Stellungnahme der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
zu den anlässlich der ersten Lesung betreffend das Gesetz über die Steueramtshilfe mit dem Vereinigten Königreich von Grossbritannien und Nordirland aufgeworfenen Fragen
4
Im Rahmen der ersten Lesung der Gesetzesvorlage sind keine Änderungen zum Gesetzestext vorgeschlagen worden. Aufgeworfen wurden jedoch einige Verständnisfragen, welche die Regierung im Rahmen dieser Stellungnahme beantwortet. Zudem wird von der Regierung eine Ergänzung von Art. 8 des Gesetzes vorgeschlagen, die auf eine Anregung der mit der Umsetzung der Steuerabkommen und dieses Gesetzes befassten Arbeitsgruppe zurückgeht und die Frage der Erheblichkeit der Geschäftsbeziehung eines Kunden zum liechtensteinischen Finanzintermediär betrifft.
Zuständiges Ressort
Ressort Finanzen
Betroffene stellen
Steuerverwaltung
Verwaltungsgerichtshof
5
Vaduz, 8. Juni 2010
P
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehende Stellungnahme zu den anlässlich der ersten Lesung aufgeworfenen Fragen betreffend die Abänderung des Gesetzes über die Steueramtshilfe mit dem Vereinigten Königreich von Grossbritannien und Nordirland zu unterbreiten.
Der Landtag hat in seiner Sitzung vom 22. April 2010 dem Übereinkommen vom 11. August 2009 über die Zusammenarbeit und den Informationsaustausch in Steuersachen mit Grossbritannien sowie der Regierungsvereinbarung vom gleichen Tag (Memorandum of Understanding) einhellig die Zustimmung erteilt. Auch Eintreten auf die der Umsetzung der genannten Vereinbarungen dienende Gesetzesvorlage war unbestritten und es sind seitens des Landtages auch keine Änderungen zum vorgeschlagenen Gesetzestext gemacht worden. Aufgeworfen wurden jedoch einige Verständnisfragen, welche die Regierung gerne nachstehend beantwortet. Zudem hat sich im Zuge der Vorbereitung der Verordnung
6
zum AHG-UK ergeben, dass eine Ergänzung von Art. 8 des Gesetzes angezeigt ist (s. dazu die Erläuterungen zu Art. 8 Abs.5).
Im Zuge der Behandlung des Memorandum of Understanding wurde auch über die rechtliche Bedeutung der in Anhang 7 Ziff. 18 MoU enthaltenen Regelung diskutiert, gemäss welcher es nicht im öffentlichen Interesse des Vereinigten Königreichs liege, gegen liechtensteinische Finanzintermediäre Strafuntersuchungen einzuleiten. Ergänzend zu den vom Regierungsvertreter in der April-Sitzung des Landtages gemachten Ausführungen ist dazu Folgendes zu bemerken:
Es ist richtig, dass die erwähnte Regelung des MoU keine formelle Immunität liechtensteinischer Finanzintermediäre vor Strafverfolgung in Grossbritannien beinhaltet. Eine solche Garantie kann auch nicht erwartet werden. Die von britischer Seite abgegebene Zusicherung bietet jedoch faktisch sehr weitgehenden Schutz für die liechtensteinischen Finanzintermediäre. Voraussetzung dafür ist selbstverständlich, dass sich diese konstruktiv an der Durchführung des Amtshilfe- und Compliance-Programms beteiligen, wie es das MoU und das nationale Umsetzungsgesetz vorsehen. Zudem kann nicht ausgeschlossen werden, dass es in besonders gravieren Fällen von in der Vergangenheit erfolgten Rechtsverletzungen zu strafrechtlichen Untersuchungen kommen kann.
Die getroffene Regelung ist Ausdruck für das besondere Verständnis, das zwischen Grossbritannien und Liechtenstein in Bezug auf die Bereinigung von möglicher Weise bestehenden steuerlichen Problemen von Kunden gefunden werden konnte. Die Finanzintermediäre sind Teil des Amtshilfe- und Compliance-Programms, das nur mit ihrer aktiven Mitwirkung funktionieren kann. Bei diesem wohlwollenden Ansatz, der die Finanzintermediäre als Partner und nicht als Gegner betrachtet, kann Strafverfolgung nur die ultima ratio in krassen Fällen strafrecht relevanter Verfehlungen sein. In diesem Zusammenhang darf darauf hin-
7
gewiesen werden, dass das Prinzip des grundsätzlichen Verzichts auf Strafverfolgung auch in der Zweiten Gemeinsamen Erklärung, die zwischen der Regierung und HMRC vereinbart werden wird, nochmals bekräftigt wird.
Eine weitere Klarstellung soll zur Frage der Anwendbarkeit des AHG-UK auf Offshore-Strukturen von Drittstaaten mit Beteiligung liechtensteinischer Finanzintermediären gemacht werden. Es kommt vor, dass liechtensteinische Finanzintermediäre Organfunktion in einer einem UK-Kunden zuzurechnenden Offshore-Struktur haben. Es stellt sich dabei die Frage, ob auf eine solche Situation das liechtensteinische AHG-UK anwendbar ist. Gemäss Art. 8 Abs. 1 des Gesetzes ist ein Finanzintermediär verpflichtet, relevante Personen zu identifizieren, wenn er gegenüber diesen "relevante Dienstleistungen" erbringt. Relevante Dienstleistung setzt gemäss der Begriffsdefinition von Art. 3 Abs. 1 Bst. h des Gesetzes immer "Bezug auf relevantes Vermögen" voraus. Gemäss Bst. g der zitierten Bestimmung ist relevantes Vermögen dabei ein Bank- oder Finanzkonto in Liechtenstein oder eine Gesellschaft, eine Stiftung, ein Trust oder eine rechtliche Struktur, die in Liechtenstein herausgegeben, gebildet, gegründet, eingetragen, administriert oder verwaltet wird. Bei der oben erwähnten Konstellation wird in der Regel davon auszugehen sein, dass eine Gesellschaft eines Drittstaates grundsätzlich auch dort administriert oder verwaltet wird, es sei denn, einem liechtensteinischen Finanzintermediär kommt dabei die bestimmende Rolle zu.