Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend die Abänderung des Finanzmarktaufsichtsgesetzes
3
5
Für die liechtensteinische Wirtschaft, den Finanzplatz und seine Finanzintermediäre ist es von grösster Wichtigkeit, freien Zugang zu den europäischen und internationalen Finanzmärkten zu haben. Die Finanzmärkte sind durch international anerkannte Standards reguliert. Nach der Finanzkrise hat sich der internationale Druck zur Einhaltung dieser Standards massiv verstärkt.
Die Standards im Wertpapierbereich werden auf internationaler Ebene von der International Organization of Securities Commissions (IOSCO) und auf europäischer Ebene vom Committee of European Securities Regulators (CESR; künftig European Securities and Markets Authority; ESMA) gesetzt. Die Mitgliedschaft bei diesen Organisationen ist nur bei Einhaltung sämtlicher von ihnen vorgegebenen Standards, insbesondere der Standards im Amtshilfebereich, möglich.
Im Rahmen der neuen ESMA werden ab 2011 für alle Beteiligten direkt bindende Entscheide und Weisungen gefällt werden. Zudem werden im Rahmen der Regulierungskompetenz der ESMA sogenannte "binding technical standards" erlassen werden. Diese betreffen insbesondere den für Liechtenstein bedeutsamen Investmentfondsbereich. Ein Abseitsstehen kann beträchtliche negative Folgen mit sich bringen und die Wettbewerbsposition Liechtensteins schwächen.
Liechtenstein erfüllt zum jetzigen Zeitpunkt die durch IOSCO und CESR vorgegebenen Standards im Amtshilfebereich nicht vollumfänglich. Dies hat bislang eine Partizipation Liechtensteins unmöglich gemacht. IOSCO und CESR kritisieren die im liechtensteinischen Amtshilfeverfahren gewährte Information des Kunden über das Amtshilfeersuchen sowie die fehlende Möglichkeit der FMA Liechtenstein, in allen von CESR und IOSCO geforderten Fällen Amtshilfe zu leisten.
Durch die vorliegende Gesetzesänderung werden die von IOSCO und CESR kritisierten Punkte unter Wahrung des Kundenschutzes nach liechtensteinischen Verständnis behoben und die liechtensteinische Amtshilfe an die von IOSCO und CESR vorgegebenen Standards angepasst. Zentraler Punkt der vorgeschlagenen Lösung ist die zeitliche Verschiebung des Beschwerderechts nach hinten (nachträgliches Beschwerderecht) und die Überprüfung des Amtshilfeersuchens durch eine unabhängige richterliche Instanz. Damit werden die Anforderungen von CESR und IOS--
6
CO erfüllt und gleichzeitig die verfassungsmässigen Rechte des Betroffenen gewahrt.
Die vorgeschlagenen Anpassungen im FMAG ermöglichen Liechtenstein, vertreten durch die Finanzmarktaufsicht (FMA), die Erlangung des Mitgliedsstatus bei IOSCO und des Beobachterstatus bei CESR. Vor allem kann damit aber sichergestellt werden, dass die liechtensteinischen Finanzintermediäre auch künftig an den europäischen und internationalen Finanzmärkten partizipieren können und die Konkurrenzfähigkeit und die Reputation des Finanzplatzes Liechtenstein erhalten bleibt.
Zuständiges Ressort
Ressort Finanzen
Betroffene Stelle
Finanzmarktaufsicht Liechtenstein FMA
7
Vaduz, 31. August 2010
RA 2010/1560-7402
P
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend die Abänderung des Finanzmarktaufsichtsgesetzes zu unterbreiten.
Für das Land, die Wirtschaft und den Finanzplatz ist es von entscheidender Bedeutung, freien Zugang zu den europäischen und internationalen Finanzmärkten zu haben. Die liechtensteinische Wirtschaft hat grosses Interesse daran, Finanzierungen global auszuschreiben, Vermögenswerte weltweit anzulegen, rund um den Globus Investitionen zu tätigen und überall auf der Welt den Handel mit Finanzinstrumenten betreiben zu können. Dies gilt auch für die Finanzintermediäre. Für sie kommt hinzu, dass sie den Marktzutritt in Europa und international für den Vertrieb und die Entwicklung ihrer Produkte und für das Geschäft mit Kunden vor Ort unbedingt benötigen.
8
Die Globalisierung und die Vernetzung zwischen den Finanzmärkten und Finanzplätzen sowie die damit einhergehende Vereinheitlichung und Standardisierung führen dazu, dass der Marktzugang und der Handel stets an neue und weitergehende Vorschriften und Standards geknüpft werden.
Wo derartige neue Vorschriften nicht von den Behörden erlassen werden, wirken speziell hierfür ins Leben gerufene Organisationen als sogenannte Standard-Setter. Zu diesen Standard-Settern gehört im Bereich des internationalen Finanzinstrumentehandels bzw. im Wertpapierbereich die International Organization of Securities Commission (IOSCO). Auf europäischer Ebene ist das Committee of the European Securities Regulators (CESR) die zuständige Organisation. Während IOSCO aufgrund der wechselseitigen Anerkennung der Mitgliedstaaten in der Lage ist, Vorschriften zu erlassen und durchzusetzen, kann CESR in ihrer Funktion als Beraterin der EU-Kommission indirekt am Erlass von Vorschriften mitwirken. Tatsache ist, dass heute die Vorschriften beider Gremien von all jenen einzuhalten sind, die nicht - partiell oder vollständig - vom internationalen Wertpapierhandel ausgeschlossen werden wollen.
Liechtenstein erfüllt als einer von wenigen Staaten und als praktisch einziger wichtiger Finanzplatz weder die Anforderungen für eine Mitgliedschaft bei IOSCO noch für die Aufnahme in den Beobachterstatus bei CESR in vollem Umfang. Angesichts dieser Tatsachen vertritt die Regierung die Auffassung, dass es unumgänglich ist, sämtliche rechtlichen und faktischen Grundlagen bereitzustellen bzw. anzupassen, um eine Aufnahme bei IOSCO und CESR zu erreichen und damit den Zugang zu den internationalen Finanzmärkten für die liechtensteinische Wirtschaft sicherzustellen.