Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend die Abänderung der Strafprozessordnung, des Gerichtsorganisationsgesetzes sowie weiterer Gesetze
(Abschaffung des Schöffengerichts)
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Dem Schöffengericht obliegt gemäss § 15 Abs. 3 der Strafprozessordnung die Schlussverhandlung und Urteilsfällung wegen bestimmter, abschliessend aufgezählter Vergehen und Verbrechen. Es nimmt dabei seine Funktion in der Besetzung mit einem Vorsitzenden sowie zwei Schöffen wahr.
Aufgrund des stets niedrigen Geschäftsanfalls beim Schöffengericht in den vergangenen Jahren erscheint es angebracht, das Schöffengericht aufzulösen und dessen Kompetenzen zwischen dem Kriminalgericht und den Einzelrichtern des Landgerichts aufzuteilen.
Der Grossteil der bisher vom Schöffengericht zu beurteilenden Fälle wird dabei künftig von den Einzelrichtern des Landgerichts erledigt. Lediglich die schweren und die politischen Fälle der Strafprozessordnung werden dem Kriminalgericht übertragen.
Zu diesem Zweck sind die Strafprozessordnung, das Gerichtsorganisationsgesetz, das Volksrechtegesetz, das Jugendgerichtsgesetz, das Strafvollzugsgesetz sowie das Einführungs-Gesetz vom 13. Mai 1924 zum Zollvertrag mit der Schweiz entsprechend anzupassen.
Überdies bedingt die geplante Abschaffung des Schöffengerichts insofern eine verfassungsrechtliche Anpassung, als der Begriff "Schöffengericht" aus Art. 100 Abs. 4 der Verfassung zu streichen ist.
Im Rahmen dieses Gesetzesprojekts wird das Einführungs-Gesetz zum Zollvertrag mit der Schweiz auch in Bezug auf die im Jahr 1924 festgelegte Zuständigkeit der liechtensteinischen Gerichte in Strafverfahren über Zollvertragssachen angepasst, da diese überholt erscheint. Ausserdem wird die Bestimmung des Art. 12 Abs. 2 aufgehoben. Somit wird im Zweifel über die Zuständigkeit in Strafverfahren über Zollvertragssachen gemäss § 18 der Strafprozessordnung das nächste gemeinsam übergeordnete Gericht, letztlich der Oberste Gerichtshof, zuständig sein.
Zuständiges Ressort
Ressort Justiz
Betroffene Stellen
Ressort Inneres, Amt für Auswärtige Angelegenheiten, Staatsanwaltschaft, Landgericht
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Vaduz, 18. Oktober 2011
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend die Abänderung der Strafprozessordnung, des Gerichtsorganisationsgesetzes sowie weiterer Gesetze (Abschaffung des Schöffengerichts) zu unterbreiten.
Die bestehende Strafgerichtsbarkeit mit einem Schöffengericht als ordentliches Gericht geht auf das Jahr 1884 zurück. Damals wurde eigens für Vergehen ein Gericht, bestehend aus einem rechtskundigen Richter sowie zwei rechtsunkundigen Schöffen, geschaffen - das sogenannte Schöffengericht. Damit sollte insbesondere das bis dahin geheime inquisitorische Strafverfahren von 1803 abgeschafft und die Laienbeteiligung nach österreichischem Vorbild für Liechtenstein eingeführt werden.
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Seit 1988 ist das Schöffengericht gemäss § 15 Abs. 3 der Strafprozessordnung (StPO)
2 zur Schlussverhandlung und Urteilsfällung wegen abschliessend aufgezählter Vergehen und Verbrechen zuständig. Seit 2007 betrifft dies nur noch 39 Fälle.
3Das Schöffengericht besteht aus einem Landrichter als Vorsitzenden, einem Landrichter als Stellvertreter des Vorsitzenden sowie zwei Schöffen und je einem Stellvertreter für jeden Schöffen (Art. 8 Abs. 1 des Gerichtsorganisationsgesetzes; GOG
4). Im Einzelfall nimmt das Schöffengericht seine Funktion in der Besetzung mit einem Vorsitzenden sowie zwei Schöffen wahr (Art. 8 Abs. 2 GOG).
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1 | Ospelt, Geschichte des Laienrichtertums in Liechtenstein, 2010, 56 ff. |
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2 | LGBl. 1988 Nr. 62. |
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3 | Bis zum Jahr 2007 waren es 40 Fälle. Die qualifizierte Tierquälerei wurde mit LGBl. 2007 Nr. 187 gestrichen. |
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4 | LGBl. 2007 Nr. 348. |
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