lebens- und Futtermittel die Vorschriften für die Rückverfolgbarkeit gemäss der Verordnung (EG) Nr. 1830/2003, um einen besseren Schutz der Gesundheit für Mensch und Tier zu gewährleisten.
Diese Verordnung (EG) Nr. 1830/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. September 2003 über die Rückverfolgbarkeit und die Kennzeichnung von genetisch veränderten Organismen und über die Rückverfolgbarkeit von aus genetisch veränderten Organismen hergestellten Lebensmitteln und Futtermitteln sowie zur Änderung der Richtlinie 2001/18/EG bezweckt die Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung von genetisch veränderten Organismen und von aus genetisch veränderten Organismen hergestellten Erzeugnissen über die gesamte Lebensmittelkette hinweg. Dadurch werden die Kontrolle und Überprüfung der Angaben in der Etikettierung, die Beobachtung möglicher Auswirkungen auf die Umwelt sowie das Zurückziehen von für die Gesundheit von Mensch und Tier potenziell schädlichen Produkten ermöglicht.
Beide Rechtsakte werden aller Voraussicht nach noch im Jahre 2010 in das EWR-Abkommen übernommen. Bei der Formulierung des Organismengesetzes wurde deshalb darauf geachtet, dass keine Widersprüche zu den erwähnten EU-Verordnungen entstehen.
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1 | LGBl. 1999 Nr. 42, LR 816.1 |
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